Blut. Vor mir, hinter mir, an meinem Körper - Überall war die rote Flüssigkeit! Ebenso schmeckte ich sie, als meine Zunge kurz über meine trockenen Lippen fuhr, nach Feuchtigkeit für meinen trockenen Hals suchend. Knapp zehn Meter von mir entfernt lag ein lebloser Körper. Ein ziemlich kräftig gebauter Körper, den ich eigentlich schon einmal irgendwo gesehen hatte! Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen und ich stolperte los. Dabei schnürte sich mir die Kehle zu. Mein Umfeld färbte sich tiefschwarz, nur über den Boden lief das Blut, schwappte in kleinen Wellen über meine Füße. Ich kniete vor dem Körper und hoffte, dass es kein Mensch war, den ich kannte. Doch leider war es so. Ich drehte den Körper auf den Rücken und machte einen Satz nach hinten. Dabei keuchte ich erschrocken auf und presste mir die blutverschmierte Hand vor den Mund. Es war Dr. Lecter, der da vor mir in der Blutlache lag. Aus der klaffenden Wunde in seinem Bauch lief immer noch Blut, verteilte sich. Er starrte mit weit aufgerissenen Augen ins Leere. Mir fehlte die Stimme, heiße Tränen liefen über mein Gesicht. Ganz leise wimmerte ich, bemühte mich um Ton in den kläglichen Überresten meiner Stimme: "Doktor..." Plötzlich packte mich der Adrenalinschock, ich riss den Kopf in den Nacken und schrie: "HANNIBAL!!!" Nun schluchzte ich und sackte weinend in mich zusammen. Ich hörte eine mir unbekannte Stimme: "... Er entführt seine Opfer ..." Dann eine weitere Stimme: "... Er tötet sie ..." Dann eine dritte Stimme: "... Er verspeist sie ..." Ich hielt mir die Ohren zu, doch sie schrien nun synchron im Chor: "Der Chesapeake Ripper hat wieder zugeschlagen!" Ich schrie auf: "NEIN! NICHT HANNIBAL!!! NEIN, DAS DARF NICHT SEIN!!!" ...
Erschrocken fuhr ich hoch. Mit pochendem Herzen sah ich mich hektisch um, versuchte mich in der Dunkelheit zurechtzufinden. Dann bemerkte ich, dass ich mich in meinem Schlafzimmer befand und atmete erleichtert auf. Dennoch zitterte ich. Das Bild des toten Dr. Lecter hing immer noch vor meinem inneren Auge, verursachte heftige Schweißausbrüche und ließ mich wach liegen - für die nächsten eineinhalb Stunden. Ich drehte mich hin und her, versuchte an etwas Schönes zu denken. Doch es funktionierte nicht. Die Angst um meinen geliebten Doktor war einfach zu groß! So fasste ich schließlich den Entschluss, aufzustehen und mir etwas die Beine zu vertreten. Ich schlüpfte in meine Jeans und streifte mir ein anderes T-Shirt über. Dann ging ich nach unten in den Flur, stieg in meine Sneakers, stopfte mir den Haustürschlüssel in die Hosentasche und lief nach draußen...
Langsam kühlte die Luft ab, war nicht mehr so drückend und schwer durch die Hitze. Sanft strich sie über meine nackten Oberarme und brachte die kleinen Härchen zum Stehen. Ich genoss es. Es war so schön angenehm in diesem Moment! Ich ging weiter, doch schon nach einigen Minuten wurde die sanfte Ruhe jäh durch junge Männerstimmen zerrissen. Einige lallten, andere grölten einfach nur, sowohl herausfordernd als auch aufmunternd oder zustimmend. Es war dennoch äußerst unpassend, wie ich stirnrunzelnd und kopfschüttelnd feststellte. Da plötzlich sah ich sie. Sie standen in einer kleinen Gasse vor einer brennenden Tonne. Einige rauchten, andere nippten an braunen Glasflaschen - Bierflaschen, wie ich unschwer erkannte. Ich persönlich zog ein gutes Glas Wein jeder Flasche Bier vor. Aber das hätte keiner verstanden. Wie auch? Wein war halt nicht das Getränk der Jugend. Ich bildete die Ausnahme.
Als ich einen genaueren Blick auf die Clique warf, erkannte ich Dwight Johnson, die "rechte Hand" von Steven McLaren. Die beiden waren die besten Freunde, soweit mir bekannt war. Doch auch Dwight konnte ich nicht ausstehen. Selbst wenn er nicht ganz so arrogant wie Steven war.
Dwight krempelte die Ärmel seines Pullovers hoch und griff nach einer vollen Flasche Bier, die er mit einem Feuerzeug öffnete. Das hatte ich schon einige Male bei meinem Vater gesehen und auch selbst einige Male probieren dürfen, bevor meine Mutter von der Arbeit kam und meinen Vater dafür getadelt hatte.
Ich schüttelte gedankenklärend den Kopf und beobachtete Dwight, wie er sich die Flasche zum Mund führte und nach beginnendem Ansporn seines Gefolges grinsend den Kopf in den Nacken warf. So verharrte er, an seinem Hals erkannte ich, dass seine Züge tief waren. Die anderen grölten: "Hau rein, Alter! Da geht noch was! Nicht schlapp machen!" Dwight nahm die Flasche und warf sie gegen die Häuserwand. Sie zersplitterte in Tausende von Teilen, flog in sämtliche Richtungen. Einer bekam eine Scherbe gegen den Pullover und fing an zu lachen. Die anderen stimmten mit ein, ich schüttelte nur wieder den Kopf, dann hörte ich Dwights vom Alkohol dröhnende Stimme: "Hey, Irene!" Ich kniff die Augen zusammen und drehte mich um. Nein, darauf hatte ich nun wirklich keine Lust! Nicht mitten in der Nacht! Aber eigentlich war ich ja auch selbst schuld! Warum war ich hier, unter einer Straßenlaterne, stehen geblieben?! Und nicht im schützenden Schatten?!?
Ich war schon zwei Schritte gegangen, da packte mir jemand von hinten auf die Schulter: "Irene, wo willst du denn hin, Süße?!" Dwight machte eine Vierteldrehung mit mir und drückte mich gegen die Häuserwand, an der gerade noch eine Glasflaschen zersprungen war. Die anderen Jungs versammelten sich um ihn, bildeten einen Halbkreis, schlossen mich komplett in ihrer Mitte ein. Ich wollte schreien, doch wer würde mich schon hören, mitten in der Nacht? Außerdem musste ich Ruhe bewahren.
So versuchte ich es schließlich auf die einfache Tour: "Gu-Guten Abend, Dwight. Ich hoffe, ich habe euch nicht... gestört?" Er grinste schmierig, seine Augen glitzerten: "Nein, nein, du störst uns nicht! Habe ich recht, Jungs?" Zustimmendes Gemurmel war zu hören. Verdammt! Ich war für alle zu schwach. Und es war keine rettende Seele in der Nähe. Warum musste so etwas immer mir passieren? Warum nicht den anderen?!
Dwight fuhr sich mit der Zunge über die feuchten Lippen, während er mir langsam das Haar hinter die Ohren schob: "Wenn Steven das hier sehen würde! Die kleine Irene Pawlow, das wahrscheinlich prüdeste Mädchen, das wir kennen, schläft gleich mit einer ganzen Gruppe von geilen Typen! Jungs, seit ihr bereit?!" Nun grölten sie wieder. Ich konnte ihren Atem riechen. Mir stieg die Galle hoch. Und mit der Galle auch die Panik. Ich begann zu zittern und öffnete den Mund, doch es drang kein Laut daraus: "Ganz ruhig, Baby... Niemand wird hiervon erfahren! Und niemand wird dir helfen können! Du gehörst mir, hörst du, du kleines Miststück?! Du gehörst mir!" Er drückte mich noch etwas heftiger an die Wand. Er öffnete bereits seine Hose, da konnte ich endlich schreien: "HILFE!!! VERGEWALTIGUNG!!! KANN MIR JEMAND HELFEN?!?" Aber weiter kam ich nicht, denn mein Kopf wurde gegen die Wand geschlagen: "Halt endlich dein beschissenes Maul!", knurrte Dwight, während er mir langsam die Hose vom Körper schob. Vor meinen Augen verschwamm alles, ich konnte nur noch vage Umrisse erkennen. Unterbewusst bekam ich noch ein panischen Aufschreien von einem der Typen mit, dann gab mein Körper sich geschlagen und ich fiel in die tiefsten Tiefen der Ohnmacht...

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University Lovestory
FanfikceIrene Pawlow studiert Medizin an einer Universität in Baltimore. Eines Tages trifft sie dort auf Dr. Hannibal Lecter als ihren Gastdozenten - mit fatalen Folgen.