Dizzi-Der stumme Junge

Kapitel 9

Ich widmete mich meinem PC und öffnete meine Aufnahme-Programme und Minecraft. Ich jointe auf irgendeinen Server und suchte eine Bedwars-Lobby, in der ich spielen konnte. Ich startete die Aufnahme und fing direkt an zu reden.

Ich: „Joo, meine Leute. Was geht. Der idoppelzi ist endlich wieder am Start, mit einer Runde Bedwars. In diesem Video wollte ich eigentlich nur erzählen, was die letzten Wochen los war und warum keine Videos mehr kamen...."

Ich redete wie ein Wasserfall und schilderte die ganze Geschichte. Vom Unfall bis hin zum künstlichen Koma. Ich erzählte ebenfalls, wie es für mich war und was ich alles mitbekommen oder geträumt habe. Mittlerweile glaube ich, dass das mit diesem komischen Tunnel und den zwei Türen ein Traum war. Einer, den ich nie vergaß. Dieser war einfach so surreal und doch logisch, dass er mir schon die ganze Zeit im Gedächtnis blieb.

Nach der Aufnahme lud ich es sofort hoch, ohne irgendwas zu schneiden. Als YouTube das noch fertig verarbeitet hatte, legte ich mich in mein Bett. Endlich Ruhe. War echt stressig heute. Dieses Gefühlschaos hatte mich echt richtig fertig gemacht. Ich hoffe, das merkte man nicht im Video.

Ich nahm mein Handy in die Hand und ging auf meine Twitter-Mitteilungen.

„@ DnerTv folgt dir jetzt"

FUCK. Oh, nein. Shit, er sollte meinen Kanal nicht finden. Was ist, wenn er das in der Klasse ausplauderte? Obwohl, er machte ja eigentlich selber Videos.. Aber.. oh, maan.

Ich ging auf YouTube und las mir die Kommentare durch. Weiter unten sah ich ein Kommentar von ihm. Oh, Gott..

„Hey, ich hoffe, du weißt noch, wer ich bin. Ich habe dich durch Zufall gefunden und finde, du machst echt gute Videos. Wenn du Bock hast, können wir gerne zusammen mal was aufnehmen."

Was sollte ich machen? Ich wusste es nicht. Ich hatte ehrlich gesagt Angst. Ja, ich weiß, das war echt dämlich. Was sollte denn schon passieren? Alles konnte passieren. Ich hatte einfach Angst, irgendwas Falsches zu sagen und damit alles kaputt zu machen. Ich glaube, ich ignorierte erstmal den Kommentar und ging schlafen. Das war jetzt definitiv ein Schlag zu viel.

Ich wachte am nächsten Morgen sehr früh auf, da vor meinem Fenster irgendwelche Bauarbeiten waren. Ich hasste es. Ich nahm mein Handy und guckte auf die Uhr. Sonntag 7:43. Seufzend lehnte ich mich zurück ins Bett.

Was konnte ich heute bitte noch alles tun? Vor allem so früh am Morgen. An einem Sonntag. Ich könnte Videos aufnehmen und schneiden, dann hatten meine Zuschauer heute wenigstens etwas zu schauen.

Also richtete ich mich schweren Herzens auf und begab mich Richtung PC. Was nahm ich jetzt auf? Cs GO hatte ich lange nicht mehr gezockt und aufgenommen. Ich startete das Game und die Aufnahme. 3. 2. 1.

Ich: „YYYYOOO Leute, was geht ab? Mein Name ist idoppelzi und Willkommen zu einer neuen Folge Cs GO..."

Ich war mitten in der Aufnahme und am Reden, als plötzlich.. „User joined your Channel" Fuck, wer war das? Ich war doch im Aufnahme-Raum.

?: „HALLLLOOO, MEINE LIEBEN JOOONGES."

Nein. Warum machte er mir das Leben so schwer?

Ich: „D-Dner... H-Halloo.. W-Was m-machst d-du denn h-hier?"

Felix: „Ich habe dich hier auf dem TS gefunden und dachte mir, überrasche ich dich halt mal."

Ich: „Oh.. D-Das.. Ehm.."

Shit, warum stotterte ich so? Gott, war das peinlich. Er machte das bestimmt mit Absicht.

Felix: „Was nimmst du denn grade auf?"

Komm schon, Alex. Reiß dich zusammen!

Ich: „E-Eine Runde Cs GO. W-Willst du mit machen? Ich lade d-dich ein."

Felix: „Klar, gerne."

Wir starteten eine neue Runde und landeten als erstes zusammen im Terroristen-Team. Ich war zwar relativ ruhig, aber redete dennoch viel mit Felix. Wir lachten und rissen das Match. Aus einer Runde wurden zwei. Und aus zwei, wurden drei und immer weiter. Ich beendete nach der ersten Runde schon die Aufnahme, bevor die Folge zu lang wurde.

Wir erzählten uns viel und wollten gar nicht mehr aufhören zu zocken. Es war echt schön endlich mal wieder mit jemandem aus meinem Alter zu reden. Das tat richtig gut. Auch wenn ich manchmal stotterte, hatte ich wirklich meinen Spaß. Nichtsdestotrotz schwebten in meinem Hinterkopf diese Bedenken rum, die ich herzlich gekonnt ignorierte.

Es verging der ganze Tag. Von jetzt auf plötzlich war es Abend. Ich hatte noch nicht mal wirklich was gegessen. Morgen war ja wieder Schule. Ich freute mich ehrlich gesagt nicht drauf. Ich sollte trotzdem leider schlafen gehen, da es schon ca. 10 Uhr abends war.

Ich: „Ich.. ehh.. gehe jetzt schlafen. War echt t-toll mit dir. Wir sehen uns Morgen. Tschau."

Felix: „Okay, tschüss bis dann."

Ich disconnectete aus TS, fuhr meinen Computer runter und schmiss mich in mein Bett. Was machte ich morgen, wenn wir in der Schule saßen und er mich ansprach? Sollte ich wieder einen auf stummen Jungen machen, falls irgendjemand unser Gespräch belauschte? Och, maaaan, warum musste mein Leben so kompliziert sein? Beziehungsweise warum machte ich mir mein Leben so schwer? Es könnte doch viel einfacher sein, wenn ich einfach nur redete und einen Fick auf andere gab. Mir konnte es doch egal sein, was andere dachten. Vor allem weil Fabian's Gang aufgeteilt war und niemand aus dieser Gruppe mehr in meiner Klasse war.

Aber das war leichter gesagt, als getan. Diese Angst verschwand damit ja trotzdem nicht so schnell. Sie war nach wie vor da. Ich weiß, ich sollte mich der Angst stellen, aber ich war damit noch nicht bereit. Ich wusste auch nicht, ob ich dafür jemals bereit sein würde. Ihr dachtet euch jetzt bestimmt: „Hä? Das ist doch nicht so schlimm." Für mich war das einfach schlimm. Ich hatte mehr als ein Jahr nicht mehr mit Mitschülern geredet. Aus Angst. Und ich tat es immer noch nicht. Aus Angst.

Angst. Angst. Angst. Immer diese Angst. Warum hatte man Angst? Ich wollte das nicht mehr haben. Ohne diese Angst wäre mein Leben viel leichter. Das erschwerte einen immer alles. War doch unnötig. In manchen Situationen vielleicht nicht, aber in den meisten schon. So eine Einstellung für Angst wäre perfekt.

Ich schweifte einfach echt immer wieder vom Thema ab. Das war richtig unglaublich. Ich denke, das war mein bestes Talent.