39.

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Ein paar Tage nach dem Besuch bei Irene Zuhause saß ich abends wieder in meiner Praxis und wartete schweigend. Nun war es also so weit, der junge Steven hatte den Fehler begangen, auf den ich gewartet hatte. Ich ordnete den Stapel Akten auf meinem Schreibtisch und grinste zynisch. Er war zu weit gegangen! Nun würde er für seine Fehler bezahlen. Endgültig.
Ich nippte gerade an meinem Glas Wein, als es an der Tür klopfte: "Herein.", rief ich, ließ mir dabei nichts von meinem Vorhaben anmerken. Steven McLaren trat ein. In seinem Gesichtsausdruck las ich das übliche Gemisch aus Abscheu und Langeweile: "Guten Abend, Steven. Schön, dass Sie es einrichten konnten, mich heute Abend noch einmal zu besuchen." Er runzelte die Stirn: "Ich hatte wohl kaum eine Wahl." "In der Tat, die hatten Sie nicht. Ich hoffe allerdings inständig, dass es dieses Mal besser funktioniert mit uns beiden. Ich möchte ein normales Gespräch mit Ihnen führen. Denken Sie, das bekommen wir hin?" Er verschränkte die Arme vor der Brust, ließ sich in den Sessel fallen und wendete den Blick ab: "Meinetwegen." Ich lächelte leicht: "Ich danke Ihnen, Steven. Letztes Mal ist unser Gespräch ja etwas aus den Fugen geraten... Lassen Sie es uns wieder aufgreifen! Sie sagten mir, Sie genießen Alkohol aus "Spaß", nicht? Nun, als ich Sie kurz darauf auf Ihre Mutter ansprach, reagierten Sie ziemlich aggressiv. Wie war Ihr Verhältnis zu Ihrer Mutter, Steven?" Er knurrte: "Ich will nicht drüber reden." "Ich schon, Steven. Immerhin, so denke ich, haben wir damit einen Grund für Ihre Sucht gefunden. Also?" Ich griff nach meinem Glas Wein und sah ihn fragend an. Sein Blick glitt zu meinem Glas. Ich fragte: "Wollen Sie auch etwas Wein, Steven?" "Ich glaube, Sie werden ziemlich Ärger bekommen..." Ich grinste: "Nur, wenn Sie es verraten." Ich griff nach einem zweiten Glas und schenkte etwas der roten Flüssigkeit ein: "Kommen Sie, Steven." "Haben Sie da auch wieder etwas reingemischt?" Ich setzte einen unschuldigen Blick auf: "Aber ich muss doch bitten! Sie haben doch gesehen, dass ich nichts in das Glas getan habe." Zumindest nicht in deiner Anwesenheit, dachte ich grinsend. Ich hatte mir vorhin ein Glas eingeschenkt und dann in den Rest der Flasche einige Schlaftabletten gleiten lassen.
Zögerlich stand Steven auf und kam zu mir: "Ich verstehe Sie nicht, Doktor." "Inwiefern?" "Sie wollen mir meine Sucht austreiben und nun bieten Sie mir Alkohol an, der diese Sucht eigentlich nur noch fördert? Wo liegt da der Sinn?" "Trinken Sie einfach und Sie werden es sehen." Tatsächlich nahm er das Glas und trank es leer. Ich lächelte: "Gut gemacht." Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten, denn er taumelte rücklinks zum Sessel und ließ sich fallen: "Da war ja doch ein Schlafmittel drin!", rief er noch, dann schlief er. Ich grinste süffisant: "Bemerkenswert, Ihr Scharfsinn! Ich kann es nur immer wieder betonen." Dann stand ich auf und trat zu ihm: "Süße Träume, Mr. McLaren. Es werden Ihre Letzten sein." Ich hob ihn hoch und trug ihn zu meinem Wagen. Ich hatte etwas besonderes mit ihm geplant...

Nicht allzu weit von meiner Praxis stand ein leeres Haus mit drei Stockwerken und einem Balkon. Ich öffnete geschickt die Tür, schulterte Steven und trug ihn die Treppe hinauf ins oberste Stockwerk. Danach lief ich nochmals nach unten, um noch einige Dinge aus dem Kofferraum zu holen, darunter ein Handkarren und Klebeband. Ich fixierte Steven, band mithilfe eines Seils einen Galgen und wartete.
Nach einiger Zeit erwachte er stöhnend und sah sich um: "Oh mein Gott, mein Kopf... Wo... bin ich?" Ich stand hinter ihm in den Schatten. Er versuchte sich zu bewegen, merkte dann allerdings, dass er fixiert war. Auch wenn ich sein Gesicht noch nicht sah, so konnte ich dennoch die Angst sowohl fühlen als auch riechen - sie strömte durch den Raum, schon fast so dickflüssig wie Blut.
Ich beschloss, ihn zu erlösen: "Erneut wünsche ich einen guten Abend, Steven." Ich trat grinsend aus den Schatten und stellte mich neben ihn: "Lecter! Sie widerlicher Mistkerl! Lassen Sie mich sofort frei! Was haben Sie schon wieder mit mir gemacht?!" Als er mich sah, verwandelte sich seine Angst in Wut. Ich genoss diesen Anblick mit einem Lächeln: "Aber, aber, Steven! Wer wird denn hier wieder gleich ausfallend? Sie haben es sich doch selbst zuzuschreiben, dass Sie nun hier sind." Er sah mich verständnislos an und ich erklärte: "Sie haben bei Irene angerufen, wollten ihr von jenem Unfall erzählen..." "Das war doch kein Unfall, Sie Dreckskerl! Das war geplant!" Ich erwiderte drohend: "Unterbrechen Sie mich nicht, Steven. Das ist unhöflich und wenn Sie unhöflich werden, so werde ich Ihnen gegenüber noch gnadenloser sein. Haben Sie verstanden?" Er spuckte vor mir auf den Boden: "Ihr Glück, dass ich nicht getroffen habe! Ich unterbreche Sie, wann ich es will!" Ich grinste wieder: "Ach, ist das so? Nun, das wollen wir doch mal sehen..." Geschickt klebte ich ihm einen Streifen des im Mondlicht silber schimmernden Klebenbands über den Mund, so dass nur noch gedämpft einige dumpfe Laute erklangen, die vermutlich Protest darstellen sollten. Ich seufzte leise: "Ah, schon viel besser! Ich mag es nicht, wenn man mich unterbricht! Also, um noch einmal neu anzusetzen: Sie haben bei Irene angerufen und wollten ihr von jenem Unfall erzählen. Das ist ja alles schön und gut, nur hatten Sie leider das altbekannte Pech, dass ich mich zu jenem Zeitpunkt ebenfalls bei ihr Zuhause befunden hatte und daher dieses Gespräch zwischen Ihnen beiden mitbekam. Ich kann Ihnen sagen, dass Irene Ihnen keinen Glauben schenkt, ganz im Gegenteil - Viel eher lacht sie über Sie und Ihr jämmerliches Auftreten." Ich sah kurz verträumt aus dem geöffneten Fenster: "Ein so schönes Lachen hat sie..." Dann räusperte ich mich: "Verzeihung, ich bin ins Schwärmen geraten... Nun denn. Ich habe Ihnen erzählt, was ich erzählen wollte. Dann können wir ja nun mit Ihrer Bestrafung fortfahren, denken Sie nicht?" Die Laute hinter dem Klebeband wurden energisch, Steven rüttelte an seinen Fesseln. Ich kam ihm nahe und flüsterte: "Na, nicht wehren! Es ist ganz sanft..." Ich begann, ihn auf den Balkon zu schieben. Es war nicht kalt, nein - Die Luft war leicht warm und brachte sommerliche Düfte mit sich. Ich lachte leise und widmete mich wieder Steven. Ich hielt mein Stilett vor sein Gesicht, dessen Klinge im schwachen Licht des Mondes aufblitzte und fragte: "Also, wie darf es sein? Eingeweide innen oder außen?" Stevens Augen wurde groß und er verstummte: "Hat es Ihnen die Sprache verschlagen, Steven? Das kann ich Ihnen nicht verübeln. Eine solche Frage bekommt man nicht oft gestellt. Diese Ehre kommt nur ganz speziellen Unhöflichen zuteil, das kann ich Ihnen sagen!" Ein leises Wimmern war zu hören. Ich legte den Kopf schief: "Wie ich bereits häufiger betonte, Steven - Ich gewinne dieses Spiel! Ich gewinne es immer, denn wir spielen nach meinen Regeln! Ich habe von Ihnen, bezüglich meiner Frage, keine Antwort erhalten. Somit werde ich für Sie entscheiden, wenn Sie erlauben?" Er schüttelte den Kopf, da stieß ich das Stilett bereits in seinen Leib und flüsterte: "Irene gehört mir! Gute Nacht, Steven McLaren..." Mit diesen Worten löste ich seine Fixierung und stieß ihn vom Balkon.
Ich sah, wie seine Eingeweide aus seinem Leib in den Vorgarten purzelten und grinste süffisant. Ich ließ ihn hängen, nahm den Handkarren und das Klebeband wieder mit zu meinem Wagen, sammelte seine Eingeweide aus dem Gras und machte mich auf den Heimweg. Mir war eine weitere teuflische Idee gekommen...

Zuhause angekommen, rief ich bei Irene an: "Pawlow?" "Guten Abend, Irene. Ich hoffe, ich störe dich nicht?" Sie klang müde und ein scharfer Unterton zierte ihre sonst so sanfte Stimme: "Nein, nein. Es ist doch erst fast ein Uhr nachts und ich habe nur geschlafen. Was ist denn los?" Mit einem Grinsen betrachtete ich die blutige Tüte in meiner Hand: "Was hältst du von einem feinen Picknick?" Nun klang sie hellwach: "Gerne! Wann denn?" "Ich habe morgen frei, daher würde ich dich morgen gegen Mittag abholen. Wie klingt das für dich?" "Hannibal, ich... weiß gar nicht, was ich sagen soll... Liebend gern!" Ich lächelte erleichtert: "Gut, dann hole ich dich ab. Entschuldige, dass ich dich geweckt habe. Das war nicht meine Absicht." "Ist schon in Ordnung, Hannibal. Ich bin dir auch gar nicht böse. Ich freue mich auf morgen! Ich liebe dich!" "Gute Nacht, Irene. Schlaf schön." Damit legte ich auf. An Schlaf war bei mir noch nicht zu denken, ich hatte noch einiges vorzubereiten. So schlenderte ich mit der Tüte in die Küche und blätterte in meinen Rezepten...

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