"Wäre es dir lieber gewesen, wenn ich dich besucht hätte und wir uns eine schöne Zeit gemacht hätten?"
Bäm. Da dachte man doch ernsthaft einen Moment, es könnte nicht mehr peinlicher kommen, und dann das. Und das auch noch von einem Typen, den man auf der Liste seiner sozialen Kontakte wohl eher ganz unten ansetzen würde, wenn man ihn nicht sogar davon streicht. Ich wusste, dass ich die Gabe hatte, ziemlich schnell meine zweite Identität als Tomate mit hochrotem Kopf anzutreten, aber das war nun wirklich ein neuer Rekord.
Ich setzte mich noch verkrampfter hin, als ich eh schon da saß und starrte wütend auf meine Schuhe, ich konnte Liam nun beim besten Willen nicht anschauen. Das blöde Grinsen und das Strahlen seiner Augen. Das konnte ich mir auch so vorstellen, ohne noch roter werden zu müssen.
"Ich .. Das hast du doch jetzt nicht wirklich gesagt, oder?" Nach einer Weile richtete ich meinen Blick direkt auf Liam und biss mir auf die Unterlippe. Zugegeben, ich musste ein kleines Grinsen doch unterdrücken, aber diese Genugtuung würde ich dem braunen Wuschelkopf nie gönnen. Nie, nie, nie!
Anscheinend schien Liam mit einer anderen, besseren Antwort gerechnet zu haben, denn sein Gesicht wurde von ein paar Stirnfalten und einem leicht bösen Blick geplagt. "Du denkst wirklich, dass ich mir sowas hirnrissiges wünschen würde?" Langsam lehnte ich mich zurück und blickte Liam mit Nachdruck an, welcher bereits wieder sein Grinsen gefunden hatte und es stolz in die Welt hinaus trug.
"Naja, ich hab nicht damit gerechnet, dass du das sagen würdest, aber deine Reaktion hat, glaube ich, für sich gesprochen." Triumphierend wippte er einen Moment mit seinen Augenbrauen, was ihm ein nicht ernst gemeinstes "Ihh" von mir einbrachte. Liam akzeptierte das lachend und ich wusste, dass ich nun wieder etwas sagen musste, jedoch musste ich auch grinsen. Verdammt.
"Welche Reaktion denn bitte, hm?" Ich winkelte meine Beine an und legte meinen Kopf darauf, während ich zu Liam blickte und eine Braue kritisch anhob. "Lass das, dieses Kritische steht dir nicht, lässt dich älter wirken." Ich verdrehte einen Moment meine Augen und Liam verkniff sich, glücklicherweise, eine Bemerkung diesbezüglich, sprach dann aber doch.
"Naja, rote Wangen bekommt man nicht aus Langeweile. Und auch nicht von Personen, die einen nicht die Bohne interessieren." Ich seufzte leise und blickte Liam nun versucht desinteressiert an. Doch während ich seine Gesichtszüge musterte, fiel mir auf, wie hübsch er eigentlich war. Toll, Evelyn! Kannst du dir für sowas nicht einen besseren Moment aussuchen?! Und jetzt schau endlich weg!
Ich riss meinen Blick von den Teddybär-Augen, die zu Liam gehörten, und starrte stur auf den Fernseher, der nicht eingeschaltet war. Neben mir ertönte ein heiseres Lachen und Liam zog mich zu sich heran. Es dauerte keine Sekunde, da hatte ich meine Hände auf seine Brust gedrückt und versuchte mich loszumachen, doch Liam zog mich sofort wieder an sich.
Mir entwich einer meiner heißgeliebten Seufzer und ich blickte auf meine Hände, da mich diese Nähe wirklich beunruhigte. Ich lag schon lange nicht mehr in den Armen eines Jungens, vor allem lag ich noch nie in den Armen eines so schönen Jungens. Wenn sein Charakter doch nur auch so makellos schön wäre. Naja, wahrscheinlich erwartete ich doch nur zu viel. Trotzdem könnte ich auf jemand besseren treffen, oder etwa nicht?
"Woran denkst du?" Liams Atem haucht leise gegen meinen Ohr und meinen Nacken, was mir eine Gänsehaut bereitete. Seine Brust vibrierte, während er sprach. Das merkte ich nur , da ich mit dem Rücken an seinen Bauch gelehnt war. Und hier würde ich noch einmal gerne erwähnen, dass das alleine Liams Schuld war! Er hat mich immerhin so zu sich gezogen.
"Naja, ich gehe gedanklich gerade alle Karate-Griffe durch, die ich beherrsche. Ich hab mich nur noch nicht entschieden, welcher dir am meisten Schmerzen zufügen könnte." Liam lachte wieder und ich spannte mich in dem Moment ein wenig an, jedoch strich mir Liam im nächsten Moment wieder sanft über die Arme, was mich ein wenig ruhiger stellte. Eigentlich würde mich das beunruhigen, aber im Moment hatte ich nichts gegen ein bisschen Nähe einzuwenden. Keine Ahnung, wie Liam das geschafft hatte. Es lag wahrscheinlich daran, dass ich einfach nur müde war und gerne Sachen machte, von denen ich wusste, dass die Monster sie hassen würden.
Wie um es zu beweisen, musste ich auch schon gähnen, weshalb ich mir schnell eine Hand vorhielt, um Liam nicht ins Gesicht zu gähnen. Schließlich versuchte ich mich ein wenig zu entspannen und lehnte mich vorsichtig an Liam, welcher immer noch über meine Arme strich und vorsichtig nach meiner Hand tastete.
Als seine kalte Hand meine drückte, kam plötzlich wieder Sauerstoff in mein Gehirn und ich begann zu reagieren. Was war denn nur überhaupt los mit mir?! Ich entriss Liam meine Hand vorsichtig und sprang dann vom Sofa auf.
"Adam! Adam, komm jetzt! Wir gehen!", herrschte ich ihn schnell die Treppe hinauf an, in der Hoffnung Adam würde auf mich hören, was er zu meiner Verwunderung auch tat. Doch sein Blick, als er die Stufen heruntergepoltert kam, verhieß nichts gutes.
"Was ist passiert?!" Wie ein Gorilla stellte er sich vor mich und versperrte Liam somit die Sicht auf mich, was dieser mit einem leisen, unzufriedenen Brummen kommentierte. Ich drückte Adams Schulter leicht, damit er sich zu mir umdrehte. "Hat er dir was getan?" Ich schüttelte reflexartig meinen Kopf und blickte Adam verständnislos an.
"Gott, nein! Adam! Jetzt beruhig dich doch. Es ist alles in Ordnung, denke ich." Adam nickte kurz, doch er schien sich nicht beruhigen zu wollen. Sein Blick wanderte zu Liam, den er scharf musterte, während er die Lippen sauer zu einem schmalen Strich zusammenpresste. Ich verstand wirklich nicht, wieso er so übertrieben reagierte.
"Ich warne dich, Anderson. Lass ja die Finger von ihr. Oder du kannst deine Piercings als Ketten um deinen Hals tragen, vorausgesetzt du findest sie noch, wenn ich mit dir fertig bin." Angespannt und todernst musterten die beiden sich, sogar Liam schien den Ernst der Lage erkannt zu haben. Ich wusste ja bereits, dass sich die beiden irgendwoher kannten, aber dass sie sich nicht leiden konnte ... Das würde zumindest erklären, wieso Adam lieber eine Hausführung bekam, als sich zu Liam ins Wohnzimmer zu gesellen. Trotzdem hätte er mich nicht mit ihm alleine lassen müssen, wenn er sich solche Sorgen macht!
"Komm, Eve. Lass uns gehen." Liam war die ganze Zeit über stumm geblieben. Sogar jetzt noch blieb er ruhig und sagte nichts. Hielt mich nicht auf, warf Adam nichts an den Kopf. Er saß einfach nur da und sah wütend aus. "Ich .. Ich komm sofort nach."
Adam sah mich kritisch an und ich schluckte leicht. "Kommt gar nicht in Frage, ich lass dich nicht mehr mit dem alleine. Du hast vorher so hektisch nach mir gerufen, irgendwas muss er dir ja angetan haben!"
So ein Theater! Ja, er hat was getan. Er hatte meine Hand ergriffen, doch deshalb musste Adam nicht so auszucken. Naja, er wusste ja auch nicht, dass Liam 'nur' das gemacht hatte. Aber ich würde es ihm auch nicht sagen, nein danke!
"Adam, lass sie. Sie ist alt genug, Liam tut ihr schon nichts, ich bin ja auch noch hier." Chuck trat in den Türrahmen und richtete seinen Blick starr auf mich, während er sich mit meinem Bruder unterhielt. "Vertrau ihr."
Adam blickte zu mir und ich sah stumm zu ihm hinauf. Er seufzte kurz und gab sich geschlagen. "Ein falscher Handgriff und wir sehen uns schneller wieder, als du denkst." Liam blickte ihn stumm an und erhob sich. Er schlenderte langsam auf uns zu und blieb vor mir stehen.
"Geh ruhig, Kleines. Adam scheint es ernst zu meinen." Verwirrt runzelte ich meine Stirn. War ich hier etwa im falschen Film?! Adam zuckte aus, Chuck, ein Wildfremder, verteidigte mich und Liam, DER Liam, schickte mich verständnisvoll weg, nachdem er mich liebevoll in seinen Armen gehalten hatte. Und nannte mich Kleines? Was lief denn hier nur falsch?!
"Ich ...-" Er unterbrach mich mit einem leichten Nicken und drehte mich sanft herum, während Adam mit Chuck den Raum verließ, uns aber noch kritisch musterte. "Geh. Wir sehen uns bald wieder." Bevor ich wusste wie mir geschah, kam Adam zurück und zerrte mich rasch von Liam weg.
"Wir sehen uns", nuschelte Adam noch schnell, ehe er mit mir an den beiden Jungs vorbeirauschte und mich dann ernst anblickte, während wir wieder zurück zu unserem Haus gingen. "Halt dich bitte fern von ihm, Eve. Er ist nicht so wie wir. Er hat keinen guten Einfluss auf andere und vor allem nicht auf dich. Ich will nicht, dass er dich so verdirbt, wie er und seine Freunde es schon sind."
"Und Chuck? Zählt der denn nicht?", erwiderte ich schnippisch. Immerhin war er Liams bester Freund, aber auch Adams Kumpel. "Chuck ist nicht deine Angelegenheit. Ich spreche von Liam. Bitte hör einfach auf mich, mehr verlange ich nicht."
Ich schluckte leicht und nickte. Wenn ich da nur schon gewusst hätte, wie sehr Adam mit seiner Einschätzung ins Schwarze traf. Liam bedeutete Stress und Probleme, das würde ich noch lernen.
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What about you, Liam?
RomanceEines Tages begegnet Evelyn Liam Anderson, der sie fast überfährt. Von da an nimmt ihr Leben eine dramatische Wendung. Zwei Welten, die unentschuldigt aufeinander einprassen. Was Evelyn da noch nicht wissen kann: Liam ist keineswegs so nett, wie er...