Evelyn;
Mein Kopf pochte wie wild, als ich mir gerade die Finger gegen die Schläfen drückte und sie sanft über die Stelle kreisen ließ, als eine Art Massage. Aber es half alles nichts. Mein Schädel brummte und ich vergrub mein Gesicht mit einem genervten und leidenden Stöhnen in der rauen Bettdecke. Ich kannte nur wenige Leute, die es wagten in rauen Bettdecken zu nächtigen, und einer davon war wohl Liam.
Ein weiteres Stöhnen durchfuhr mich bei der Erkenntnis und ich erhob mich müde vom Bett. Ich bewegte meinen schlaksigen Körper zu dem Spiegel in Liams Zimmer und musterte mich kurz selbst. Wieso sah ich immer so fertig aus, wenn ich in diesen Spiegel blickte? Ich fuhr mir kurz durch die Haare und kämmte sie flüchtig mit meinen Fingern zurecht, bis sie halbwegs akzeptabel waren. Ich hatte leichte Wellen, da meine Locken über Nacht plattgedrückt wurden und jetzt alles ein wenig zerknautscht aussah.
Irgendwann gab ich einfach auf. Wenigstens sah ich nicht mehr so schlimm, wie vor fünf Minuten aus. Leise tapste ich aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Mein Blick fiel auf das Sofa, wo mein Holzfällerhemd völlig verwahrlost herumlag. Liam saß gerade mit einem Kaffee auf dem Sofa und drehte sich sofort zu mir um, als er hörte wie die Tür leise ins Schloss fiel. "Guten Morgen, mein Engel", hauchte er grinsend und ich war mir fast sicher, dass er mich auf den Arm nahm.
"Was ist gestern alles passiert?", fragte ich kurz wirr im Kopf nach, während ich mir mein Hemd fischte und es wieder über mein schwarzes Top zog und wie auch gestern offen ließ. Vorsichtig ließ ich mich mit genügend Abstand neben ihm nieder und bemerkte seine frustrierte Miene, die er dabei zog. "Sag ich dir nicht", murmelte er dann und erhob sich. "Wieso denn nicht?" Verwirrt starrte ich ihm nach, wie er im Badezimmer verschwand. War es denn so schlimm gewesen? Ich wollte doch nur wissen, was los war. Hatten wir etwa rumgemacht und er war jetzt sauer, weil ich mich nicht erinnern konnte? So lief das doch immer in den Filmen ab! War ich etwa auch so ein verzweifeltes Teenie-Kreisch-Girl, dass sich komplett betrank und dann mit dem Erstbesten etwas anfing, auch wenn er - zugegeben - verdammt gut aussah?
Ich schüttelte hastig meinen Kopf und blickte abwartend zur Badezimmertür. Liam kam nach ein paar Minuten wieder heraus und zog sich gerade ein schwarzes Langarmshirt über den Kopf. Mein Blick fiel wieder einmal auf seinem Oberkörper und ich musste heftig schlucken. Sein Lachen klang ausnahmsweise mal angenehm und nicht höhnisch, oder gar süffisant. Trotzdem rümpfte ich sauer meine Nase und erhob mich. "Gut, wenn du sowieso nicht mit mir redest, dann gehe ich eben wieder." Er sah mich verwirrt an und nickte dann aber grinsend. "Gut, bis dann. Aber ... kannst du mir eine Frage beantworten?"
Mein Blick wanderte zu seinen Augen. Liam stand mittlerweile vor mir und zupfte noch seinen linken Ärmel zurecht, ehe er mich ansah. Sein Blick bohrte sich sofort durch mich hindurch und ich stockte leicht, bis mir einfiel, dass er auf eine Antwort wartete. Ich nickte rasch und stammelte ein leises "Klar, schieß los", das wohl genauso unsicher klang, wie ich es gerade war. "Du verabscheust diesen Kerl, der dir gestern mit, ich nehme an deiner Mutter, hinterhergelaufen ist." Er sah mich abwartend an und ich senkte eingeschüchtert meinen Blick.
Liam wartete geduldig auf eine Antwort von mir, vielleicht wollte er auch nur sehen, wie klein und alleine ich mir gerade vorkam, ich konnte es nicht genau sagen. "Das war keine Frage", meinte ich nach einer knappen Minute, als er sich gerade von mir abwenden wollte. "Also habe ich recht", meinte er schlicht und ich blickte zu ihm auf. "Ich mag es nicht, wenn andere denken, sie würden mich kennen", murmelte ich ein wenig säuerlich und stellte mich wieder gerade hin.
Er blickte amüsiert von der Kaffeemaschine, an der er mittlerweile angelangt war, zu mir herüber. Seine Haare waren in alle Himmelsrichtungen zerstreut, obwohl er gerade im Badzimmer gewesen war und seine Augen ruhten wachsam auf mir. Er gab nur ein kopfschüttelndes Grinsen von sich, während er die fast komplett schwarze Flüssigkeit in eine Tasse goss und sie mir dann vor die Nase hielt.
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What about you, Liam?
RomanceEines Tages begegnet Evelyn Liam Anderson, der sie fast überfährt. Von da an nimmt ihr Leben eine dramatische Wendung. Zwei Welten, die unentschuldigt aufeinander einprassen. Was Evelyn da noch nicht wissen kann: Liam ist keineswegs so nett, wie er...