Guten Tag! (Oder Abend, je nachdem, wann du das liest)Ich hoffe, der Prolog hat euch gefallen. Jetzt kommt das erste richtige Kapitel. Ich hatte es vermisst, in Monas Kopf zu sein. Ich hoffe, ihr auch.
Bis zum nächsten Kapitel (jetzt kann ich das endlich wieder sagen!)
Eva x
Ich werde nie verstehen, wie die Zeit funktioniert.
Sicher, man kann sie messen, durch Uhrzeiten, Daten und so weiter. Aber unser Herz hat immer noch seine ganz eigene Weise, sie zu messen.
Als ich zum Beispiel vor zehn Monaten erfahren habe, dass meine Schwester entführt wurde, stand die Zeit still. Die Zeit, ich ich im Labyrinth verbracht habe, kommt mir verschwommen vor, als hätte ich es nur geträumt. Als Chaz mir gesagt hat, er würde mit mir Schluss machen wollen, ging plötzlich alles viel langsamer.
Doch dieser Sommer ging viel zu schnell vorbei.
Ich will nicht zurück in die Schule.
Das ist ein Satz, der jedem typischen Teenager schon mal rausgerutscht ist, doch ich will nicht einfach nur nicht in die Schule zurück, weil ich zu faul bin, um mich ordentlich anzustrengen. Nein.
Ich will nicht in die Schule zurück, weil in die Schule zurückgehen heißen würde, dass ich mich all den Problemen stellen muss, vor denen ich den ganzen Sommer lang geflüchtet bin.
Lasst uns uns mal nicht selber anlügen: Sommer sind in erster Linie noch nicht einmal zum Entspannen da, sondern zum Vergessen. Im Sommer findet so eine Art Wiedergeburt in uns statt, und dann sind wir bereit für das neue Schuljahr.
Doch heute ist mein letzter Ferientag, und ich fühle mich ganz und gar nicht bereit.
Seufzend krame ich Klamotten aus meinem Kleiderschrank und werfe sie dem Hilfsroboter zu, der sie wiederum in meinen Koffer faltet. Packen fürs Kriegerzentrum ist leicht, ich muss einfach nur all meine schwarzen Klamotten heraussuchen. Als ich damit fertig bin, greife ich nach meinem Schwert, das auf meinem Nachttisch liegt. Gedankenverloren streife ich über die schwarze Klinge, und ich kann nicht umhin, als ein bisschen Aufregung beim Anblick meiner Lieblingswaffe zu verspüren. Wenigstens wird diese bald wieder einen richtigen Nutzen haben und nicht nur als Nachttischdekoration dienen.
Ich lasse das Schwert fast fallen, als mein Pad anfängt, zu vibrieren. Jemand ruft mich an. Stirnrunzelnd lege ich das Schwert auf mein Bett und greife nach dem Pad.
Wer könnte das wohl sein? Mit Cindy und Clay habe ich schon eben ein Videogespräch gehalten, und meine anderen Freunde sind nicht die Art von Personen, die unbedingt direkt mit mir sprechen wollen würden. Vor allem nicht einen Tag, bevor wir uns eh alle wiedersehen.
Das Herz rutscht mir in die Hose, als ich Chaz' Namen auf dem Display erblicke. Warum ruft er mich an? Wir haben den ganzen Sommer kein Wort miteinander gesprochen. Wir wussten, dass dies für beide zu schmerzvoll sein würde.
Mit zitternden Fingern erwidere ich seinen Anruf. Ich spüre, wie meine Handflächen anfangen, zu schwitzen, und ich mich plötzlich ganz wackelig fühle.
Es ist unglaublich, wie sehr mich seine Nähe immer noch beeinflusst, selbst jetzt, wo ich ihn Monate lang nicht gesehen habe.
Sein Gesicht erscheint auf dem Bildschirm, und mein Herz macht einen Sprung. Er scheint diesen Sommer viel draußen gewesen zu sein, denn er hat noch mehr Sommersprossen als sonst. Seine langen Wimpern umrahmen seine leuchten blauen Augen. Augen, die mich anstrahlen.
„Hey.", sagt er.
Ich hatte vergessen, wie schön seine Lippen sind. Und wie angenehm es ist, sie zu küssen. Sogleich fluten Erinnerungen auf mich ein, und ich kann mich nur mit Mühe durch diesen Strom hindurchkämpfen.
Tief durchatmend versuche ich, locker zu wirken. Er ist tausende von Kilometern entfernt von mir, kein Grund, nervös zu sein.
Du schaffst das, Mona. „Hey.", grüße ich ihn zurück. Wow. Ich habe es gerade mal geschafft, ein Wort herauszubringen. Ich, Monique Vasquez, die es geschafft hat, Kings zu überleben, kriege es noch nicht einmal hin, mich mit meinem Freund zu unterhalten.
Falls er das überhaupt noch ist.
„Bist du noch mein Freund?", rutscht es mir heraus.
Chaz hebt amüsiert die Augenbrauen. Er sieht so heiß aus, wenn er das macht. Gott, ich vermisse ihn. „Bitte was?"
„Du weißt schon, was ich meine."
Er seufzt. „Ja, das weiß ich, und das ist auch der Grund, warum ich dich angerufen habe."
„Nicht, weil du einfach wissen wolltest, wie es mir geht?" Obwohl die Worte als Witz gemeint sind, kann ich nicht umhin, als sie ein bisschen ernst zu meinen.
„Doch, das natürlich auch." Er lächelt leicht. „Mona, wir müssen uns hier auf irgendetwas einigen."
„Wie meinst du das?" Ich spüre, wie sich ein unangenehmes Gefühl in meinem Magen ausbreitet.
„Ich möchte keine Fernbeziehung. Ja, du liebst mich, ich liebe dich, aber zu einer Beziehung gehört viel mehr als nur sich lieben, und das können wir uns gegenseitig nicht geben. Es würde uns verletzen, es überhaupt zu versuchen."
Ich widerspreche nicht, weil ich weiß, dass er Recht hat. „Also was schlägst du vor?"
„Ab dem Beginn des neuen Schuljahres, also morgen, versuchen wir beide, einen Weg zu finden, um mich wieder in das Ostweststate-Kriegerzentrum zu bringen. Wir dürfen uns nicht gegenseitig kontaktieren, bis mindestens einer von uns einen Weg gefunden hat." Er wirkt überzeugt, doch ich bin es nicht.
„Ich weiß nicht, ob ich das durchhalten kann, Chaz.", sage ich ehrlicherweise.
„Hör zu, Mona, du musst es so sehen: Wenn rein theoretisch gesehen niemand von uns einen Weg findet, so wäre es nicht schlimm, nicht wahr? Dadurch, dass wir uns nie mehr kontaktieren, werden wir uns langsam, aber sicher, vergessen. Wenn du aber einen Weg findest, dann ist deine Belohnung, dass du mich kontaktieren darfst, um mir davon zu erzählen. Verstehst du? So hast du nichts zu verlieren."
Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und werfe ihm einen verletzten Blick zu. „Ja, nichts außer dich."
Er presst die Lippen aufeinander. „Mona..."
„Ja, was, Chaz?! Es stimmt doch! Stell dir vor, keiner von uns findet jemals eine Möglichkeit, dich zurückzuholen, und wir sprechen uns nie wieder. Ich habe dir damals keine Liebeserklärung gemacht, um jetzt zu erfahren, dass ich vielleicht den Rest meines Lebens ohne dich verbringen werde!" Nach einem kurzen, betretenen Schweigen füge ich hinzu: „Ich weiß nicht, ob ich das kann."
„Was möchtest du denn lieber, Mona? Dass wir in Kontakt bleiben, zusammen bleiben, ohne jemals wirklich zusammen zu sein? Ich bezweifle, dass du dir die nächsten Jahre deines Lebens wirklich so vorgestellt hast, eine Verpflichtung zu jemandem zu haben, der tausende von Kilometern weiter entfernt wohnt."
Ich habe so viel zu sagen, doch kein Wort entweicht meiner Kehle. Als ich nichts erwidere, fügt Chaz schon fast flehentlich hinzu: „Bitte, Mona. Du weißt, dass meine Alternative für unseren Fall die beste ist."
„Was ist, wenn ich dich für immer verliere?", flüstere ich. Meine Augen sind feucht. Woher kommen schon wieder die ganzen Tränen her?
„Was ist, wenn du mich zurückbekommst und wir uns näherstehen werden als je zuvor?", erwidert er. „Ich liebe dich, Mona, und ich glaube, dass wir das schaffen können. Ich glaube an uns."
Eine halbe Ewigkeit vergeht, bevor ich schließlich nicke. „Dann tue ich das auch."
Ein Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. „Wirklich?"
Ich nicke erneut und kann nicht anders, ich erwidere sein Lächeln. Es war schon immer so ansteckend. „Wirklich.
„Na dann, hoffentlich bis bald, Mona."
„Bis bald, Chaz."
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Monique Vasquez: Der Junge, der verloren ging
Science Fiction-zweiter Teil der MONIQUE VASQUEZ Serie- Nach einem erholenden Sommer ist Mona zurück im Kriegerzentrum. Ihr Hauptziel ist es eigentlich, Chaz Sommers zurück in ihr Leben zu bringen, doch viele andere Probleme stellen sich ihr in den Weg, und es...