Der Unterricht war wie immer, ihr kanntet das ja. Ich hatte nichts zu tun, da der Lehrer nur langweiliges Zeug geredet hatte, ich hatte hunger und ich war fast am Einschlafen, da ich richtig müde war. Die Zeit zog sich so eklig lang, dass ich dachte, ich würde da nicht mehr raus kommen.
Gott sei Dank klingelte es letztendlich doch und ich konnte nach Hause laufen. Das erste was ich tun würde, ist mich in mein Bett zu schmeißen und zu schlafen. Leider wurde ich kurz vorm Ausgang der Schule aufgehalten. Kanntet ihr das? Ihr hattet für den Tag eigentlich schon etwas geplant, doch dann kam jemand und zerstörte diese Pläne? Ich hasste das.
Ich drehte mich um, da ich von hinten an meiner Schulter gepackt wurde. Zu meiner Verwunderung stand Kati da. Ich guckte sie verwirrt an und fragte mich, was sie denn von mir wollte. Sie kam mir immer näher, stoppte jedoch an meinem Ohr. Sie flüsterte mir was zu, was mich noch mehr verwirrte.
Kati: „Hör zu. Dein Glück, dass Felix mit dir in eine Gastfamilie darf, aber ich lasse mir von dir meine Beziehung nicht zerstören. Ich sehe deine Blicke und ich weiß, dass du auf ihn stehst. Verleugnen brauchst du das auch nicht. Augen lügen nie. Fass ihn einmal an und du bist tot."
Somit verschwand sie schneller, als sie kam. Was war das gerade? Und was meinte sie mit „Ich weiß, dass du auf ihn stehst"? Tat ich das denn wirklich? Ich wusste es einfach nicht. Ich ging mit langsamen Schritten nach Hause. Diese Gedanken gingen einfach nicht weg. Ich wusste ja noch nicht mal, wie sich Liebe anfühlte. Außer bei meiner Mutter, aber sowas war ja eigentlich selbstverständlich. Wie kam sie darauf, dass ich auf ihn stehen würde? Vielleicht hatte sie meine Blicke auch falsch gedeutet. Aber warum stach es manchmal in meiner Brust, wenn ich die beiden zusammen sah? Vielleicht hatte sie ja doch recht? Oder ich ließ mir nur etwas einreden. Das musste es bestimmt sein.
Ich bemerkte gar nicht, dass ich schon längst in meinem Zimmer stand. Ich überlegte. Aufnehmen oder schlafen? Oder vielleicht was Essen? Aber ich hatte keinen Hunger. Wie lange habe ich eigentlich nichts mehr gegessen? Ein Brot musste doch noch rein gehen, sonst machte ich meiner Mutter noch mehr sorgen und das wollte ich ja nicht.
Also machte ich mich kurzerhand auf den Weg in die Küche. Meine Mutter saß mit gesenktem Kopf und zugedrehtem Rücken vor mir am Küchentisch. Ich lief langsam auf sie zu und legte meine Hand auf ihren Rücken. Sie erschrak, da sie mich anscheinend nicht gehört hatte. Als ich sie sah, stockte mir der Atem. Ihre Augen waren rot und angeschwollen. Sie hatte geweint. Warum weinte sie? Was war passiert?
Ohne ein Wort zu sagen, nahm ich sie einfach in den Arm. Es tat mir selbst weh, sie so zu sehen. Sie war meine Mutter und sie sollte glücklich sein und nicht traurig. Sie löste sich von mir und hob mir einen Zettel hin.
R.i.P Walter Hazy
Gestorben am 23.10.2015
Die Trauerfeier findet am Samstag, dem 31.10 2015 statt.
Was? Nein, nein, nein, nein, nein. Warum? Was war passiert? Wisst ihr, warum ihr noch nichts von meinem Vater gehört habt? Meine Eltern waren getrennt und ich wohnte bei meiner Mutter. Sie waren im guten getrennt, also nicht wegen Streit oder sonst was, sie haben einfach gemerkt, dass sie mehr Freunde, als Verliebte waren, also hatten wir dennoch dementsprechend viel Kontakt zu einander.
Es traf mich einfach zu sehr. Einzelne Tränen flossen aus meinen Augen. Erst eine, dann zwei und immer weiter. Sie liefen an meiner Nase entlang, an meinen Mundwinkeln vorbei, runter zu meinem Kinn. Dort tropften sie einzeln auf den kalten gefliesten Boden.
Meine Mutter stand vom Stuhl auf und nahm mich nochmal richtig in den Arm. Das brauchte ich gerade echt. Leider war sie nicht Felix.
Man, was passierte bitte alles in letzter Zeit? Erst kam Felix in die Klasse, dann kam ich ins Krankenhaus und lag im Koma, dann redete ich gezwungenermaßen mit Felix, dann drohte mir Kati oder was auch immer das war und jetzt war mein Vater gestorben. Mein Leben war eine reine Achterbahnfahrt. Mal ging es auf und dann wieder ab.
Meine Mutter löste sich von mir. Ich drehte mich einfach nur um und wollte in mein Zimmer. Mein Bett war in diesem Moment mein bester Freund. So wie jedes mal, wenn es mir nicht gut ging. Mein Bett war immer dann für mich da, wenn es sonst niemand war. Es hatte mich mehr aufgefangen, als sonst jemand.
In meinem Zimmer angekommen, schmiss ich mich sofort drauf. Ich vergrub mein Kopf in das Kissen. Auf einmal kam alles wieder hoch. Alle Gefühle, die ich verdrängte, alle Schmerzen, die ich erleiden musste. Ich schluchzte in mich rein. Haufenweise Tränen flossen aus mir heraus. Mein ganzes Kissen wurde nach nicht mal 30 Sekunden komplett nass. Wie lange hatte ich nicht mehr geweint? Wie lange habe ich meine Tränen unterdrückt, um vor meiner Mutter stark zu wirken und ihr keine Sorgen zu bereiten? Zu lange bestimmt.
Es klopfte und die Tür wurde geöffnet. Ich brauchte nicht nachsehen, wer es war, da es niemand anderes als meine Mutter sein konnte. Meine Matratze senkte sich und eine Hand legte sich auf meinem Rücken ab. Sie strich eine Weile hoch und runter bevor sie anfing zu reden.
Mama: „Ich weiß, dass es gerade schwer für dich ist und du Zeit zum Verarbeiten brauchst. Ich melde uns beide morgen krank. Du kannst dich in der Schule bestimmt nicht konzentrieren."
Ich guckte hoch zu ihr. Sie sah so zerbrochen aus. Ich überlegte. Ich wollte Felix wieder sehen. Aus irgendeinem Grund vermisste ich ihn gerade sehr. Wenn ich morgen nicht in die Schule gehen würde, dann sah ich ihn den ganzen Tag nicht. Und dann war schon wieder Wochenende. Aber wenn ich zu Hause bliebe, dann hatte ich Zeit zum Nachdenken. Über alles. Die ganze Situation und meine komischen Gefühle. Ich umarmte sie einfach noch einmal kurz als Dank, dass sie dafür Verständnis zeigte. Na ja, ihr ging es ja genau so scheiße wie mir, also von daher.
Wir lösten uns, und ich nickte ihr zu, dass sie es so machen sollte. Sie verschwand aus dem Zimmer und ich versuchte zu schlafen. Zwar war es erst knapp 17 Uhr, aber ich hatte keine Lust auf irgendwas anderes. Wegen dieser Nachricht habe ich meine eigentliche Absicht, in die Küche zu gehen, vergessen. Noch ein Tag ohne Essen. Aber gut. Ich hatte ja sowieso keinen Hunger.
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Dizzi-Der stumme Junge
FanfictionAlex ist ein Junge der besonderen Fälle. Er redet in der Schule nicht, zeigt dort keine Emotionen und lässt niemanden an sich ran. Er wird von jeden ausgegrenzt und gemobbt. In seinem Kopf herrschen jedoch viele Gedanken und Gefühle. Als Felix neu i...