46 on the road

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So, ich hoffe wir haben das letzte Kapitel alle gut überlebt.

Dieses Kapitel möchte ich einfach euch allen widmen. :) 

Es ist etwas kürzer, aber es geht gleich weiter.

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"She is stillness.

In a world of chaos."

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Liams POV; 

Die Straßen vor uns wurden immer fremder und dunkler, je länger wir auf ihnen entlang fuhren. Zu diesen Stunden waren die Straßen wie leer gefegt, die meisten Leute schliefen bereits und andere plagten sich mit den Fragen herum, die einen nur nachts in den Sinn kamen oder waren noch immer auf Parties, die sie bereits vor einer Stunde hätten verlassen sollen, weil hier nichts mehr zu holen waren. Meine Mutter erzählte mir gerne alte Geschichten und Legenden. Unter anderem lehrte sie mich, dass man diese Uhrzeit auch gerne die Stunde des Wolfs nannte. Eine Zeit, in der einsame Seelen gerne wach lagen. Eine Zeit zwischen Nacht und Tag, in der alles möglich und nichts wirklich war. Als hätte man die Zeit angehalten.

Und genauso fühlte sich diese Fahrt an. Wir hatten bereits hunderte von Kilometern zurückgelegt und dennoch schienen wir unserem Ziel noch so fern zu sein. Evelyns Eltern würden in ein paar Stunden bereits aufwachen, daher wollten wir uns keine Pause erlauben. Mein Blick schweifte kurz von der Straße ab und ich beobachtete sie müde. Sie schlief, ihren Kopf gegen die kühle Fensterscheibe gelehnt. Sie hatte sich vorhin eine meiner Jacken über den Schoß gelegt um sich zuzudecken und hatte sich schließlich darunter vergraben. Ihre Füße waren noch immer angewinkelt, jedoch lehnten sie in Richtung Autotür. Vereinzelt bedeckten dünne Haarsträhnen ihr Gesicht. Sie wirkte so klein.

Ich fixierte die Straße wieder und versuchte mich besonders auf die Wälder am Rande der Straße zu konzentrieren. Nicht, dass plötzlich Wild aus ihnen hervor sprang. Wobei besagtes Wild wahrscheinlich zur Stunde des Wolfs auch schon schlief. Aber was wusste ich schon? Ich war kein Wildexperte und schon gar kein Förster. Müde rieb ich mir über eines meiner Augen, während ich die Schilder am Straßenrand musterte. Abzweigungen zu diversen Orten, von denen ich noch nie etwas gehört hatte, sprangen mir ins Auge. Und schließlich erblickte ich auch das Schild, nachdem ich seit fünf Minuten Ausschau hielt. Raststation.

Mit gesetztem Blinker verließ ich die Hauptstraße und bog zu der Raststation ab, die neben der Straße lag. Es handelte sich hier um eine alte und heruntergekommene Raststätte. Sie war ziemlich abgelegen, man konnte von der Straße nicht direkt darauf blicken und auch der Grund selbst war von nichts als Wald umgeben. Als der Wagen zu stehen kam, wachte auch Evelyn auf. Irritiert blickte sie sich um und ich schüttelte nur kurz beruhigend meinen Kopf. "Es ist alles gut. Ich will nur kurz den Wagen volltanken und mir einen Kaffee holen. Möchtest du auch etwas?" Sie nickte leicht und band sich müde ihre Haare zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammen. "Ja, bitte auch einen Kaffee. Danke, Liam." Sie drückte mir einen kurzen Kuss auf die Wange und kuschelte sich wieder in meine Jacke ein, während sie das Radio wieder ein wenig lauter drehte. Ich hatte es vorhin leise geschalten, als Evelyn eingeschlafen war.

Ihr Blick wanderte aus dem Fenster und sie untersuchte die Umgebung. Nachdem ich mir eine warme Jacke übergezogen hatte, verließ ich den Wagen und tankte ihn voll. Evelyn betrachtete mich noch immer ein wenig müde durch die Fensterscheibe und lächelte mich einmal schwach an, ehe sie damit fortfuhr, die Raststation zu beobachten. Die Tankstelle war kaum beleuchtet und ich starrte stumm in die Dunkelheit, die uns umgab. Nachdem ich getankt hatte, wanderte ich über den verlassenen Parkplatz und betrat den kleinen Laden. Ich bestellte unsere Getränke und bezahlten die Tankrechnung, ehe ich mich zum Gehen wandte. Mein Blick fiel auf den Mann, der gerade das Geschäft betrat. Er kam mir so bekannt vor. Er grinste leicht, als er meinen Blick bemerkte und nickte mir zur Begrüßung kurz zu, ehe er zum Schalter ging, um sich eine Packung Zigaretten zu kaufen.

Mit einem mulmigen Gefühl in meinem Magen verließ ich die Tankstelle und blickte noch ein letztes Mal auf den mir bekannten Mann zurück. Unsere Blicke trafen sich und da war ich mir sicher - er kannte mich. Und ich musste ihn kennen. Meine Schritte beschleunigten sich, als mir die Erkenntnis kam. Doch es war zu spät. Evelyn saß nicht mehr im Wagen. Sie war weg. Ich drehte mich um und starrte direkt in das Gesicht des Mannes, den ich vorhin begegnet war. "Na, hast du mich vermisst, Anderson?" Seine schmierige Stimme hallte durch die kalte Nachtluft und ich wich nur knapp der Schneebürste aus, die er sich wohl ihm Laden gekauft hatte und die er mir gerade überziehen wollte. "Wo ist sie?", fragte ich atemlos, doch er lachte nur. Wut kam in mir hoch und holte zu einem Schlag aus. Das Knacken in seinem Kiefer zog an mir vorbei und ich drückte ihn gewaltsam gegen eine der Tanksäulen. "Ich hab dich was gefragt", presste ich wütend hervor. Ich hatte genug von diesen Spielchen. 

Er öffnete schmerzverzerrt seinen Mund. Doch er gab mir keine Antwort. Stattdessen spuckte er mich einmal an, woraufhin ich nur noch wütender wurde. Gerade, als ich erneut zuschlagen wollte, hörte ich einen leisen Aufschrei aus den Wäldern und ließ den bekannten Unbekannten vor mir los. Er fiel zu Boden und ächzte einmal laut. "Komm mir noch ein einziges Mal unter die Augen, ich warne dich." Mit diesen Worte lief ich davon und folgte dem Schrei aus dem Wald. Die aufgebrachte Stimme der Kassiererin ignorierte ich, die gerade völlig geschockt aus dem Laden stürmte und mir hinterher schrie. 

Ich musste zu Evelyn. Ich musste ihr helfen!

"Liam!" Ihr Stimme war angsterfüllt. Meine Beine trugen mich durch die kalten Nacht, die eisige Luft brannte auf meiner Haut. Meine Lungen fühlten sich an, als würden sie jeden Augenblick zerbersten in dieser Kälte. Doch ich konnte nicht aufgeben. Ich sah nur ihr Gesicht vor mir. Die Angst, in ihren Augen. Und Logan, der vermutlich gerade dreckig grinste.

Und von diesem Moment an sah ich nur noch rot. 

Ich lief und lief und lief. Bis ich schließlich mein Ziel erreichen sollte.

Ein Ziel, das mein und Evelyns Leben für immer und unwiderruflich verändern sollte.


What about you, Liam?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt