31.

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Das Büro des Dekans war recht langweilig. Die Wände waren schlicht in weiß gehalten, der Teppich grau. Eine kleine grüne Pflanze zierte in einem gelbem Blumentopf den riesigen, von losen Zetteln überfüllten Schreibtisch, dazwischen versanken ein Computer, sämtliche Schreibutensilien und ein Kaffeebecher - Das klassische 08/15-Büro, wie man es kennt. Als ich hinter dem Dekan eintrat, machte mein Herz einen Satz. In einem der Sessel vor dem Schreibtisch saß Hannibal und betrachtete gerade akribisch das Gemälde an der Wand: "Sagen Sie, Dekan McLaren - Wissen Sie, wer das hier gemalt hat?" Er deutete auf das Bild. Der Dekan zuckte mit den Schultern: "Ich habe keine Ahnung. Es war ein Geschenk." Er ließ sich in seinem Stuhl fallen: "So. Miss Pawlow, nehmen Sie doch bitte neben Dr. Lecter Platz. Ich habe mit Ihnen beiden etwas wichtiges zu besprechen." Ich ließ mich neben Hannibal nieder und schenkte ihm ein vorsichtiges Lächeln. Er lächelte professionell zurück, dann zuckte er einmal kurz mit beiden Augenbrauen - Ein Zeichen, dass er ahnte, worum es ging und wie ich mich dementsprechend verhalten musste. Ich nickte kaum merklich. Der Dekan sprach: "Also dann - Mein Sohn hat mir erzählt, dass Sie beide ein sehr, sagen wir, freundschaftliches Verhältnis führen. Ist das wahr?" Er sah uns ernst an und ich kam mir vor, wie damals in der Schule, wenn man sich vor dem Rektor wegen einer gebrochenen Regel rechtfertigen musste. Zum Glück antwortete Hannibal: "Ich versichere Ihnen, Dekan McLaren, dass unser "Verhältnis" keine Grenzen überschreitet. Wir plaudern gerne mal ein bisschen länger, ja. Und auch nicht immer nur über die Universität oder die Vorlesungen. Aber ich kann mich nicht entsinnen, dass derartige Gespräche verboten sind..." Hinter uns ging die Tür auf: "Das ich nicht lache! Du hast doch was mit dem Doktor, Irene! Gib es zu!" Steven stand nun ebenfalls im Büro, lehnte lässig an der Wand und grinste mich schmierig an. Leicht entnervt schaute ich zurück. Den konnte ich jetzt gar nicht gebrauchen! Der Dekan sah mich an: "Stimmt das, Miss Pawlow? Sie sind doch immer von Grund auf an ehrlich." Ich spürte Hannibals Blick sich in meinen Körper bohren und konnte mir denken, was er mir damit sagen wollte: Wenn ich ihn nicht verlieren wollte, musste ich jetzt sehr vorsichtig sein! Ganz ruhig sah ich den Dekan an. Und schon wanderte die Lüge über meine Lippen: "Es tut mir Leid, Dekan McLaren, aber ich fürchte, dass ihr Sohn letzte Nacht doch vielleicht etwas zu tief ins Glas gesehen hat. Jedenfalls hat er unrecht. Ich habe nichts mit Dr. Lecter, zumindest nicht in dem Sinne, auf den Steven anspielt." Ich setzte noch ein leichtes Lächeln oben drauf - Und wieder einmal hatte mein unschuldiger Blick seine Wirkung nicht verfehlt. Der Dekan seufzte leise: "Steven, ich habe dich eigentlich gar nicht herein gebeten. Wir klären das später noch einmal. Gehe jetzt, bitte. Und Sie beide können auch gehen. Aber Sie wissen, dass ich näheren Kontakt zwischen Dozenten und Studenten nicht gerne sehe. Ich werde Sie im Auge behalten." Hannibal nickte, stand auf und verließ ohne ein weiteres Wort hinter Steven das Büro. Ich folgte den beiden...
Draußen tigerte Hannibal durch das Foyer, wirkte etwas verloren. Was er wohl gerade dachte? Sein Blick fiel auf mich. Er ging an mir vorbei und hauchte: "Folge mir." Ich folgte ihm nach draußen in den Innenhof. Und von dort aus in das kleine Wäldchen dahinter...

Hannibal blieb stehen. Er lehnte sich an einen Baum und musterte mich: "Das hast du wirklich sehr gut gemacht." Ich grinste: "Dabei hasst du doch das Lügen so." Er seufzte: "Ja, schon. Aber diesmal muss ich mich damit abfinden. Ich möchte dich ungern wieder hergeben..." Plötzlich zog er mich an sich und legte seine Lippen auf meine. Ich ließ ihn gewähren. Seine Hand wanderte an meinem Rücken hinab, kroch langsam unter mein Shirt. Ich murmelte: "Hannibal, nicht hier..." Er löste sich seufzend von mir: "Vielleicht sollte ich kündigen. Dann kann ich endlich wieder offener sein. Ich hasse es, zu lügen!" Ich sah ihn an, legte meine Hand an seine Wange: "Nein, bitte nicht. Bitte bleib hier bei mir. Lass mich nicht mit Steven alleine. Ich weiß, das ist eigentlich deine Entscheidung und ich habe da eigentlich nichts zu sagen, aber..." "Mach dir keine Sorgen wegen Mr. McLaren. Wir werden noch eine Lösung finden. Und jetzt müssen wir wohl los...", erwiderte er. "Darf ich heute Abend wieder zu dir?" In seinen Augen funkelte kurz etwas. Dann sah er mich an: "Leider nicht. Ich habe noch einen äußerst wichtigen Termin. Aber ich bringe dich nachher nach Hause, versprochen. Ist das auch in Ordnung?" Ich nickte seufzend. Es war irgendwie schade. Aber wenn es so wichtig war, dann musste ich mich damit abfinden.
Ich drückte mich noch einmal an ihn, legte die Arme um seinen Stiernacken und murmelte: "Ich liebe dich. Bis später." Seine Hand fuhr in rhythmischen Zügen über meinen Rücken und ich fühlte seine Lippen kaum merklich auf meinem Haar: "Bis später, mano Vaikaş." Ich wendete mich ab: "Warte noch einen Moment hier, Hannibal. Dann fällt es nicht so sehr auf, dass wir schon wieder zusammen weg waren..." Er nickte und schweren Herzens ließ ich ihn zurück.
Es war immer wieder ein Kampf, Hannibal allein zu lassen. Am liebsten wäre ich den ganzen Tag nicht von seiner Seite gewichen! Doch hätte ich das wirklich getan, dann hätte ich vielleicht auch schon viel früher etwas Wichtiges erkannt...

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