Kapitel 31 - Ende

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Jack

„Ihr habt was?", meine Stimme ist laut, als ich Monika anbrülle. Doch in diesem Moment wäre es mir egal, wenn die ganze Psychiatrie mich hören könnte. Monika scheint davon allerdings nicht wirklich beeindruckt zu sein. Mit verschränkten Armen steht sie vor mir und sie zuckt vor meinen lauten Worten nicht zurück. Ich glaube Schuldgefühle in ihren Augen sehen zu können, doch ihre Miene wirkt angestrengt neutral und glatt, als wolle sie jegliche Gefühle verbannen. In diesem Moment sehe ich allerdings nur die Erbarmungslosigkeit und die Gleichgültigkeit in ihrem Gesicht und ignoriere ihre eigenen Schuldgefühle, um die Schuld auf sie zu schieben.

Ich selbst kann nicht passiv oder ruhig bleiben. Ich schäume vor Wut. Wut auf die Person vor mir, die mir alles nehmen will – alles genommen hat –, was ich brauche. Ich ignoriere die Wut auf mich selber und kanalisiere alle meine Schuldgefühle auf die Person vor mir. Denn gleichzeitig bin ich voller Angst und kann das unruhige Zittern und das nervöse Gefühl, dass etwas falsch ist, nur schwer unterdrücken. Ich habe Angst, dass alles, was ich brauche, gerade aus meinem Leben verschwindet und ich es nie mehr zurückkriege. Ich habe Angst, dass dies das Ende sein könnte. Das Ende von allem. Das Ende von uns.

„Wir haben in eine andere Psychiatrie weggeschickt", antwortet mir Monika ruhig auf meine Frage. Ihre Haltung ist noch immer ruhig und gelassen und ich kann keinerlei unterliegende Angst in ihrem Geruch riechen, doch der stechende Duft von Schuld und Schmerz steigt mir in die Nase, den ich sogleich wieder ignoriere. Sie darf sich nicht schuldig fühlen oder Schmerzen erleiden, sie ist die Böse in dieser Situation, sonst müsste ich mir meine eigene Schuld eingestehen. Ich kann nicht verstehen, wie sie mir gegenüber so ruhig bleiben kann, wenn ich kurz davor stehe den Kontrollverlust zuzulassen und sie mir als meine Beute gegenüber stehen würde.

„Wieso hast du das getan?", ich brülle sie an und halte mein Knurren nur mit größter Mühe zurück. Meine Augen brennen und ich bin mir sicher, dass sie mittlerweile in einer anderen Farbe funkeln. Die Kontrolle entflieht mir immer mehr und der Drang ihr nachzurennen wird immer stärker. Doch der menschliche Teil weiß, dass es sein aussichtsloses Verfangen wäre, weil der Geruch von ihr verschwinden würde, sobald ich an dem Punkt ankomme, an dem sie in ein Auto gestiegen ist. Den tierischen Part interessiert dies allerdings nicht sehr und das Drängen in mir einfach loszurennen und sie zu suchen, steigert sich immer mehr. Meine Hände kribbeln, doch ich kann die Verwandlung nicht zu lassen. Ich brauche Antworten.

Monika schreckt nicht vor meinen glühenden Augen zurück, sondern funkelt mich zurück an. „Ich habe dir von Anfang an gesagt, was ich tun würde. Was ich tun werden muss. Ich habe dir gesagt, dass ich sie in eine andere Psychiatrie verlegen werden, wenn sie keine Fortschritte in einem Monat machen würde. Das war schon geplant, bevor du sie kennengelernt hast und sie hat sogar noch deutlich länger bekommen, als versprochen." Ihre Stimme ist ruhig. Doch genauso wie ihr Gesichtsausdruck wirkt es gezwungen und die Worte kommen aus zusammengebissenen Zähnen heraus.

„Aber sie hat doch Fortschritte gemacht!" Ich bin fassungslos und kann die Frau vor mir nicht wiedererkennen. Ihre Motive sind mir unbegreiflich und ihre Aktionen schmerzen mich. Doch ihre Worte sind es, die mich am meisten verwirren. „Laut dir hat sie Fortschritte gemacht. Doch alles, was ich gesehen habe, war ein immenser Rückschritt, der sie ins Krankenhaus befördert hat und sie Wochen gekostet hat, um sich wieder davon zu erholen." Die Worte fühlen sich an wie ein Schlag ins Gesicht und ich sacke ein wenig in mir zusammen. Die Wut in mir verschwindet leicht, um den Schuldgefühlen Platz zu machen, als mir klar wird, dass ich zuständig für die Rückschritte bin. Doch dann brause ich erneut auf.

„Du hast sie reden gehört. Mit mir. Du kannst mir nicht erzählen, dass dies nicht ein Fortschritt war." Meine Stimme ist ein wenig leiser als zuvor, doch noch immer weitaus lauter als in einem Flur einer Psychiatrie angebracht wäre. Doch mein Temperament geht mit mir durch und lässt sich nur schwer zügeln. „Ja, ich habe sie einmal reden hören. Zu dir. Zu mir hat sie noch nie ein Wort gesagt und sie war auch nicht willig dies zu ändern. Der einzige Fortschritt, der sich gezeigt hat, ist die Tatsache, dass wir nun wissen, dass sie biologisch imstande ist zu reden. Doch sie ist weder willig noch fähig dazu, mit mir zu reden." Ich schweige für einen Moment – unfähig die Worte zu verstehen, die aus Monikas Mund kommen. Sie sind unverständlich, denn ich habe die Fortschritte gesehen, die Jamie gemacht hat. Ich habe gemerkt, wie sie aus ihrer Schale herauskam und habe Tage meiner Zeit damit verbracht, um ihr zu helfen. Und nun soll das alles für nichts gewesen sein?

Mate - Schreie ohne VernunftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt