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In den nächsten Tagen lief alles relativ schlecht für mich. Ich verhaute eine Klausur nach der anderen, weil ich mit den Gedanken ganz bei Hannibal war. Ich konnte mich einfach nicht konzentrieren! Nicht einmal Constanze bekam mich in meiner imaginären Welt mit Hannibal zu fassen: "Irene! Irene, du träumst schon wieder! Hey, ich rede mit dir!" Sie fuchtelte mit der Hand vor meiner Nase herum. Ich schüttelte kurz den Kopf: "Was... was ist denn?" "Das fragst du mich? Seitdem Dr. Lecter nicht mehr unser Dozent ist, bist du noch unaufmerksamer als sonst. Was ist denn los mit dir?" Ich seufzte gequält auf: "Ach, Conni - ER FEHLT MIR SO SEHR!" Auch sie seufzte: "Das kann ich dir nicht verdenken. Ich habe es jedes mal gesehen, wie ihr euch in seinen Vorlesungen angesehen habt. Er hat dich angelächelt, du wurdest rot und hast weggesehen, dann hat er geschmunzelt. Ich habe es auch mitbekommen, dass er zu gerne deinen Arm streift, wenn er an dir vorbei ging..." Ich sah verlegen weg: "Das... hast du gesehen?" Sie lachte leise: "Natürlich habe ich das gesehen! Du bist meine beste Freundin, fast schon meine Schwester! Ich kenne dich viel zu gut, als dass du etwas vor mir verheimlichen könntest." Sie nahm mich spontan in den Arm: "Hör mal, wir haben heute nachmittag Vorlesungsentfall. Warum gehst du ihn nicht spontan besuchen? Ich bin sicher, er würde sich freuen, wenn ihm "sein Mädchen" einen kleinen Besuch abstattet." Ich sah sie geschockt an: "Woher weißt...?" Sie verdrehte die Augen: "Ich bin nicht taub, Irene. Ich habe ihn schon verstanden, als er das einmal zu dir sagte, selbst wenn er nur geflüstert hat. Und ich muss sagen, er hat recht damit." Ich lächelte schüchtern: "Ja, er hat sehr oft recht..." Wir lachten und gingen in die für heute letzte Vorlesung: "Irene, versprich mir, dass du jetzt etwas aufmerksamer bist. Tu es für deinen Doktor." Ich nickte: "Versprochen." Und ich hielt mein Versprechen...

Drei Stunden später stand ich vor Hannibals Tür. Auch wenn er unangemeldete Besuche verabscheute - Meine Sehnsucht nach seiner monumentalen Präsenz wurde einfach zu groß! Daher klopfte ich zaghaft an. Doch er öffnete nicht. Ich wartete zehn Minuten, klopfte erneut - Aber er öffnete einfach nicht. Vielleicht war er ja gar nicht Zuhause. Vielleicht war er ja noch in seiner Praxis. Aber da wollte ich dann doch nicht unangekündigt hereinschneien, daher drehte ich mich um und ging nach Hause. Ich musste dort eh mal wieder etwas aufräumen und damit ließ sich bestimmt etwas Zeit totschlagen. Ich würde Hannibal nachher anrufen, falls er sich nicht eher bei mir meldete...
Vor meiner Tür lag eine weiße Rose. Mit leicht zur Seite geneigtem Kopf und einem Lächeln auf dem Gesicht hob ich sie hoch und sog ihren frischen Duft ein. Dann fiel mein Blick auf die kleine Karte daneben. Ich ahnte zwar schon, von wem diese kleine Aufmerksamkeit war, doch ich las:

"Für meine unschuldige, doch so tapfere Irene. Ich muss heute etwas länger in der Praxis bleiben, bitte verzeih mir. Ich werde dich nach der Arbeit besuchen kommen, versprochen.

In Liebe,
Hannibal"

Ich liebte seine Schrift! Sie war so einzigartig geschwungen, ich würde sie überall wiedererkennen, das wusste ich. Nun hatte ich es allerdings eilig. Schnell schloss ich die Tür auf und trat in mein Haus. Ich musste wirklich dringend einmal aufräumen! Hannibal liebte Ordnung und diese war hier in meinem Chaos leider gar nicht mehr zu erkennen. Aber alleine würde ich das bestimmt nicht schaffen. Daher eilte ich zum Telefon: "Martensen?" "Hey, Conni, ich bin es..." Sie klang verwundert: "Irene? Du bist mal Zuhause?" Ich verdrehte die Augen: "Witzig... Ich brauche deine Hilfe..." Sie lachte kurz, wurde aber sofort wieder ernst: "Schieß' los, Süße!" "Hannibal möchte mich nach der Arbeit besuchen..." "Ihr werdet also ausnahmsweise einmal die Nacht in deinem Haus verbringen?" Ich spürte, wie die Hitze in meine Wangen kroch: "Davon gehe ich aus." "Und wobei soll ich dir nund helfen?" Irgendwie war es mir nun peinlich, Constanze um Hilfe zu bitten. Meine Stimme wurde leiser: "Könntest du... kurz vorbeikommen und... mir etwas beim... aufräumen helfen? Das ist so viel und... naja..." Sie lachte. Diesmal länger und lauter als eben: "Irene... Warte, ich komme vorbei..." "Wirklich?" "Na klar! Dafür sind Freunde doch da!" Mir fiel ein Stein vom Herzen: "Oh, danke, Conni - Was wäre ich nur ohne dich?!" "Nun ziemlich aufgeschmissen, würde ich sagen. Ich bin gleich bei dir..." "Okay, bis gleich.", erwiderte ich und legte auf. Dann begann ich schon einmal, etwas aufzuräumen.
Keine halbe Stunde später stand auch schon Constanze vor der Tür: "So, da bin ich... Herrje, wie sieht es denn hier aus?! Man merkt doch, dass du immer öfter des Nachts woanders bist..." Sie grinste und ich knuffte ihr in die Seite. Wir lachten beide kurz und machten uns dann gleich ans Werk. Es sollte alles perfekt sein, wenn Hannibal nachher kam...

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