Kapitel 61 - Samu

0 0 0
                                    

Samu - Part 61

Vorsichtig ziehe ich die Decke ein Stück höher, bis sie Amia bis zu den Schultern warm umhüllt. Ihr Gesicht sieht im Schlaf ruhiger aus, aber ich spüre, wie zerbrechlich sie ist. Langsam beuge ich mich vor und küsse sanft ihre Stirn, spüre die Wärme ihrer Haut gegen meine Lippen. Für einen kurzen Moment schließe ich die Augen und lasse diesen winzigen, friedlichen Moment in mir nachklingen. "Du wirst das schaffen, Baby", flüstere ich, mehr ein Versprechen an sie als an mich. Aber die Zweifel in meinem Kopf flackern weiter. Leise stehe ich auf und nehme das Tablett mit dem Geschirr an mich. Jeder Schritt, den ich zur Tür mache, fühlt sich schwer an, als würde ich sie in diesem Moment im Stich lassen, obwohl sie gerade schläft. Ich werfe noch einen letzten Blick auf sie, wie sie tief in die Kissen gesunken ist, bevor ich den Raum verlasse. In der Küche angekommen, stelle ich das Geschirr ab und lasse den Löffel in die Schale gleiten, während das leise Klirren mich zurück in die Realität bringt. Der Abwasch stapelt sich schon wieder, und es riecht nach der Suppe, die sie kaum angerührt hat. Ein kleiner Berg Arbeit, den ich so lange ignoriert habe, weil alles andere dringlicher schien. Aber jetzt stehe ich hier, allein mit meinen Gedanken, und spüre die Stille um mich herum. Während ich anfange, die Teller abzuspülen, so wie heute Morgen schon, versuche ich, mich auf die Routine zu konzentrieren, die simplen Bewegungen, die mir irgendwie Halt geben sollen. Aber meine Gedanken schweifen immer wieder ab. Was, wenn sie nicht genug gegessen hat? Was, wenn ihre Kraft nicht ausreicht? Was, wenn ich sie verliere, weil ich nicht genug tue?
Ich stütze mich kurz seufzend am Spülbecken ab und schließe die Augen. Ich will stark für sie sein, aber diese verdammte Unsicherheit frisst an mir. Ich weiß, dass ich nicht zaubern kann und dass sie Zeit braucht. Doch diese Hilflosigkeit macht mich fertig. Einfach nur zu hoffen, dass es besser wird, und dann zuzusehen, wie sie sich quält... es zerreißt mich innerlich.

Als ich mit dem Abwasch fertig bin, räume ich langsam das Geschirr in den Schrank, wische die Arbeitsfläche ab, alles so mechanisch, als könnte das etwas in mir ordnen. Aber es bleibt dieses Gefühl, dass ich irgendwie versage, weil ich nicht mehr tun kann. Ich stelle gerade den letzten Teller in den Schrank, als es plötzlich an der Tür klopft. Das Geräusch lässt mich heftig zusammenzucken und mein Herz schlägt sofort schneller. Für einen Moment halte ich inne, starre auf die Tür und höre nur das leise Ticken der Uhr in der Küche. Wer könnte das sein? Ich werfe einen schnellen Blick Richtung Flur, dann zur Schlafzimmertür, wo Amia friedlich ruht. Noch einmal klopft es, diesmal ein wenig fester. Ich atme tief durch, wische meine Hände an einem Handtuch ab und gehe langsam zur Tür. Als ich öffne, steht Mikko da, eine Tasche in der Hand und ein besorgter Ausdruck auf seinem Gesicht. "Hey", sagt er leise, als er meinen überraschten Blick sieht. "Ich wollte nicht stören, aber... ich hab mir Sorgen gemacht." Ich atme aus und merke, dass ich die Anspannung in meinen Schultern erst jetzt loslasse. "Mikko", sage ich und versuche zu lächeln, auch wenn es mir schwerfällt. "Es ist okay. Du hast uns nicht gestört." - "Ich hab ein paar Sachen mitgebracht. Lebensmittel, damit ihr euch darum keine Gedanken machen müsst.", murmelt er und hebt dabei die Tasche in seiner Hand hoch. Mein Blick fällt auf die Tasche, und plötzlich überkommt mich ein Gefühl der Dankbarkeit. Er hat daran gedacht, was ich nicht mal bemerkt habe - dass der Kühlschrank langsam leer wird. Ich habe so viel Energie darauf verwendet, mich um Amia zu kümmern, dass ich an solche Dinge kaum noch denken konnte.
"Das ist... wirklich nett von dir", sage ich ehrlich, während ich zur Seite trete und ihn hereinkommen lasse. "Danke, Mikko. Es bedeutet mir viel, dass du da bist." meine ich, während wir beide zurück in die Küche gehen. Er stellt die Tasche auf den Küchentisch und sieht sich um. "Wie geht es ihr?" fragt er schließlich, leise, fast zögernd. Ich halte kurz den Atem an, weiß nicht so genau, wie ich es in Worte fassen soll.

"Sie... kämpft. Sie hat vorhin ein bisschen was gegessen, aber es ist nicht viel. Sie ist so schwach, Mikko. Ich mache mir Sorgen, dass es nicht genug ist, dass ich nicht genug für sie tue.", legt er mir nun eine Hand auf die Schulter und drückt leicht. "Samu, du tust mehr, als die meisten in deiner Lage tun könnten. Ich sehe, wie sehr du dich um sie kümmerst. Aber es ist auch in Ordnung, wenn du dir Sorgen machst. Das zeigt, wie wichtig sie dir ist.", nicke ich, auch wenn ich mich immer noch so hilflos fühle. "Es ist einfach schwer, sie so zu sehen, wie sie kämpft und sich quält. Und ich kann nicht viel tun, außer da zu sein." - "Aber genau das ist das Wichtigste", sagt er ernst. "Dass du da bist. Dass sie weiß, dass sie nicht allein ist. Das gibt ihr die Kraft, weiterzumachen.", holt er tief Luft und sieht mich fest an. "Aber du darfst nicht vergessen, auch auf dich aufzupassen. Wenn du zusammenbrichst, dann hilft das niemandem.", senke ich kurz den Blick, weil ich weiß, dass er recht hat. Ich habe kaum geschlafen, kaum gegessen - alles war auf Amia gerichtet. Aber Mikko hat recht. Wenn ich mich selbst nicht stabil halte, kann ich ihr auch nicht helfen. "Ich... ich weiß", murmle ich leise und schaue ihm wieder in die Augen. "Ich werde es versuchen." Er nickt und öffnet dann die Tasche, packt Brot, frisches Gemüse und andere Kleinigkeiten aus, während ich ihn dabei beobachte. "Hier, ich hab auch frische Sachen mitgebracht. Du musst dich nicht gleich darum kümmern, ich dachte nur, es wäre gut, wenn ihr versorgt seid." - "D... Danke. Wirklich." murmle ich leise, helfe ihm, die Sachen in den Kühlschrank zu räumen, und für einen Moment ist die Stille fast beruhigend. Mikko ist nicht nur ein Freund, er ist jemand, der versteht, was ich gerade durchmache. Und irgendwie beruhigt mich seine Anwesenheit. "Bleibst du noch ein bisschen?" frage ich, als er die letzten Sachen verstaut hat. "Es wäre gut, jemanden hier zu haben, der nicht... so tief drinsteckt wie ich." - "Natürlich. Ich bleibe so lange, wie du mich brauchst.", legt er mir freundschaftlich eine Hand auf meine Schulter und sieht mich dann aufmunternd lächelnd an.

home ist here - home is youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt