Mein Wecker klingelte reichlich früh an diesem Morgen. Er holte mich eher aus meinen Träumen als sonst. Kein Wunder. Sonst erwartete ich ja auch keinen Besuch am Samstag. Höchstens Abends, wenn ich mal wieder meine Soirees gab. Es war immer wieder amüsant, meinen Gästen beim Essen zuzusehen. Wenn diese nur wüssten, was sie da zu sich nahmen...
Ich rieb mir die Augen und streckte mich genüsslich. Ich hatte wieder von Irene Pawlow geträumt. Mein Verstand tadelte mich: "Hannibal, schäm' dich! Sie ist deine Studentin! Sie würde nie etwas von dir wollen, geschweige denn die warmen Gefühle erwidern!" Ich war mir da langsam nicht mehr so sicher. Mittlerweile kannte ich die Reaktionen der Frauen. Und Miss Pawlow wirkte in meiner Gegenwart leicht verloren - ganz so, wie wenn man gewisse Gefühle empfindet. Dennoch, so teilte mir mein Verstand mit, war es recht unmoralisch, Gefühle für diese junge Frau zu empfinden. Sie war gerade mal halb so alt wie ich. Aber in ihrer Gegenwart fühlte ich mich anders. Ich fühlte mich... auf spezielle Art und Weise... zu Hause. Doch woran lag das? Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass ich mir jetzt erstmal keine Gedanken mehr darum machen konnte. Ich musste noch viel vorbereiten, denn nachher war es soweit! So setzte ich mich erst aufrecht und stand danach gleich sofort auf...
Gähnend schlenderte ich ins Badezimmer und genoss eine ausgiebige Dusche. Ob die junge Miss Pawlow auch schon so früh wieder auf war? Sie sollte sich auskurieren! Ob sie meinem ärztlichen Rat gefolgt war? Das würde sich nachher zeigen.
Mit der Zahnbürste im Mund und in einen seidigen dunkelblauen Bademantel gehüllt, sammelte ich die zusammengerollte Zeitung von meinem Vorgarten. Fast hätte sie eine meiner Veilchen und naheliegenden Orchideen zerdrückt. Dieser Zeitungsjunge trieb mich noch in den Wahnsinn! Wofür gab es denn Briefkästen? Die waren ganz bestimmt nicht zur Zierde!
Als ich wieder im Haus war, überflog ich die Titelseite. Es wurden also immer noch Vermutungen über den Chesapeake Ripper angestellt. Sehr interessant, wie ich mit einem Grinsen feststellte. Sollten die vom National Tattler, vor allem dieser geschwätzige Freddy Lounce, sich ruhig das Maul zerreißen! Es würde eh niemand herausfinden! Dafür war die Gesellschaft einfach zu langweilig und fantasielos! Der Einzige, der mir gefährlich werden könnte, war Special Agent Will Graham. Aber den würde ich schon noch in Schach halten. Zumindest für eine Weile... Er war ein Eidetiker, so weit konnte ich ihn bereits einschätzen, auch wenn ich ihn noch nicht oft getroffen hatte. Aber er war nicht ganz so intelligent wie ich! Er wusste einfach nicht, auf welches Spiel er sich einließ, wenn er mich um Hilfe bat! Ich war ihm gern gefällig, so war das nicht! Aber ich würde dennoch auf eine Gegenleistung bestehen. Es hatte nun einmal seinen Preis, einen Dr. Hannibal Lecter um Hilfe zu bitten! Und dieser Preis war hoch...
Ich legte die Zeitung auf meinen Schreibtisch. Nun hatte ich wesentlich Wichtigeres zu tun als in einer schlechten Zeitung zu blättern!
Ich schlenderte in mein Schlafzimmer und streifte mir ein weißes Hemd über. Dazu wählte ich eine passende schwarze Hose. Sollte ich noch eine Krawatte umbinden? Nein, heute würde ich darauf verzichten.
Ich sah kurz aus dem Fenster und seufzte: "Hoffentlich geht mein Plan auf..." Ich hatte mir in den letzten Tagen viele Gedanken gemacht und Pläne geschmiedet. Wenn Miss Pawlow nachher kam, ich schätzte, sie käme Mittags, dann sollte alles perfekt sein!
Ich schlüpfte in meine Schuhe. Ich brauchte noch einige Zutaten vom Markt. Heute würde ich anderes Fleisch nehmen. Miss Pawlow lag mir am Herzen. Ich hoffte, sie würde bis Abends bleiben, da ich ein Dinner geplant hatte. Als Vorspeise wählte ich Saiblings-Carpaccio mit Portulaksalat, als Hauptgang Kalbs-Medaillons mit Sauce Béarnaise und als Dessert Cappuccino-Eis. Dieses Dinner war mir wichtiger als all meine Soirees! Ich wusste nicht warum, es war einfach so.
Mit einer kleinen Liste in der Tasche machte ich mich auf den Weg zum Marktplatz. Dieser war zum Glück nicht allzu weit entfernt. Ein kurzer Blick zu meiner antiken Standuhr verriet mir - Es war bereits halb neun. Also herrschte auch bestimmt noch nicht so viel Trubel. Perfekt!
Die Sonne ging auf und versprach einen heißen Tag. Sollte mir recht sein! Ich war auf alles vorbereitet. Und mit einem Grinsen im Gesicht verließ ich vorerst das Haus...

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University Lovestory
FanfictionIrene Pawlow studiert Medizin an einer Universität in Baltimore. Eines Tages trifft sie dort auf Dr. Hannibal Lecter als ihren Gastdozenten - mit fatalen Folgen.