Kapitel 10

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Mein schriller Wecker ertönte und riss mich aus meinem Schlaf. Schweren Herzens verließ ich mein geliebtes Bett und machte mich mit frischen Klamotten auf den Weg ins Badezimmer. Eine schöne Runde Duschen wartete auf mich. Ich zog mich komplett aus und betrachtete kurz meinen Körper im Spiegel. Blaue Flecken. Aufgeplatzte Lippe. Zerzauste Haare.

Ich hatte zwar keinen Verband mehr um den Kopf, aber die Verletzung sah man immer noch und ich sah ganz schön mager aus. Man konnte schon meine Rippen mit bloßen Augen zählen. Na ja, den Anblick kannte ich ja schon. Zum Glück nur ich.

Ich stellte mich in die Dusche und drehte das warme Wasser auf. Ich genoss die einzelnen Tropfen, die auf meinen Körper prasselten. Das war ein sehr beruhigendes Gefühl. Es entspannte mich wenigstens noch, bevor der Stress wieder anfing.

Sollte ich später in die Klasse gehen und so tun, als ob nichts gewesen wäre? Und Felix ignorieren? Was war eigentlich mit dieser Kati? Waren sie jetzt zusammen oder nicht?

Ich stellte das Wasser aus und stieg aus der Dusche. Sofort nahm ich mir ein Handtuch und trocknete meinen Körper. Ich band mir anschließend das Tuch um die Hüfte und nahm mir meinen Föhn, welcher griffbereit in einer dafür vorgesehenen Halterung an der Wand hing.

Mit gestylten Haaren, putzte ich mir noch schnell meine Zähne, zog mich an und verließ das Bad. Ich schnappte mir meine Tasche und ging in die Küche. Dort stand nicht, wie sonst immer, meine Mutter, sondern ein Teller mit zwei Brötchen und ein Zettel auf dem Tisch. Ich nahm die zwei Brötchen und packte sie in meinen Rucksack. Anschließend las ich mir den Zettel durch.

„Guten Morgen mein Schatz.

Ich musste heute mal früher zur Arbeit, als sonst. Ich habe dir dennoch was zu essen für die Schule gemacht. Ich wünsche dir noch viel Spaß dort.

-Mama"

Dann wäre das schon mal geklärt. Langsam machte ich mich auf den Weg zur Schule. Nervosität überkam mich.

Ich sah von weitem schon zwei Personen vor dem Schulgebäude eng umschlungen. Mit eng umschlungen meinte ich knutschend. Wer konnte erraten, wer es war? Natürlich. Felix und Kati. War ja klar, dass sie zusammen waren. Warum schmerzte es, wenn ich die beiden so sah? Ich verstand es noch immer nicht.

Gerade als ich an ihnen vorbei laufen wollte, ertönte seine niedliche Stimme.

Felix: „Hey, Alex! Wohin denn so schnell?"

Ich blieb kurz stehen, drehte meinen Kopf, der mittlerweile zum Boden gerichtet war, kurz in seine Richtung, sah ihn mit einem etwas traurigen Blick an, wendete meinen Blick wieder zum Boden und lief weiter ins Schulhaus. Ich sagte natürlich nichts. Kati stand ja daneben und musterte mich kurz mit einem mitleidigendem Blick. Warum auch immer. Vielleicht, weil ich noch nicht so ganz gesund aussah.

Die Tür des Klassenzimmers war schon offen. Einige saßen an ihren Plätzen und unterhielten sich. Alle verstummten sofort, als ich durch die Tür trat. Sie sahen mich teils geschockt und teils besorgt an. Ich hingegen sah sie, wie immer, monoton und emotionslos an. Kurz nach dem es zum Unterricht klingelte, liefen entspannt und händchenhaltend die zwei Turteltauben der Klasse ins Zimmer. Nach einem letzten Kuss setzte sich Felix neben mich und musterte mich verwirrt. Ich starrte nur aus dem Fenster.

Er stellte mich wegen vorhin zum Glück nicht zur Rede. Was ich persönlich auch besser fand. Es war mir schon ein wenig unangenehm.

Nun kam auch der Lehrer rein und bemerkte mich auch kurze Zeit später. Er erklärte mir, was während der Zeit im Krankenhaus alles passierte und was wir in der nächsten Zeit noch vor hatten, während alle anderen irgendwelche Aufgaben im Buch machen mussten.

Alles, was er mir erklärte, wusste ich schon von Felix. Also nickte ich nur, damit er endlich wieder wegging. Ich merkte, wie hin und wieder irgendeiner aus der Klasse zu mir guckte. War ich jetzt so interessant oder warum glotzten die so?

Auch Felix sah manchmal zu mir. Manchmal aber auch zu Kati, die grinsend zurück guckte. Ich nahm kurzerhand einen Zettel und schrieb wieder drauf.

Ich:"Warum guckst du mich andauernd an? Ist irgendwas an mir komisch? Ich bin nicht dämlich, ich merke das."

Felix las die Nachricht und wurde leicht rot. Er schrieb auch etwas drauf und schob mir den Zettel zu.

Felix: „Na ja.. Du siehst heute echt nicht gut aus. Irgendwie schlechter als am Samstag. Ich meine, du siehst so dünn und gebrechlich aus. Hast du gestern überhaupt etwas gegessen?"

Ich erstarrte kurz. Shit. Stimmt ja. Ich hatte in der ganzen Zeit, in der wir gezockt haben, nichts gegessen. Das hatte ich ja total vergessen. War das vielleicht auch der Grund, warum mich alle so entgeistert anstarrten? Diese ganzen Blicke machten mich so nervös. Könnten die bitte mal damit aufhören? Haben sie noch nie einen verletzten und mageren Jungen gesehen?

Es war sehr ungewohnt die leeren Plätze von Fabian und dessen Freunde zu sehen, aber noch ungewohnter war es, so viele besorgte Blicke zu bekommen. Seit wann waren sie so drauf? Sonst war es ihnen auch scheiß egal, wie es mir ging. Jetzt brauchte ich das auch nicht mehr. Ich kam ganz gut ohne sie zurecht.

In diesem Moment klingelte es zur ersten Pause. Ich schreckte auf. Das hatte ich gerade echt nicht erwartet. Eigentlich brauchte ich mich jetzt ja nicht mehr auf dem Schulklo verstecken. Sie waren ja, soweit ich weiß, nicht mehr auf dieser Schule. Also gab es zur Zeit auch keine Gefahr mehr. Ich könnte auch im Zimmer bleiben. Ja, ich dachte, so mache ich das.

Plötzlich stand Felix vor mir. Alleine. Ohne Kati oder sonst wem. Es war sonst niemand, außer uns, im Zimmer. Ich schaute zu ihm hoch in seine Augen. Ich konnte Unsicherheit erkennen.

Felix: „Können wir kurz reden?"

Was wollte er denn jetzt? Langsam und nervös nickte ich. Er bückte sich vor dem Tisch, sodass wir in Augenhöhe waren. Er wollte zum Reden ansetzen, doch er wurde von einer aufgerissenen Tür unterbrochen. Als ich sah, wer da stand, bekam ich es sofort mit der Angst zu tun und fing an zu zittern und zu schwitzen.

Dizzi-Der stumme JungeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt