Kapitel 13 - Dunkelheit

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Jamie

Die Welt ist dunkel. Dunkler, als ich sie je erlebt habe. Dabei dachte ich, dass ich alle Nuancen der Dunkelheit und Grausamkeit erlebt habe. Doch dieser Ort ist trostloser und schlimmer als die vielen Momente zuvor. Ich spüre meinen Körper nicht und schwebe in dieser Dunkelheit, ohne einen Halt. Und ich bin vollkommen alleine. Erneut. Nirgends ist ein Jack, der mir mit einem Lächeln Wärme schenkt. Nirgends eine Larissa, die mich freundlich behandelt und keine Monika, die mit mir spricht und sich sorgt. Einfach niemand. Und es macht mir mehr Angst, als ich es je erwartet hätte. Ich dachte immer, ich wüsste, wie es sich anfühlt, alleine zu sein. Doch mir wird bewiesen, dass ich es nicht tue.

Nur meine Gedanken und ich sind hier. Sie bekommen viel zu viel Platz und ich will nicht denken. Es wird nur zu Schmerzen führen. Die Stille macht mich verrückt und ich möchte schreien, doch ich finde meine Stimme nicht. Nur langsam erlange ich meine Erinnerung zurück. Fetzenweise ziehen die Bilder an mir vorbei und würde ich meinen Körper spüre, würde ich bei jedem Bild aufzucken. Doch ich kann nicht zucken und nicht wegschauen, sondern muss sie betrachten.
Ich, in meinem Zimmer, wartend. Jack, der nie gekommen ist und meine Panik. Die Atemnot, die Schmerzen, die Angst. Die Schwärze.

Er ist nie aufgetaucht. Meine Gedanken kreisen nur um Jack. Er ist nicht gekommen. Bin ich ihm so unwichtig? Er hat mich alleine gelassen. Weshalb hat er sich dann immer um mich gekümmert? Er ist einfach gegangen. Er hat mich alleine gelassen. Ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen, bin mir einfach der Tatsache bewusst, dass Jack nicht aufgetaucht ist. Dabei weiß ich nicht einmal, warum er mir nicht mehr aus dem Kopf geht. Weil er mir nicht egal ist? Weil er da ist, wenn ich ihn brauche? Weil er mir etwas bedeutet? Dabei will ich nicht, dass er mir etwas bedeutet. Ich will nicht, dass ich ihn brauche und ich will nicht, dass er mir Schmerzen zufügen kann. Doch ich will nicht, dass er geht.

Die Dunkelheit hellt sich auf und auf einmal spüre ich meinen Körper wieder. Ein unangenehmes Kribbeln durchfährt mich, es beginnt bei den Zehen und breitet sich dann im ganzen Körper aus. Es schmerzt nicht wirklich, doch die Sensation fühlt sich ungut an. Als sollte es schmerzen, doch ich bin zu betäubt, um es wirklich zu spüren.

Ich erlange die Kontrolle über meine Glieder zurück, spüre wie meine Sinne wieder in Funktion treten und ich spüre, wie ich lebe. Geräusche ertönen, langsam werden sie lauter, als würde jemand die Lautstärke bei einem Radio erhöhen. Ich höre Menschen, die sich bewegen, leise Gespräche in der Nähe, doch ich verstehe keine Worte. Mein Verstand kann sich nicht genügend fokussieren, um die Worte zu entziffern und Sinn aus ihnen zu machen. Ein monotones Piepen dringt zu mir, welches schrill in meinen Ohren ertönt. Ich weiss nicht, woher es stammt und was es bedeuteten soll, doch es beunruhigt mich. Wo bin ich hier? Wo sind Larissa und Dr. Thompsen? Wo ist er?

Langsam schlage ich meine verklebten Augen auf und blicke direkt in ein gleißendes Licht, was mich erstmals blinzeln lässt. Ich brauche eine Weile, damit die Welt wieder klar erscheint. Über mir befindet sich eine weiße Decke, die man mal neu streichen sollte, da einige Flecken die Oberfläche verunreinigen. Meine Gedanken sind träge in meinem Kopf und ich denke länger über die Decke nach, als ich normal sollte. Ich versuche zu begreifen, wo ich mich befinde, doch ich finde keine Antwort. Es fällt mir schwer, nachzudenken und meine Erinnerungen fehlen mir noch. Mein Herzschlag fühlt sich unruhig in meiner Brust an. Die Welt fühlt sich ein wenig schwammig und unklar an, meine Gedanken sind langsam und klebrig in meinem Kopf. Ich weiss, dass ich Angst haben sollte und die Situation beunruhigt mich, doch die Gefühle erreichen mich noch nicht in dem Ausmasse, in dem sie sollten.

„Sie sind wach. Das ist sehr gut, wir dachten schon, sie wachen nie mehr auf", merkt eine männliche Stimme zu meiner Linken an. Mein Kopf schnellt ruckartig zum Geräusch hin und ich erblicke einen Mann in einem weißen Kittel neben meinem Bett. Augenblicklich beginnt sich meine Welt etwas zu drehen. Angst durchzuckt mich und mein Puls erhöht sich spürbar. Die Gefühle kehren langsam zurück, doch die Verwirrung und die Unsicherheit verschwinden nicht. Wo bin ich hier?

Mate - Schreie ohne VernunftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt