Drinnen werden wir von der üblichen lauten Musik empfangen. Ich sehe mich um: Jungs und Mädchen, wie auf allen anderen Partys miteinander tanzend. Der einzige Unterschied: Die Geschlechter bleiben unter sich. Sie tanzen unter sich, flirten unter sich.
Ich unterdrücke einen Seufzer und schenke Brian ein Lächeln, das hoffentlich nicht zu gequält aussieht. „Na dann, viel Spaß beim Tanzen."
Er drückt meine Hand und sieht mich mit einem Welpenblick an. „Kommst du nicht mit?"
„Das schaffst du auch alleine, Brian," erwidere ich, spielerisch die Augen verdrehend. „Ich geh mir einen Drink holen."
Er nickt mir zu und verschwindet inmitten der tanzenden Körper, und ich mache mich lustlos auf den Weg zur Bar.
An der Bar angekommen mache ich gähnend meine Bestellung: „Einen Gin Tonic, bitte."
Der Barkeeper sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Und wie alt bist du denn bitte?"
Ich muss zugeben, seine Frage überrascht mich ein wenig. Offiziell ist Alkohol zwar unter achtzehn Jahren verboten, aber daran hält sich kein Schwein. Warum auch? Die Welt ist zu scheiße, um sie ohne Alkohol zu überleben.
Abgesehen davon habe ich mich geschminkt. So jung kann ich doch gar nicht aussehen, oder? Außer er fragt mich das, weil ich so unwohl aussehe. Wenn das der Fall ist, muss ich ihm ganz einfach beweisen, dass ich mich freue, hier zu sein.
Ich schenke ihm ein falsches Lächeln. „Alt genug."
„Wenn du meinst, Mädchen." Er schnaubt abfällig, widerspricht aber nicht weiter, sondern entfernt sich, um mir mein Getränk zu mischen.
Ich sehe mich zum zweiten Mal heute Abend um, dieses Mal genauer. Es ist ungewöhnlich, so viele Leute mit bunten Klamotten zu sehen. Krieger tragen immer schwarz, oder wenigstens Farben im dunkleren Bereich der Farbpalette. Außerdem ist es allgemein leiser, und die Leute scheinen höflicher miteinander umzugehen: Ich sehe keine Streite, niemand hier schreit. Dazu kommt auch noch, dass niemand hier Gewehre bei sich trägt.
Lächelnd schüttele ich den Kopf über mich selber. Vor weniger als zwei Jahren waren das hier noch normale Umstände für mich. Jetzt schaue ich mich hier um, als wäre ich in einem Zoo.
Als der Barkeeper wieder mit meinem Drink zurückkommt, hat sich ein Mann zu mir gesellt. Er sieht um die 20 aus, in Senator Jacks Alter vielleicht, und zwinkert mir zu in einer Art, die er wahrscheinlich für verführerisch hält.
Ich beschließe, nicht zu reagieren, und drehe ganz einfach den Kopf weg. Warum sollte ich mich auf dieses Schwein konzentrieren, wenn ich ein geiles, frisches Getränk vor mir liegen habe?
„Na, hast du einen Namen?"
Ach, der Typ kann sprechen.
„Ja, aber den brauchst du nicht zu kennen." Mein Lächeln in seine Richtung ist knapp und sarkastisch, und ich rutsche zwei Sitzplätze weiter.
Erst, als der Mann mir folgt, einen Arm um mich legt und in säuselnder Stimme sagt: „Hast du Angst vor mir? Warum hast du denn Angst vor mir? Ich bin doch ganz lieb....", wird mir klar, dass er betrunken ist. Sehr betrunken.
Hastig überlege ich, wie ich aus der Situation rauskommen soll. Der Kriegerin in mir fallen schon um die dreißig verschiedenen Kinnhaken ein, die ich von dieser Position aus anwenden könnte, um ihn k.o. zu schlagen. Doch heute Abend bin ich, wie ich es Brian versprochen habe, nicht Mona, die Kriegerin, sondern Niqua, das normale Mädchen. Wie verteidigen sich normale Menschen gegen perverse Schweine?
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Monique Vasquez: Der Junge, der verloren ging
Science Fiction-zweiter Teil der MONIQUE VASQUEZ Serie- Nach einem erholenden Sommer ist Mona zurück im Kriegerzentrum. Ihr Hauptziel ist es eigentlich, Chaz Sommers zurück in ihr Leben zu bringen, doch viele andere Probleme stellen sich ihr in den Weg, und es...