Evelyns POV;
Na prima, der hatte mir gerade noch gefehlt! Jeff streckte seinen Kopf zur Tür herein, nachdem er dreimal zaghaft angeklopft hatte. Es kam mir schon fast so vor, als hätte er Angst vor mir und meinen Teenager-Mädchen-Launen. Naja, irgendwie betete ich sogar, dass dem so wäre, dann würde er mich nämlich endlich in Ruhe lassen. Aber leider wurden mein Bitten und Flehen wie immer überhört oder einfach absichtlich ignoriert, den nach weiteren zwei Sekunden betrat er auch schon das Zimmer. "Darf ich rein kommen?"
Ich schnaubte kurz verächtlich und funkelte ihn sauer an. "Irre ich mich, oder hast du das nicht schon längst getan?" Leicht säuerlich ließ ich mich auf den Rücken zurückfallen und starrte die weiße Decke meines Zimmers an. Was ich so aus meinen Augenwinkeln wahrnehmen konnte, blieb Jeff noch unschlüssig stehen, zwang sich dann aber anscheinend doch, zu mir herüber zu kommen.
"Hat Mum dich wieder einmal zu mir geschickt? Dann kannst du nämlich gleich gehen." Dafür hatte ich nämlich im Moment wirklich keine Nerven mehr übrig. Es kam mir so vor, als wäre ich schlichtweg von Idioten umzingelt! "Deine Mutter weiß nicht, dass ich gerade hier oben bei dir bin. Sie würde es ja auch nicht erwarten, so viel wie wir beiden miteinander sprechen."
"Ist nicht meine Schuld", warf ich kurz ein und Jeff beäugte mich kritisch, während er sich ganz väterlich an den Bettrand setzte. So wie es mein Dad auch immer getan hatte. Augenblicklich setzte ich mich auf und winkelte meine Knie an, schlang meine Arme darum, damit sie so blieben und warf Jeff einen unmissverständlichen Blick zu. "Du bist nicht Dad. Warum sollten wir so tun, als ob? Ich habe schon einen Vater."
Jeff entglitt ein leiser, verzweifelter Seufzer und eigentlich hätte ich siegessicher gegrinst, wenn ich mich nicht so schlecht gefühlt hätte. Mir war durchaus bewusst, dass Jeff vermutlich andere Sorgen hatte, als sich in eine Familie zu integrieren, in der er nur Probleme mit seiner neuen Stieftochter haben würde, sonst mit keinem. Ich war doch nur ein dummes Kind. Wenn er nicht mit mir zurechtkommen würde, dann wäre es ihm sicher auch egal!
"Hör mal, Evelyn. Ich habe nie erwartet, dass ihr, du und dein Bruder, mich Dad nennt und mir sofort um den Hals fällt. Ich wollte lediglich ein familiäres Verhältnis zu euch aufbauen. Ein wenig Freundschaft. Denn ich glaube nicht, dass deine Mum und ich uns so schnell wieder trennen werden." Seine Augen blickten mich verständnissuchend an und ich fragte mich einen Moment lang wirklich, warum ich ihm nicht einfach eine Chance gab. Er schien nett zu sein. Und Adam konnte ihn auch gut leiden. Wieso also ich nicht?
"Jeff, nimm's mir nicht übel, aber ich hab gerade wirklich keine Lust auf dich und deinen Psychologenquatsch. Ich hab andere Sorgen, als das hier. Wenn ich reden wollte, wäre ich dann nicht schon längst zu dir gekommen, hätte dir einen Fünfziger in die Hand gedrückt und gefragt, ob du mir nicht eine halbe Stunde deiner kostbaren Therapeutenzeit schenken könntest? So wie all die anderen Leute, die meinen, dass es ihnen hilft, ihre Sorgen laut auszusprechen und sich dann was verschreiben zu lassen oder sich 'superhilfreiche und supernette Ratschläge' anzuhören."
Während meiner kleinen Ansprache hatte ich mich vom Bett erhoben und war zu der kleinen Balkontür in meinem Zimmer gewandert. Jetzt starrte ich stur hinaus und wartete darauf, dass Jeff seine Psychoheini-Masche anwandte, doch es passierte nichts. Mehrere Sekunden lang. Das nächste Geräusch, dass ich vernahm, waren leise Schritte und das Klacken einer Tür. Als ich mich umdrehte, war Jeff verschwunden.
Ich schluckte den riesigen Kloß in meinem Hals hinunter und das schlechte Gewissen gleich mit. Ich hatte das richtige getan, ich hatte schon einen Vater. Genau das hatte ich ihm gerade klar gemacht, nicht mehr, nicht weniger. Naja, abgesehen davon, dass ich ihn, seine Berufswahl, seine Klienten und vielleicht auch ein wenig seinen Rang in dieser Familie beleidigt und herunter gemacht habe!
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What about you, Liam?
RomanceEines Tages begegnet Evelyn Liam Anderson, der sie fast überfährt. Von da an nimmt ihr Leben eine dramatische Wendung. Zwei Welten, die unentschuldigt aufeinander einprassen. Was Evelyn da noch nicht wissen kann: Liam ist keineswegs so nett, wie er...