Evelyns POV;
"Und warum sollte ich das machen?", fragte ich irritiert nach und verschränkte sofort meine Arme vor der Brust. Liam hatte doch nicht mehr alle Chips in der Tüte, so kam es mir zumindest vor. Meinte er doch glatt, ich würde ihm wie ein Hündchen hinterherlaufen.
Der Mond schien mittlerweile bereits zum Fenster herein und riesige Sterne verschönerten den schwarzen Nachthimmel. Liam stand auf der Schwelle der Balkontür und sah mich einen Moment lang an, ehe er ernst antwortete. Zu ernst für meinen Geschmack.
"Weil du das Ganze hier doch leid bist. Du willst mal raus, irgendetwas Verrücktes machen. Das sehe ich in deinen Augen." Er sprach sanft und ruhig, doch seine Worte trafen mich wie ein Schlag ins Gesicht mit der flachen Hand. Ich schluckte kurz und rutschte unruhig auf meinem Bett umher.
"Du spinnst doch. Was genau hast du denn in meinen Augen gesehen, wenn ich fragen darf? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass auf meinen Augen "Bitte hilf mir und hol mich hier raus" stand. Zumindest war das die letzten paar Jahre nie der Fall gewesen", keifte ich Liam ein wenig gekränkt an und zog meine Jacke ein wenig enger um mich.
Liam entfernte sich von der Tür und kam mit langsamen Schritten auf mich zu. Mein Blick war auf den Boden geheftet, auf meine nackten Füße, um genau zu sein. Ich bemerkte nur an Liams Schatten, der immer größer wurde, dass er auf mich zukam. Schließlich blieb er vor mir stehen und ich musste dann wohl doch aufblicken.
"Ich hab es in deinen Augen gesehen, als du mich vorhin geküsst hast. Und ich sehe es immer noch. Wieso bist du eigentlich so stur? Ich will dir doch nur helfen, wirklich." Wütend funkelte ich Liam an und schüttelte meinen Kopf dann. "Ich will aber deine Hilfe nicht, mir geht es gut. Hast du denn keine eigenen Sorgen oder andere Leute, die du nerven kannst?" Sauer funkelte ich ihn an, doch mir fiel sofort auf, dass das vielleicht ein bisschen zu grob gewesen war.
"Liam, ich..", setzte ich an und er schüttelte nur abweisend seinen Kopf, strich sich einmal durch die Haare und lächelte mich dann - meiner Meinung nach - gequält an. Er streckte mir seine Hand entgegen und zog mich auf die Beine. "Komm jetzt einfach mit. Und das ist keine Frage!"
Na toll, das hast du ja gut hinbekommen, Evelyn! Wie blöd kann man eigentlich sein? "Du bist nicht blöd, Evelyn", murmelte Liam leise und kühl, während er mich am Handgelenk nach draußen zog. Sein Griff war nahezu eisern und sein Gesicht ausdruckslos. Anscheinend hatte ich wirklich einen wunden Punkt getroffen. Und ich hatte mal wieder laut gedacht, zu allem Überfluss. Als hätte ich nicht schon genug Probleme.
Wir liefen eine Weile durch die dunkle Stadt, hin und wieder begegneten wir der ein oder anderer zwielichtigen Gestalt, doch Liam schien das gar nicht richtig zu bemerken. Er hatte mein Handgelenk mittlerweile wieder losgelassen und seine Hände in seinen Jackentaschen verschwinden lassen. Seine Kapuze hatte er sich auch übergezogen und nun lief er neben mir mit gesenktem Kopf durch die Gegend. Ich wurde das ungute Gefühl nicht los, vorhin etwas falsches gesagt zu haben, weshalb sich in mir ein riesiges, schlechtes und nerviges Gewissen aufstaute.
Und wenn es etwas gab, das ich mehr hasste, als Reality-Shows und leere Chipstüten, dann waren das eindeutig Schuldgefühle. Seufzend blickte ich zu Liam auf und blieb schließlich einfach mitten auf dem Gehsteig stehen. Liam brauchte einen Moment, um das zu realisieren, so sehr hing er seinen Gedanken nach, doch schließlich blieb er stehen und blickte fragend aus seinen braunen Augen zu mir herab.
"Liam, es tut mir leid. Ich wollte das vorhin nicht sagen, es ist mir so raus gerutscht. Bitte nimm das nicht so ernst, es war im Eifer des Gefechts", meinte ich schuldbewusst und legte vorsichtig meine Hand an seinen Arm, während ich sein Gesicht einen Moment lang musterte. Ich wartete auf ein Lächeln oder irgendetwas anderes, aber Liams Gesichtsausdruck blieb genau so unverändert, wie ein Stein, der am Boden lag oder ein Statue.
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What about you, Liam?
RomanceEines Tages begegnet Evelyn Liam Anderson, der sie fast überfährt. Von da an nimmt ihr Leben eine dramatische Wendung. Zwei Welten, die unentschuldigt aufeinander einprassen. Was Evelyn da noch nicht wissen kann: Liam ist keineswegs so nett, wie er...