So, wir sind wieder zurück, danke für's Einschalten.
Für alle, die es nicht mitbekommen haben, die lange Zwangspause musste sein, weil ich mich an den Handgelenken verletzt hatte (Überdehnung).
Aber mir geht's wieder gut und ich kann auch wieder schreiben, also verlieren wir keine Zeit :)
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One heart is not connected to another
through harmony alone.
They are, instead, linked deeply
through their wounds.
- Colorless Tsukuru Tazaki and His Years of Pilgrimage
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Liams POV;
Die letzten Tage waren viel zu ruhig. Logan hatte sich nicht gezeigt. Fragen hatten sich in meinem Kopf gestapelt wie Holzblöcke auf einem Jenga-Turm. Darauf wartend, dass das fragile Gerüst zusammenbrach und er sich endlich zeigen würde. Wieso greift er mich nicht an, jetzt wo ich eh schon verwundet bin? Warum hatte er nur auf meine Schulter geschossen? Was würde wohl passieren, wenn ich im wieder begegnen würde? Wann würde das sein? Und wie konnte ich Evelyn beschützen, wenn ich doch meine Aufträge erledigen muss?
Gedankenverloren starrte ich das Foto von ihr an, dass wir im Park gemacht hatten. Damals, als wir uns über die Eiskunstläufer lustig gemacht hatten. Ihre Nase war knallrot und ihre Ohren auch. In ihren Haaren glänzten kleine Schneeflocken. Sie hielt einen Kaffeebecher in ihrer Hand, dessen warmer Kaffeedampf wie Nebel in der Luft aufstieg. Sie wirkte entspannt, sorglos. Sie wirkte ein wenig wie das Mädchen von damals. Doch das war sie nicht mehr. Sie wirkte ernster, gefasster, besorgt. Und dieses Wissen brachte mich um den Verstand.
"Hey." Chucks Stimme weckte mich aus meiner Trance auf und ich blickte zu ihm hoch. Er kam gerade aus der Küche, ein Bier in seiner Hand. Meines stand bereits am Tisch. "Du musst aufhören, dich wahnsinnig zu machen, Liam. Es geht ihr gut", beteuerte er, während er sich mir gegenüber auf dem Sofa nieder ließ. Seufzend nahm ich einen Schluck von meinem Bier und stellte es dann wieder vor mir ab, ehe ich mein Handy wieder sperrte und auf dem Tisch ablegte.
"Sie hat Albträume, Chuck. Sie hat Albträume wegen Logan. Wäre ich nicht gewesen, würde sie Logan nicht einmal kennen." Chuck zuckte kurz mit seinen Schultern und fuhr sich mit seiner Hand nachdenklich durch die Haare. "Aber sie kennt ihn jetzt, ok? Und auch, wenn du dir Vorwürfe machst, sie wird ihn auch in zehn Jahren noch kennen. Das ist jetzt schon passiert. Also hör auf, dich deshalb fertig zu machen." Er hatte Recht. Das wusste ich.
"Ich weiß einfach nicht, wie ich sie beschützen soll. Ich bin nicht immer hier. Und du bist es auch nicht." Das war ein Teufelskreis. Früher oder später wurde ja doch wieder etwas passieren. Aber ich könnte es mir nie verzeihen, wenn Evelyn etwas passieren würde. "Ich weiß, Mann. Ich weiß." Chuck versank nun seinerseits in seinen Gedanken und musterte mich nach einigen Minuten müde. "Du willst aussteigen, oder?" Seine Stimme war ruhig, fast schon gleichgültig. Doch ich wusste, dass es in ihm anders aussah.
Ich räusperte mich leicht und lehnte mich im Sitz zurück. "Willst du das denn nicht? Hast du dich nie gefragt, wie es sein würde, ein normales Leben zu führen? Fernab von Nahtoderfahrungen und kriminellen Banden?" Chucks wehmütiger Blick bestätigte mir, dass er diesen Gedanken auch schon mehrmals gefasst hatte. Doch Chuck war trotz allem ein Realist. "Du weißt, dass das nicht geht, oder? Ich meine, klar - sagen wir du schaffst es raus. Logan wird dich trotzdem nicht in Ruhe lassen. Niemand wird das. Du weißt einfach zu viel. Und ich auch. Und das macht uns zur Zielscheibe." Wieso musste er eigentlich immer so vernünftig sein? Und wieso musste er recht haben?
"Hör mir mal gut zu, Liam. Du hast genau zwei Möglichkeiten. Entweder du findest dich damit ab, dass das dein Leben ist und akzeptierst die Tatsache, dass du niemals eine Beziehung haben wirst, die nicht in Gefahr schwebt oder du bleibst alleine." Chuck wandte seinen Blick für einen Moment ab, doch ich erkannte den Schmerz in seinen Augen. Und ich erinnerte mich wieder. Ich erinnerte mich an Amber. All die Jahre bestand Chuck darauf, kein Wort über sie zu verlieren. Er hatte sie totgeschwiegen. Und dabei hatte er mich vergessen lassen, was damals passiert war. "Es tut mir leid, Chuck. Ich wollte nicht taktlos sein."
Schulterzuckend erhob Chuck sich und trank mit einem Schluck den Rest seines Bieres aus, ehe er mit einem gequälten Lächeln in Richtung Küche ging. "Willst du auch noch eins?"
Evelyns POV;
"Und du bist dir sicher, dass das eine gute Idee ist?" Liam nickte und küsste mich noch einmal kurz. "Auf jeden Fall. Sag deiner Mum einfach, dass du bei Claire übernachtest. Sie wird dir das schon glauben." Ich nickte, nicht wirklich überzeugt, und drückte Liam noch einmal fest an mich heran, während ich seinen Duft einsog, als würde ich ihn heute zum letzten Mal sehen.
"Wird das jetzt immer so sein? Dass du weg fährst und Chuck auf mich aufpassen muss?" Ich wusste, dass Liam das nur tat, um meine Sicherheit zu gewährleisten. Aber ich fand es Chuck gegenüber nicht fair. Immerhin kannte er seine Gefühle. Seufzend strich er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und strich über meinen Rücken. "Ich werde mir was einfallen lassen, ok? Aber nicht heute. Bitte bleib dieses Wochenende einfach bei Chuck. Versprich mir das." Ich nickte leicht und küsste ihn noch einmal. "Pass auf dich auf."
Mit diesen Worten trat ich ein paar Schritte zurück und Liam fuhr los. Es dauerte keine zwei Sekunden, da machte mich die Sorge um Liam bereits wahnsinnig. Chuck legte mir beruhigend eine Hand auf die Schulter und lächelte mich schwach an. "Hey. Liam kann gut auf sich aufpassen, mach dir keine Sorgen." Ich nickte und lächelte Chuck einmal schwach an. "Danke, Chuck."
"Ich werde nur kurz mit meiner Mum sprechen. Damit sie denkt, dass ich bei Claire bin." Chuck nickte und nahm seine Hand von meiner Schulter. "Ich bin in der Nähe, sollte was sein." Nachdem ich mich kurz gesammelt hatte, betrat ich mein Elternhaus. Meine Mutter saß gerade vor ihrer Nähmaschine und machte einen neuen Kissenbezug. Vermutlich den hundertsten in diesem Jahr.
"Hey, Mum. Kann ich am Wochenende bei Claire bleiben? Wir müssen ein Projekt für die Schule fertig machen und sind schon sehr spät dran." Sie ließ ihren tadelnden Blick über mich wandern und beäugte mich skeptisch. "Was für ein Projekt?" Ich kannte meine Mutter gut genug, also hatte ich mir natürlich bereits ein Projekt ausgedacht. "Wir müssen ein Modell vom Kolosseum basteln und haben das vergessen. Wir brauchen das Montag früh. Und das Referat dazu haben wir auch noch nicht."
Genervt willigte sie schließlich ein und ich lief nach oben in mein Zimmer. Nur um dort eine Menge Chaos und einen Brief vorzufinden. Mein Zimmer war komplett verwüstet, jemand war hier gewesen. Mein Blick fiel auf die offene Balkontür und ich spürte, wie sich alles in meinem Magen zusammenzog. Jemand war in unser Haus eingebrochen, während des Tages. Und meine Familie hatte es nicht einmal gemerkt. Zitternd öffnete ich das weiße Kuvert und las die Zeilen, die sorgfältig und kursiv auf dem Papier standen.
"22:00 Uhr. Westside Park. Komm alleine. -L"
Dass dieses L nicht für Liam stand war mir sofort klar. Das Klingeln meines Handys versetzte mich in einen kurzen Schock und ich ließ den Brief fallen. Doch als ich Chucks Namen vom Display las, entspannte ich mich leicht. "Alles in Ordnung? Du bist bereits so lange weg. Will deine Mum dich nicht gehen lassen?"
Ich versuchte meine Atmung unter Kontrolle zu bringen und betete, dass meine Stimme nicht allzu wacklig klang, ehe ich ihm antwortete. "A-Alles gut. Ich kann nur mein Ladekabel nicht finden."
Chuck seufzte leise und ich konnte mir seinen genervten Blick genau vorstellen. "Du kannst dir von mir eines leihen." Ich nickte leicht, wissend dass er es nicht sehen konnte, und löste meinen Blick endlich von dem Chaos in meinem Zimmer. "Alles klar. Ich bin gleich da. Ich muss nur noch kurz mein Zimmer aufräumen - das war die Bedingung meiner Mum."
"Ok, aber beeil dich bitte. Es ist nicht sonderlich warm hier draußen."
"Mach ich."
Mit diesen Worten legte ich auf und hob den Brief vom Boden auf. Ich wünschte Liam wäre hier.
Was sollte ich jetzt nur tun?
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What about you, Liam?
RomanceEines Tages begegnet Evelyn Liam Anderson, der sie fast überfährt. Von da an nimmt ihr Leben eine dramatische Wendung. Zwei Welten, die unentschuldigt aufeinander einprassen. Was Evelyn da noch nicht wissen kann: Liam ist keineswegs so nett, wie er...