Kapitel 1

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Ich hasste meine Schule. Jeden Tag dasselbe. Ich wurde von allen gemobbt und fertig gemacht. Ich saß alleine und wurde immer ausgegrenzt. Immer wieder versuchten sie mich zum Reden zu bringen. Die ganzen Lehrer hatten das schon lange aufgegeben, nur meine Mitschüler nicht.

Warum ich nicht redete? Weil sie es nicht verdient haben und ich es nicht für nötig hielt mit ihnen zu reden. Zu Hause redete ich wie ein Wasserfall, aber in der Schule hatte ich einfach keine Lust dazu. Wenn ich mit ihnen reden würde, fanden sie so oder so mehr heraus, um mich fertig zu machen, also ließ ich es gleich bleiben. Vor allem, weil ich schwul war und es zum Glück niemand wusste, bis auf meine Mutter. Wenn ich reden würde, rutschte mir das bestimmt ungewollt raus. Dann konnte ich gleich ins Ausland ziehen. Übrigens, ich hieß Alex. Im Internet war ich als Izzi bekannt.

Heute in der Schule wurde uns mitgeteilt, dass wir morgen einen neuen Mitschüler bekommen würden. Ich war gespannt, wie der so war. Ich hoffte, dass er nicht so kaltherzig wie die anderen war. Ach, was machte ich mir Hoffnungen? Der war bestimmt wie die anderen und wenn nicht, dann brachten sie ihn dazu. Das war ja schon mal so. Na ja, egal jetzt. Ich ging schlafen.

Mein Wecker klingelte um Punkt 7 Uhr. Scheiß Teil. Warum musste es mich immer aus meinen Träumen reißen? Genervt stand ich auf und trottete ins Bad. Ich ging schnell duschen und zog mich an. Danach ging ich in die Küche, um etwas zu frühstücken. Wie immer erwartete mich meine Mutter. Sie schien heute fröhlicher, als sonst zu sein.

Mama: „Guten Morgen"

Ich: „Morgen."

Mama: „Ich muss dann mal los zur Arbeit. Viel Spaß in der Schule und komm nicht zu spät."

Ich: „Ja, keine Sorge."

Ich liebte meine Mutter. Sie war immer für mich da und ich konnte mit ihr über alles reden. Nur hatte ich Angst ihr das mit dem Mobbing in der Schule zu sagen. Wer weiß, wie sie reagieren würde. Vielleicht musste ich dann die Schule wechseln und dann ging das Ganze von vorne los. Mag ja sein, dass ich da mal Freunde finden könnte, aber das riskierte ich nicht. Ich hatte einfach keine Lust das nochmal zu machen.

Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass mein Bus in 5 Minuten kommt. Also holte ich meine Tasche und lief zur Bushaltestelle.

In der Schule angekommen sah ich, dass das Klassenzimmer schon offen war. Ich ging hinein, setzte mich auf meinen Platz und wartete auf den Lehrer. Dieser kam 3 Minuten später mit einem Jungen rein. Ich sah ihn mir genau an. Er war recht groß, hatte braune Haare, die nach hinten gekämmt waren, ein echt bezauberndes Lächeln und blau-graue Augen. Schlecht sah er nicht aus.

Der Lehrer räusperte sich, um die Aufmerksamkeit der Klasse auf sich zu lenken, als die beiden am Pult ankamen.

Lehrer: „Guten Morgen. Wie schon erwähnt bekommt ihr einen neuen Mitschüler. Stell dich doch mal vor und erzähle was von dir."

Felix: „Ich heiße Felix, bin 16 Jahre alt und bin hier hergezogen."

Also stottern tat er schon mal nicht.

Lehrer: „Gut, dann setze dich bitte zu Alex. Ist ja auch der einzig freie Platz."

Er nickte und setzte sich zu mir. Er schaute und lächelte mich an.

Felix: „Hi."

Ich antwortete natürlich nicht. Nur weil er neu war, machte ich keine Ausnahme. Ich sah im Augenwinkel, dass er von hinten kurz angetippt wurde. Florian, der eine Reihe hinter uns saß, beugte sich zu Felix nach vorne.

Florian: „Vergiss es, er redet nicht."

Felix nickte, als Bestätigung, holte einen Zettel und einen Stift aus seiner Tasche und fing an darauf etwas zu schreiben. Er schob mir den Zettel zu, als er fertig mit schreiben war. Ich nahm ihn in die Hand und fing an zu lesen.

„Wenn du nicht redest, willst du dann mit mir schreiben?"

Ich musste schmunzeln, lies es mir aber nicht anmerken. Auf diese Idee kam noch niemand. Soll ich mit ihm schreiben, oder nicht? Ach, ich versuche es einfach mal.

„Wenn du nicht so wie die anderen bist, gerne."

Ich schob den Zettel zurück zu Felix. Er las den Satz, runzelte die Stirn und schrieb wieder.

„Was meinst du denn damit?"

„Wenn du mich nicht fertig machst, auslachst oder Sonstiges."

„Um Gottes willen, nein. Warum machen die das?"

„Wenn ich das wüsste, würden sie das nicht machen. Das ist übrigens einer der Gründe, warum ich hier nicht rede."

„Heißt das, du redest nur in der Schule nicht? Warum denn?"

„Na ja, ich halte es nicht für nötig hier zu reden. Außerdem finden sie so mehr raus, mich fertig zu machen."

„Verständlich. Willst du nach der Schule vielleicht mit mir etwas machen? Ich finde dich echt sympathisch."

„Klar, gerne. Erwarte nur nicht zu viel von mir mit dem Reden."

Er nickte nur kurz und wendete seinen Blick nach vorne zum Lehrer. Als es zur Pause klingelte, ging ich wie immer auf das Jungsklo. Dort verbrachte ich immer eingesperrt meine Pausen, nur um nicht von den anderen verprügelt zu werden. Felix wollte mir hinterhergehen, wurde aber von Florian und seiner „Gang" aufgehalten. Jap, diese „Gang", die mich tagtäglich verprügelte. Ich ahnte Schlimmes. Ich konnte ihm nicht helfen. Ich wurde dann ja sowieso wieder verprügelt.

Bevor ich durch die Tür zum Klo ging, blieb ich stehen und lauschte. Ich konnte einige Stimmen hören. Felix, Florian, Julian, Max und Robin.

Florian: „Was hast du mit dem Stummen geschrieben? Magst du ihn etwa?"

Felix: „Ich finde ihn zumindest nett. Ich weiß nicht, was ihr habt. Nur weil er nicht redet, heißt es nicht, dass er das nicht kann."

Robin: „Willst du ihn jetzt etwa beschützen?"

Julian: „Er hat es verdient! Wenn man uns ignoriert, muss man halt mit den Konsequenzen rechnen."

Felix: „Verdient? Seid ihr behindert? Ihr habt doch keine Ahnung, was ihr da redet!"

Florian: „Hey! Nicht frech werden, sonst kassierst du!"

Max: „Du hast doch keine Ahnung, was du da redest! Halt dich aus unseren Angelegenheiten raus!"

Ich dachte, ich hörte nicht richtig. Hatten die ihm gerade gedroht? Ich sperrte mich lieber wieder ein, bevor sie mich bemerkten. Ich weiß, ich war feige, aber was sollte ich denn machen? Ich hatte Angst vor ihnen. Da konnte ich ja nicht einfach raus gehen und einen auf „Held" machen.

Als die Pausenklingel wieder ertönte, wartete ich 2 Minuten, bis ich zurück in das Klassenzimmer lief, da ich dann sicher war, dass die Gänge wieder etwas ruhiger waren.

Zurück im Zimmer setzte ich mich neben Felix. Er sah mich mitfühlend an. Ich wusste natürlich sofort wieso. Während dem Unterricht saß ich nur angelehnt da und überlegte, ob ich nach der Schule mit Felix reden und ihn auf vorhin ansprechen sollte. Ich entschied mich, es lieber zu lassen, bevor Florian noch etwas mitbekommt.

Dizzi-Der stumme JungeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt