Kapitel 34

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Da ich heute sowieso nicht zur Schule gehe, kann ich ausschlafen. Es ist schon 12 Uhr, als ich durch das helle Licht der Deckenlampe aufgeweckt werde. Verwirrt setzte ich mich auf und entdecke Chase, der lehnend am Türrahmen steht. Auf seinen Armen trägt er ein Tablett.

'Chase.' lächle ich leicht.

'Hey, Schwesterherz.' sagt er und kommt auf mich zu. Ich rutsche für ihn beiseite, damit er neben mir auf meinem Bett Platz nehmen kann. Er setzt sich hin und stellt das Tablett auf unsere Beine.

'Susan ist schon wieder weg, sie sagte sie wollte dich nicht wecken. Allerdings hat sie für dich das hier vorbereitet.'

'Das ist so lieb von ihr.' murmle ich und lehne mich an Chase, während ich die Leckereien auf seinem Schoss betrachte. Es gibt Crossaints, Joghurt mit Früchten, Pancakes, heiße Schokolade und Orangensaft.

'Naja, ein klein wenig habe ich allerdings auch dazu beigetragen.' Er grinst.

'Lass mich raten? Die heiße Schokolade.' Ich knuffe ihn in die Seite, was ihm einen lustigen Laut entlockt.

'Klar, ich bin der Meister der heißen Schokolade.' Er lacht.

'Ja, das bist du wohl.' Ein kleines Lächeln erscheint in meinem Gesicht.

Plötzlich wird Chase wieder ganz Ernst. 'Wie gehts dir?'

Ich zucke mit den Schultern. 'Schon okay.'

Er legt einen Arm um mich und streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht. 'Du hast den Kerl richtig gern, was?'

Ich antworte nicht, schaue starr auf meine dunkelblaue Bettwäsche.

Er seufzt und murmelt irgendetwas, das ich nicht verstehe. Nur einzelne Brocken wie "Arschloch", "Schwester" und "geistig beschränkt" kann ich verstehen. Ich zucke zusammen, bin es nicht gewohnt, dass mein sonst so gebildeter und toleranter Bruder solche Wörter in den Mund nimmt.

Dann gibt er mir die gepunktete Tasse mit der himmlisch duftenden, heißen Schokolade. Ich nehme einen Schluck und genieße es wie die süße Flüssigkeit meinen Rachen entlang rinnt. Als er mir jedoch ein Crossaint anbietet, lehne ich ab. Ich habe nämlich absolut gar keinen Hunger.

'Seit wann bist du überhaupt hier?' Ich sehe ihn an. Hm, scheint mir als hätte mein großer Bruder wohl einen Drei-Tages-Bart bekommen. Jetzt muss ich schmunzeln. Ich kann mich nämlich noch all zu gut an die Zeit erinnern, als er sich nichts sehnlicher als einen kräftigeren Bartwuchs gewünscht hatte.

'Seit halb elf.' Prüfend mustert er mich. 'Was ist so lustig?'

'Du hast ja einen Bart.' kichere ich.

'Es ist dir aufgefallen?' Stolz streicht er sich über das Kinn. 'Und, was sagst du?'

'Du siehst aus wie ein richtiger Student.' Ich boxe ihn in die Schulter und hebe eine Augenbraue. 'Wie läufts überhaupt auf der Uni?'

'Och..' 'Er zuckt mit den Schultern. 'Schon okay.. Ziemlich anstrengend, aber ich schaff das schon.'

'Klar schaffst du das.'

Nachdem wir noch etwas über alles mögliche geplaudert haben, beschließen wir einen Film anzusehen. Nach langer Diskussion entscheiden wir uns für meinen absoluten Lieblingsfilm: Frühstück bei Tiffanys. Chase, der eigentlich ein absoluter Gegner von Liebesfilmen ist, hat sich ausnahmsweiße ergeben.

So, liegen wir also auf meinem Bett, trinken heiße Schokolade, Chase isst mein Frühstück auf und schauen den Film. Es ist wie früher, als ich krank war oder es mir schlecht ging. Chase war und ist immer für mich da, er ist der beste Bruder, den man sich vorstellen kann.

Als der Film zu Ende ist, zwingt er mich duschen zu gehen und mich anzuziehen. Ich beschließe allerdings ein Bad zu nehmen, das hab ich schon lange nicht mehr. Ich lasse heißes Wasser in die Wanne ein und gebe ein duftendes Badeöl hinzu. Dann ziehe ich mich aus und steige in die Wanne. Es ist so entspannend und endlich kann ich die ganze Scheiße, die gerade in meinem Leben passiert, vergessen. Ich denke gar nicht darüber nach, sondern versinke in Tagträumen - ohne Will.

Als das Wasser schon kalt wird, steige ich aus der Wanne, trockne mich ab und ziehe mir kuschelige Klamotten an. Dann föhne ich meine Haare und binde sie zu einem Zopf. Ich laufe runter ins Wohnzimmer und finde dort Chase, der es sich gerade auf dem Sofa gemütlich gemacht hat.

'Was willst du jetzt machen?' frage ich.

'Keine Ahnung.. Lass uns.. Etwas in den Park gehen, dort ist es im Herbst so schön.'

Ich stimme sofort zu und ziehe mir Schuhe und Mantel an. Kurz darauf befinden wir uns auf dem Weg zum Hyde Park. Die wenigen Blätter, die noch auf den Bäumen hängen, sind rot, gelb und braun. Und auch wenn es kalt ist, kann man heute die schwachen Sonnenstrahlen im Gesicht fühlen. Wir setzten uns auf die altbekannte Bank und schauen auf den kleinen See, der alles in sich spiegelt. Es ist so wunderschön, dass es mir ein Lächeln in das Gesicht zaubert.

'Weißt du.. Als du mir gestern von Will erzählt hast, da dachte ich erst, es ist ihm wirklich egal. Ich meine, du. Dass er dich bloß ähm.. Naja du weißt schon..' Chase sieht mich an und macht eine kurze Pause. 'Aber vorhin ist mir klargewordn, dass das nicht sein kann. Ich weiß wie er die angesehen hat.. Und was Nate und die anderen erzählt haben, spricht auch sehr dafür, dass er dich mag.. Oder mochte..'

Ich räuspere mich. 'Worauf willst du hinaus?'

'Es kann auch sein, dass ich unrecht habe.. Aber.. Es muss irgendetwas passiert sein.. Etwas, dass ihn.. Keine ahnung verletzt hat.. Etwas das seine Meinung über dich geändert hat.. Doch die Frage ist bloß was?!'

Hm.. Also irgendwie klingt das ziemlich einleuchtend. Was genau ist passiert, dass Will verletzen könnte? Hab ich was falsch gemacht? Oh, man. Was ist bloß geschehen?! Verzweifelt suche ich in meinem Gedächtnis nach Antworten. Doch um so länger und krampfhafter ich mich konzentriere, umso weniger Erfolg habe ich. Meine Gedanken kreisen sich und ich kann kaum noch klar denken.

Ich schüttle den Kopf. 'Ich hab absolut keine Ahnung.' flüstere ich.

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