Kapitel 19 - Vertrauen

14.1K 1K 46
                                    

Jack

Ihr verständnisloser und verwirrter Blick gemischt mit der Trauer und dem Schmerz meines Verrates, versetzen mir einen unglaublichen Stich ins Herz, der nur noch durch die Schuldgefühle überlagert wird, die mir zu verstehen geben, dass es meine Schuld ist, dass sie ihre Miene sich vor Schmerzen so verzerrt. Die Realisation, dass ich meiner Mate erneut Schmerzen zugefügt habe, tut unglaubich weh.

Habe ich es nicht beim ersten Mal verstanden, welche katastrophalen Folgen solche Dummheiten von mir haben können? Reicht es nicht, dass ich einmal mein Glück herausforderte? Denn bei solchen Wahrscheinlichkeiten ist die Chance, dass ich ein zweites Mal gewinnen werden einfach zu klein, als dass ich noch einmal setzen könnte.

Jamie hat sich mittlerweile in ihrem Bett aufgesetzt und sich leicht rückwärts bewegt, bis sie mit dem Rücken die Wand am Kopfende des Bettes berührt hat. Ihre Knie sind zu ihrem Körper gezogen und sie wirkt in diesem Moment so viel kleiner und zerbrechlicher als noch am vorherigen Abend. Sie Unsicherheit und der Schmerz sind deutlich in ihrer Haltung zu sehen und ich muss schwer schlucken.

Erst in diesem Moment verstehe ich wirklich, warum sie so verletzt ist. Nicht wegen der Berührung, die sie ja nicht einmal mitbekam, sondern aufgrund des Wissens, dass ich es war, der sie berührt hat. Erst jetzt wird mir bewusst, welches Vertrauen sie in mich hat. Oder hatte.
„Es tut mir leid..." setze ich an. Die typische, schwache Antwort, wenn man nicht mehr weiter weiß und keine Ahnung hat, wie man vorgehen könnte, um aus dieser Situation herauszukommen. Ich habe keinen Plan, was ich tun oder sagen soll, um sie nicht noch weiter zu verletzen. Was soll ich sagen? Ich weiß ja, dass ich es versaut habe, doch meine Entschuldigungen ändern die Wahrheit auch nicht mehr.

Verzweifelt greife ich mir in die Haare und spreche einfach weiter: „Ich habe nicht nachgedacht und du bist einfach plötzlich eingeschlafen und dein Kopf ist auf meiner Schulter gelandet und ich wusste nicht was ich tun sollte." Jamies Blick ist emotionslos und trotzdem kann ich die Unsicherheit spüren, die wie in Wellen von ihr ausströmt, so als wüsste sie genauso wenig wie ich, wie sie in diesem Moment fühlen oder handeln soll.

„Ich wusste nicht, wie ich handeln sollte, denn ich konnte dich doch nicht auf dem Stuhl liegen lassen die ganze Nacht. Aber so dableiben konnte ich doch auch nicht. Es wäre vermutlich noch viel schlimmer gewesen, wenn du an meiner Schulter gelehnt aufgewacht wärst." Meine Stimme klingt flehentlich und obwohl ich es merke, kann ich nichts dagegen tun. Ich will sie dazu bringen, zu begreifen, warum ich getan habe, was ich tat, auch wenn ich selbst nicht vollkommen sicher über den Grund bin. Sie muss mir verzeihen, ich kann sie nicht verlieren. Nicht jetzt. Nicht so.

Meine letzten Worte versetzen mir selbst einen Stich im Herzen. Der Gedanke, dass es für sie schlimm ist, wenn sie mich berührt, während in mir alles danach drängt, ihre Nähe zu spüren.
Mit jeder Sekunde, die ich mit ihr verbringe, wir die Sehnsucht nach ein bisschen Zuneigung, ein bisschen Nähe stärker und der Schmerz der Trennung stärker. Mit jeder Sekunde, in der ich sie nicht berühren darf, wird die Einsamkeit, die Sehnsucht und der Schmerz größer. Mit jeder Sekunde in ihrer Nähe werde ich glücklicher und zugleich trauriger, denn sie bleibt stets eine Armlänge von mir entfernt. In greifbarer Nähe, aber trotzdem nicht fassbar. Mit jeder Sekunde verliebe ich mich mehr in sie.

„Ich weiß, dass es falsch war. Dass du das nicht wolltest und immer noch nicht willst. Ich weiß, dass ich dich damit tief verletzt habe und die vielleicht sogar Angst gemacht habe. Und vor allem weiß ich, wie sehr ich dein Vertrauen missbraucht und verletzt habe. Und das tut mir unglaublich leid. Ich will, dass du das weißt, wie leid es mir tut. Wie leid es mir tut, dass ich diese Dinge falsch mache. Es ist ein Fehler gewesen und ich bereue ihn zutiefst."

Nach meinem Redeschwall blicke ich ihn wunderschöne Augen und muss mich darauf konzentrieren, mich nicht mit meinen Gedanken in den Tiefen dieser Augen zu verlieren. Es fällt mir schwer, denn in mir drängt alles danach, diesem Konflikt aus dem Weg zu gehen und nicht zu erfahren, was ihre Antwort ist, aus Angst, dass es nicht diejenige ist, die ich hören will. Doch ich halte dagegen an, denn ich weiß, dass das Problem nicht verschwinden wird nur weil ich es ignoriere, auch wenn es einfacher wäre.

Mate - Schreie ohne VernunftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt