13.

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Kälte. Nichts als Kälte in diesem Raum. Unten sitzen sie, die grausamen Bestien. Sie lauern auf uns, beobachten uns wie Raubtiere ihre Beute.
Ich zitterte. Neben mir zitterte ein kleinerer Körper. Meine einzige Quelle der Wärme - meine kleine Schwester: "Hannibal... kalt.", wimmerte sie. Ich drückte sie näher an mich: "Shh... Mischa. Du musst ganz leise sein. Sie dürfen uns nicht hören..." Mischa hustete. Sie war krank, das konnte ich riechen. Eine Bestie knurrte von unten: "Ruhe da oben!" Mischa wimmerte wieder, ich flüsterte ihr ins Ohr: "Keine Sorge. Wir schaffen das..." Dabei war ich mir selbst nicht mehr so sicher.
Plötzlich kam einer dieser Riesen zu uns nach oben: "Du da!" Er machte Mischa von der kalten Kette los und trug sie nach unten. Ich versuchte sie zu schützen, doch ich bekam etwas an den Kopf. Ich hörte ihre Stimme, nun schrie sie: "HANNIBAL!" Dann schrie sie nur noch, bis das Schreien abrupt erstarb. Mir wurde schwarz vor Augen...
Als ich die Augen öffnete, blickte ich in ein paar brauner Augen: "Doktor..." Die Augen gehörten meiner Studentin Irene Pawlow. Ich konnte nicht umhin, sie anzulächeln: "Hallo, Miss Pawlow." Sie gab ihren Begrüßungsversuch auf und grinste nur noch. Ich schob mein Gesicht etwas näher zu ihr, so dass uns dennoch gut vierzig Zentimeter Luft trennten. In ihren Augen funkelte etwas. Ich konnte mir zwar denken, was dieses Funkeln zu bedeuten hatte, doch ich wollte kein Risiko eingehen. So verharrte ich, erwiderte ihren Blick, bis sie mir zu nickte. Sanft zog ich sie näher zu mir heran, da vernahm ich mehrere Stimmen. Die erste flüsterte: "... Er entführt seine Opfer ..." Die zweite Stimme fügte hinzu: "... Er tötet sie ..." Und die dritte Stimme ergänzte: "... Er verspeist sie ..." Ich sah verwirrt zu meiner Studentin, die mich böse ansah. In ihren Blick las ich Verachtung, dann fragte sie: "Hat der Chesapeake Ripper wieder zugeschlagen? Ich bin mir sicher, er hat es getan." Ich starrte sie nur noch an...

Ich wachte auf. Ich wischte mir die Schweißperlen von der Stirn und mir wurde klar: Ich musste einen Alptraum gehabt haben! Das Szenario mit meiner Schwester war nichts neues mehr für mich, doch Irene - Ich fragte mich plötzlich, ob sie es herausfinden könnte. Ob sie mich doch schon mehr kannte. Hatte ich ihr bereits zu viel von mir gezeigt? Ich wusste es nicht. Und diese Unwissenheit ließ mich auch die nächste Zeit noch wach liegen. So entschloss ich mich zu einem nächtlichen Spaziergang. Das hatte ich schon des Öfteren gemacht.
Ich zog mir das Hemd und die Hose wieder an, dann lief ich in die Küche und trank noch ein kleines Glas Wein. Ich ging zu meinen Schuhen, schlüpfte hinein, setzte meinen weißen Hut auf und machte mich gleich danach auf den Weg...

Es war so ruhig! Nur das leise Wehen des Windes hallte in meinen Ohren. Die Luft war ziemlich abgekühlt, fühlte sich gut an! Ich krempelte die Ärmel hoch. Dann sog ich tief die Luft ein. Ich roch den Müll, der in den Tonnen an der Straße stand. Angewidert verzog ich das Gesicht und schlenderte die leere Straße entlang. Irgendwann kam ich am Haus von Irene Pawlow vorbei. Ruhig lag es da - und diese Ruhe wirkte sich auch auf mich aus. Für den Moment konnte ich den Traum wieder vergessen und spazierte weiter. Plötzlich vernahm ich einen leisen Hilferuf. Erst dachte ich, ich hätte mich verhört, schüttelte den Kopf und glaubte, es sei der Wind gewesen. Doch als ich den Ruf dann noch einmal hörte, da war ich mir sicher! Da war jemand in Gefahr! Und die Stimme der Person war mir sehr bekannt! Meine Schritte beschleunigten sich, mein Herz begann zu pochen. Der Ruf schien nur ein paar Straßen weiter, mehr und mehr panisch. Ich kam zu einer Gasse und erschrak.
Eine Gruppe halbstarker Jugendlicher hatte sich um eine junge Frau versammelt, ein blonder Junge drückte sie an die Häuserwand vor sich. Er grinste schmierig, dann knallte er ihren Kopf an die Wand: "Halt endlich dein beschissenes Maul!" Ich runzelte die Stirn. Ich wusste genau, was er vor hatte! Die anderen Jungen grölten und riefen irgendwas. Ich erkannte Irene Pawlow, die nun benommen zu Boden sank und ein Knurren drang tief aus meiner Kehle. Langsam ging ich auf die Kerle zu, packte einen und biss ihm die Kehle durch. Er sank zu Boden. Ein anderer schrie auf und alle flohen panisch. Alle, bis auf den blonden, der nun über Irene hockte. Ich trat zu ihm: "Es schickt sich nicht sonderlich, ein wehrloses Mädchen auf solch brutale Art und Weise zu demütigen! Vor allem dann nicht, wenn sie unter meinem Schutz steht!" Der Junge sah mich kurz erschrocken an, dann richtete er sich auf und musterte mich: "Moment mal... sind Sie nicht dieser neue Dozent?!" Ich sah ihn erst anteilnahmslos an, dann knurrte ich: "Lassen Sie gefälligst das Mädchen in Ruhe, Dwight Johnson! Gehen Sie nach Hause und schlafen Sie Ihren Rausch aus!" Nun endlich sah auch er die Leiche hinter mir. Er riss die Augen auf: "Was... was haben Sie mit ihm gemacht?!" "Dasselbe, was ich mit Ihnen machen werde, wenn Sie Miss Pawlow nicht unverzüglich in Ruhe lassen!" Er nickte, ich lächelte: "Braver Junge." Nun wurde ich wieder ernst: "Ich möchte Sie nie wieder auch nur in ihrer Nähe sehen! Haben wir uns verstanden, Dwight Johnson?" Er nickte. Unter seinem Alkoholgeruch konnte ich Panik riechen. Es freute mich immer wieder, dass ich Menschen so in Panik versetzen konnte. Schließlich ließ ich ihn mit einem Kopfnicken gehen: "Gehen Sie ins Bett, Mr. Johnson. Sie haben morgen doch bestimmt wieder sämtliche Vorlesungen und es schickt sich nicht, wenn man dabei einschläft." Er nickte und taumelte so schnell er konnte davon. Ich sah ihm hinterher, dann ging ich zu Irene. Ich hockte mich neben ihr auf den Boden und neigte leicht den Kopf, als ich Blut riechen konnte. Sie hatte eine Platzwunde am Hinterkopf. Ich musste ihr helfen! So nahm ich sie kurzerhand in meine Arme und hob sie hoch. Aber wohin sollte ich sie tragen? Zu mir nach Hause? Nein, sie würde Panik bekommen, wenn sie aufwachte. Das galt es zu verhindern! In ihrer Hosentasche fand ich einen Schlüssel. Ich vermutete, dass dies ihr Haustürschlüssel war. Ich ließ ihn flink in meine Hosentasche gleiten, dann machte ich mich, mit Miss Pawlow im Arm, auf den Weg zu ihrem Haus...

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