1 Watch out, darling!

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Der Wind strich unbarmherzig durch meine Wuschelmähne und hielt es für nötig, meine sowieso schon katastrophalen Locken zu zerzausen und zu zerstören. Es regnete nicht wirklich, aber ich spürte alle paar Schritte einen Tropfen, bis schließlich wirklich ein leichter Nieselregen ausbrach. "So ein Mist aber auch", fluchte ich langsam vor mich hin, während ich zu laufen begann.

Ich war sowieso schon mindestens 10 Minuten zu spät! Das konnte ich mir bei Mr. Ward nicht erlauben. John Ward war mein verhasster Mathelehrer. Er prüfte mich jede Woche drei Mal und hielt es zudem für nötig, die ganze Klasse zu unterhalten, in dem er mich demütigte. So ein Schwachkopf! Für sowas wird man doch nicht Lehrer, oder doch?

Ich beschleunigte meinen Schritt nochmal, da ich bemerkte, dass ich wieder nachließ und in ein normales Schritttempo zurückfiel. Ich dachte kurz nach, was mich erwarten würde und wurde dann noch schneller. Ich wollte nicht geprüft werden, aber zu spät kommen machte die Situation auch nicht besser. Klar, ich könnte die Stunde einfach sausen lassen, aber ich fühlte mich nicht gut bei dem Gedanken daran, Ashley alleine zu lassen. Meine beste Freundin war etwas kleiner und hatte lange, blonde Haare, die ihr glatt bis unter die Brust fielen. Sie war nie besonders aufgetakelt, meiner Meinung nach aber wunderschön.

Ein weiterer Regentropfen riss mich aus den Gedanken. Lauf, Evelyn! Ich zwang mich dazu meine Füße ordentlich vom Boden zu heben und ohne große Umschweife rannte ich dann los. Das kalte Wasser von oberhalb klatschte mir ins Gesicht. Mittlerweile regnete es in Strömen. Ich sah fast nichts mehr, aber das war mir egal. Meine nassen Haare klebten an meinem Gesicht und meinem Hals. Ich lief noch schneller und übersah dabei, dass von rechts ein Auto auf mich zu kam. Gerade als ich die Straße fast überquert hatte, spürte ich einen dumpfen Stoß gegen meine Hüfte. Das Auto!

Ich taumelte und fiel sofort zu Boden. Mit geschlossenen Augen lag ich da und dachte, ich müsse nun sterben. Es dauerte eine Weile, ich glaube ich war sogar kurz bewusstlos, aber irgendwann wurde mir dann doch klar, dass das Auto mich nur knapp gestreift hatte. Es musste wohl nicht so schnell unterwegs gewesen sein. Vorsichtig öffnete ich meine Augen und schon fielen sie wieder zu, als mir zwei Regentropfen die Sicht versperrten.

Ich kauerte mich enger zusammen, zog meine Beine an und umschloss sie vorsichtig mit den Knien, als ich eine Autotür zuschlagen hörte. Durch den lauten Regen, der vor mir wie ein Wasserfall auf den Boden toste, hörte ich eine aufgewirbelte Männerstimme, die zu mir durchdringen wollte, es aber nicht schaffte.

Liams POV:

"Hörst du mich?! Geht es dir gut?" Sie hatte mir bisher keine Antwort gegeben! Hörte mich das Mädchen überhaupt? Oh Gott, hatte ich sie .... - "Mmmmm." Das kam gerade eindeutig von dem kleinen etwas, das vor mir wie ein Babyembryo hockte und seine ganze Verletzlichkeit zur Schau stellte. "Geht's dir gut?", hauchte ich kurz und versuchte einen Blick auf das Gesicht des Mädchens zu erhaschen.

Ihre Augen waren geschlossen und sie wimmerte leicht, als sie versuchte, sich zitternd aufzusetzen. "Warte! Ich helf dir." Ich griff ihr sanft unter die Arme und unterstützte sie somit bei ihrem miserablen Versuch sich aufzusetzen. Sie öffnete ihre Augen noch einen Spalt breit und blickte erschrocken in mein Gesicht.

"Bin ich tot?"

Evelyns POV:

Ich blickte in das gepiercte Gesicht des Jungen und fragte mich gerade, ob Gott Leute mit Piercings gern bei sich hatte? Gab es eigentlich Metalldetektoren im Himmel? Das besorgte Gesicht und der raue Klang seiner Stimme holten mich gewaltsam zurück in die Realität. Eine schreckliche Welt voll von Gefahren und Idioten.

"Nein, dir .. Du bist nicht tot." Er schluckte leicht und starrte mich aus seinen großen Augen  heraus an. "Ich hab dich angefahren. Es tut mir leid", murmelte er beschämt und ich musste leicht glucksen. Was war nur los mit mir? "Kein Problem, ich .. soll vorkommen." Ich verspürte das dringende Bedürfnis aufzuspringen und Vollgas wegzulaufen, denn auch wenn er nett wirkte, er hätte mich fast überfahren! Als mich der Gedanke erreichte, hatte ich es noch eiliger und kam ins Schwanken. Kurz bevor ich fallen konnte, hatten mich zwei starke Arme schon daran gehindert und schlossen sich jetzt um meinen Bauch. "Keine Sorge, ich hab dich", murmelte die raue Stimme in mein mit Regentropfen überströmtes Ohr.

What about you, Liam?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt