Ein paar Minuten

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Harry

Ein bedrückendes Schweigen legte sich über uns. Ich hoffte inständig, dass Loona recht behielt und sie einfach nur krank im Bett lag. Dennoch fragte ich, warum sie dann nicht Loona um Hilfe bat. Wenn sie wirklich so ein Mitteilungsbedürfnis hatte, wie sie mir erklärte und wie ich Soey in London erlebte, musste etwas nicht stimmen. Aber es war kontraproduktiv dies ihr gegenüber zu äußern. Sie hätte sich nur noch mehr verrückt gemacht. Immer wieder wanderte mein Blick zu ihr, um zu checken, ob eine Panikattacke sich anbahnen könnte. Ihr Schweigen und das scheinbar lauter werdende Geräusch der Reifen, die über den Asphalt rieben, machte mich angespannter. Die Zeit zog sich gefühlt unendlich in die Länge. Ich musste irgendwas sagen oder machen, um meine oder ihre Gedanken abzulenken.

Ich wusste, wie schrecklich es sein konnte, sich Sorgen, um jemanden zu machen, wo man nicht wusste, wie es der Person ging oder wo sie sich befand. Das ist ein schreckliches und nagendes Gefühl, das dich fertigmachen kann, ohne dass man es selbst begriff. „Du hast mir nie erzählt, wie du Soey kennengelernt hast." Durchbrach ich die Stille in Wagen und wechselte meinen Blick zwischen der Straße und ihrer Erscheinung neben mir hin und her. Sie sah kurz zu mir und begann zu lächeln. „Durch das Krankenhaus. Sie hatte sich beim Yoga am Strand im weichen Sand den Knöchel verstaucht." Begann sie zu erzählen und ihre Stimme löste meine innere Anspannung. „Ich verpasste ihr eine Schiene und riet ihr sich für ein bis zwei Wochen zu schonen." Sie lachte leise auf. „Doch sie hielt sich nicht daran und knickte ein paar Tage später mit dem anderen Fuß um."

„Sollte sie nicht etwas mehr Körperbeherrschung und Körperwahrnehmung haben als Yoga-Expertin?" Lachte ich leise auf und hielt an einer roten Ampel an. „Das sollte man denken, aber zu diesen Zeitraum, war sie noch keine Expertin. Das Studio hat sie erst seit 2 Jahren." Erklärte sie mir. „Und wie seid ihr in den näheren Kontakt getreten?" Wollte ich wissen, prüfte die Straße und fuhr bei Grün weiter. „Na ja. Ein paar Tage darauf traf ich sie in einem Rollstuhl beim Einkaufen. Sie hatte Schwierigkeiten die Tüten zu transportieren und den Rollstuhl zufahren. Ich sprach sie an, ob ich jemanden aus ihrer Familie benachrichtigen solle, damit ihr jemand helfen kann. Doch sie schüttelte den Kopf und erklärte mir, dass sie alleine hier in L.A.  wohnte." Ihr Blick schweifte in die Ferne, als hätte sie sich gerade an Details erinnert.

„So kam es, dass ich ihr half und ihr meine Nummer gab. Wenn sie etwas brauchte, sollte sie mich anrufen. Zu diesen Zeitpunkt ahnte ich noch nichts von ihren Callcenter Qualitäten." Lachte sie. „Auch wenn sie mich nervt, mich in den Wahnsinn trieb mit ihren Anrufen, ist sie meine Freundin. Meine einzige Freundin. Sie hörte mir zu, nahm mich mit meinen Launen, so wie sie kamen. Sie sagte nie ein böses Wort über mich oder war beleidigend, wenn ich sie anschrie." Erklärte sie und ihre Stimme wurde brüchiger. „Harry, wenn es ihr schlecht geht und ich nicht da war, um ihr zu helfen, drehe ich durch." Weinerlich erstickte ihre Stimme und sie begann zu schniefen. „Hey Moon, Moon." Rief ich sie und musste den Wagen an den Straßen fahren. Ich zog die Handbremse an und griff nach ihrer Hand. „Moon. Sieh mich an." Ich schlüpfte mit dem Arm aus dem Sicherheitsgurt und zog sie an der Schulter etwas zu mir heran. „Ich verstehe, wie sehr du dich sorgst. Ihr geht es bestimmt gut. Mach dich bitte nicht verrückt okay. Wir sind gleich da. Und vielleicht schläft sie nur, oder hat ihr Handy verlegt. Alles wird gut."

Schmerzend drang ihr Weinen an mein Ohr. Ich drückte ihr einen langen Kuss gegen ihre Schläfe und rieb ihr tröstend über ihren Rücken. Nach ein paar Minuten beruhigte sie sich und löste sich von mir. „Geht es wieder?" Fragte ich besorgt nach. Sie nickte und wischte sich ihre Tränen weg. „Ja.. Ja es geht wieder." Versicherte sie mir. „Okay, dann fahre ich jetzt weiter." Erneut nickte sie. Ich legte den Gurt wieder richtig an, löste die Handbremse und fuhr zurück in den Straßenverkehr. Es waren nur noch zwei Straßen bis zu unserem Ziel. Ich war so aufgeregt und hoffte, dass Soey in Ordnung war. Wenn nicht, würde das einen fürchterlichen Zusammenbruch für Loona bedeuten. Als wir uns dem Yogastudio nährten griff ich mir ihre Hand, drückte fest zu und küsste ihre Fingerknöchel. „Alles wird gut sein. Versprochen."

Ich wurde vor dem Studio langsamer. Sie löste sich von meiner Hand, schnallte sich ab und öffnete die Wagentür. Ich drückte scharf auf die Bremse und sie sprang raus und rannte zum Studioeingang. „Bist du wahnsinnig?" Rief ich ihr nach. Ich fuhr seitlich ran, schaltete den Motor ab und stieg aus. „Loona, bist du verrückt, du kannst doch nicht aus einem fahrenden Auto springen." Erklärte ich zornig. So sehr ich sie liebte, aber das wahr unfassbar leichtsinnig. Kurz bevor sie die Tür zum Studio erreichen konnte, fuhr ein grauer Wagen mit durchdrehenden und quietschenden Reifen aus der Parkbucht vor dem Studio von Soey. Wir starrten dem Wagen einige Augenblicke hinterher. Ich schüttelte meinen Kopf und lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf Loona. Ich hastete zu ihr und begann auf sie einzureden, während sie immer noch dem Auto nachstarrte. „Bist du noch bei Verstand? Was sollte das? Du musst doch nicht dein eigenes Leben riskieren?" Doch ich bekam keine Reaktion von ihr. Ich packte sie an den Schultern und drehte sie zu mir.

Im Licht der Straßenlampe sah ich die Blässe in ihrem Gesicht und den leeren Blick der durch mich durch drang. „Loona? Was ist los? Rede. Erde an Loona Collin. HEY!!!" Ich musste sie tatsächlich etwas an ihren Schultern rütteln, dass sie endlich reagierte. Ihre Atmung ging schnell und ihre Farbe im Gesicht kehrte langsam zurück. Ich schaute noch mal zur Straße und sah dann besorgt zu ihr. „Was war das gerade?" Wollte ich von ihr wissen und suchte nach ihren direkten Blickkontakt. „Ich weiß es nicht. Es war ... das Geräusch, das Autos, das mich ... in eine Starre versetzte." Erklärte sie stotternd und ihre Hände zitternden dabei. „Fuck..." Ich atmete tief durch und zog sie in meinem Arm. „Du hast mich zu Tode erschrocken. Mach das bitte nie wieder, hörst du?" Bat ich nachdrücklich. „Warte, bis ich den Wagen angehalten habe okay?" Wies ich noch mal auf die leichtsinnige Action von eben. Meine Wut wich der Besorgnis um sie.

Ihre Arme schlangen sich um meine Taille. Ich konnte spüren, wie sie zitterte. Das kam nicht von der Aktion, sondern von dem Wagen, der da einen Abgang hingelegt hatte, als wäre die Polizei hinter ihm her. „Schon gut, schon gut. Atme tief ein." Ich konnte es nicht genau definieren, aber dieser Wagen hatte wohl in ihr einen Triggerpunkt ausgelöst. Ich lehnte meinen Mund zu ihrem Ohr und sprach ganz sanft zu ihr. „Du bist in Sicherheit Moon. Dir kann nichts passieren. Ich bin hier okay?" Machte ich ihr noch einmal klar und drückte sie behutsam von mir, um sie anzuschauen. Ich legte meine Hände an ihre Wangen und küsste ihre Stirn. Ihre kalten Finger wickelten sich um meine Handgelenke und ich spürte, wie ihre Anspannung langsam verschwand.

Ich sah zu ihr hinab und prüfte noch mal ihre Gesichtsfarbe. „Brauchst du noch etwas Zeit, um dich zu sammeln?" Mein Blick war ernst, mein Gesichtsausdruck angespannt und ich achtete auf jede mögliche Reaktion von ihr. Ich wollte nicht, dass sie zusammenbrach, wegen eines beschissenen Autofahrers, der seine Karre nicht unter Kontrollen hatte. Sie schüttelte ihren Kopf und nahm meine Hände von ihrem Gesicht. „Nein, es ist ... ist schon okay." Meinte sie leise und sah zur Straße. „Dann lass uns Soey besuchen." Erinnerte ich sie an den eigentlichen Grund warum wir uns hier Santa Monica befanden. „SOEY!!" Keuchte sie, löste sich von mir und eilte zur Tür.

Pillow Talk || H.S. [18+] || GermanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt