30.

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Der heutige Vorfall war fast vergessen. Hannibal und ich saßen am Tisch und sprachen mal wieder über das, was uns gerade in den Kopf kam: "Was hältst du eigentlich von Opern, Irene?" Ich antwortete: "Einige sind wirklich schön. Hauptsache, sie sind gut inszeniert. Ich habe von einer gehört, die war nichts so gut gewesen." "Hast du dir mal eine Oper angesehen?" Ich nippte an meinen Glas Rotwein: "Ehrlich gesagt nicht. Aber ich träume schon sehr lange davon." "Ich stimme dir zu, Opern müssen gut inszeniert sein." "Ja. Die Oper, von der ich gerade sprach, schien einem anderen auch nicht gefallen zu haben, denn Tage darauf fand man einen der Musiker grausam entstellt. Den Täter hat man bis heute nicht, aber es wird spekuliert, dass es sich dabei um den Chesapeake Ripper handelt." Hannibal nahm ebenfalls einen Schluck Wein: "Dieser jemand scheint dieses Thema wohl sehr ernst zu nehmen. Das kann ich verstehen. Was ist schlimmer als ein ruinierter Abend?" Mir fielen zwar viele Dinge ein, doch ich wollte jetzt keinesfalls mit ihm eine Diskussion beginnen! Stattdessen fragte er: "Hat Mr. McLaren dich noch einmal angesprochen?" "Zum Glück nicht. Ehrlich gesagt kann ich ihn nicht ausstehen." "Verständlich. Jemanden, der ein solches Benehmen an den Tag legt, kann ich auch nicht ausstehen." Ich nahm Hannibals Hand: "Hör mal, ich denke, er wird uns jetzt mit Argusaugen beobachten." Hannibal holte tief Luft. Dann stand er auf und sagte: "Dann müssen wir die Abende noch mehr genießen..." Er zwinkerte mir zu - und ich verstand. Wir liefen die Treppe hinauf in sein Schlafzimmer...

Blinzelnd öffnete ich die Augen. Erst realisierte ich nicht, wo ich mich befand. Doch dann spürte ich die Hitze neben mir und erkannte Hannibal. Er hielt mich im Arm und schlief tief und fest. Ich betrachtete ihn und musste unweigerlich lächeln. Er sah richtig niedlich aus, wenn er schlief. Total entspannt und mit einem leichten Lächeln lag er da. Ein prüfender Blick durch das Zimmer rief mir den gestrigen Abend wieder in den Kopf und ich musste erneut grinsen. Es war wieder zu schön gewesen und ich hoffte inständig, dass es kein Traum war.
Nun rekelte sich auch Hannibal neben mir: "Guten Morgen...", flüsterte ich grinsend. Er blinzelte, dann lächelte auch er: "Guten Morgen." Er sah kurz auf die Uhr: "Willst du nicht noch etwas schlafen? Wir müssen erst in einer Stunde aufstehen." Ich kuschelte mich an ihn und seinen warmen Körper: "Vor allem möchte ich die Zeit mit dir genießen. Vielleicht schlafe ich ja nochmal wieder ein..." Und tatsächlich übermannte mich erneut der Schlaf...
"Irene? Irene, wir müssen jetzt aufstehen, mano Vaikaş." Erneut musste ich blinzeln. Hannibal stand bereits komplett angezogen vor dem Bett und grinste mich an: "Also bist du doch noch einmal eingeschlafen." Ich rieb mir die Augen, gähnte und nickte. Hannibal stellte sich vor den Spiegel und band sich die Krawatte. Auf dem Sessel lagen meine Sachen ordentlich gefaltet, daneben sein Sakko. Ich wollte gar nicht aufstehen: "Müssen wir wirklich? Können wir heute nicht einfach hier bleiben?" Er drehte sich zu mir und sagte gespielt streng: "Na, was sind denn das für Töne, Miss Pawlow?! Wollen Sie Ihren Abschluss? Dann müssen Sie sich dafür auch mal aus dem Bett quälen." Ich spielte mit und protestierte: "Aber Dr. Lecter, Mr. McLaren fehlt auch relativ oft!" "Das soll nicht deine Sorge sein.", murmelte Hannibal nun wieder im sanften Ton. So gab ich mich geschlagen und stand schließlich auf. Ich schnappte mir meine Sachen und lief ins Badezimmer. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass Hannibal aufgestanden war! Er musste sich wohl wieder sehr leise und vorsichtig bewegt haben...
Beim Frühstück bekam ich wie üblich kaum einen Bissen herunter: "Irene, was soll ich nur mit dir machen?", seufzte Hannibal kopfschüttelnd. Ich nahm seine Hand: "Du machst schon so viel mit mir! In der letzten Woche hast du mein Leben komplett umgekrempelt. Positiv, natürlich!" "Du wirst mir irgendwann noch vom Fleisch fallen..." "Nein. Du wirst mich davor bewahren. So gut kenne ich dich nach dieser Woche bereits." Er grinste. Es war so schön, wenn er amüsiert war! Dann sah er auf die Uhr: "Ich denke, wir müssen bald los." Ich nickte, trank meinen Kaffee so schnell wie ich nur konnte und schon machten wir uns auf den Weg...

Als Hannibal und ich an der Uni eintrafen, wirkte alles wie immer. Er verabschiedete sich von mir, ging davon und ich gesellte mich zu Constanze. Doch dann spürte ich, dass etwas nicht stimmte. Rundherum starrten mich sämtliche Augenpaare an. Ich verstand nicht, warum, doch Constanze würde es mir irgendwie bestimmt erklären können: "Conni, guten Morgen. Was ist hier los?" "Gut, dass ihr endlich kommt, Irene. Die anderen Studenten zerreißen sich die Mäuler." "Worüber denn diesmal? Gibt es wieder eine neue dämliche Castingsendung?" "Ich wünschte, dass es so wäre!" Ich verstand nicht. Aber ich bekam eine böse Vorahnung: "Was ist los, Constanze?", fragte ich drohend leise. Sie beugte sich vor und flüsterte mir ins Ohr: "Steven hat fleißig von deiner Beziehung mit Dr. Lecter erzählt! Bald weiß es die komplette Fakultät und ich denke, dass Dekan McLaren es auch schon weiß..." Sie sollte recht behalten, denn im selben Moment donnerte die Stimme des Dekans hinter mir: "Miss Pawlow, kommen Sie doch bitte unverzüglich in mein Büro. SOFORT!" Ich warf einen hilflosen Blick auf Constanze, dann folgte ich langsam dem Dekan...

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