Kapitel 36 - Schicksal

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Ich atme tief ein und wieder aus, wobei die Luft meine Lunge mit einem zischenden Zittern verlässt. Das Geräusch bringt Jamie dazu, mich anzublicken. Ihre Augen sind fragend und unsicher. Mein Puls erhöht sich, ich fühle mein Herz in meinem Hals und das Blut in meinen Ohren rauschen. Ich habe unglaubliche Angst und war noch nie in meinem Leben so nervös wie in diesem Moment. Es fühlt sich an, als würde die Luft meine Lunge nicht mehr verlassen wollen und ich fühle mich erstickt, voller Panik und meine Brust ist eingeengt. Es ist ein schreckliches Gefühl der Enge, des Schmerz und dieser unendlichen Angst.

Was ich jetzt sagen muss, offenbaren muss, könnte uns für immer zerstören. Irreparabel. Eine Bombe, die hochgeht und in sekundenschnelle nur noch Zerstörung hinterlässt. Doch es führt kein Weg daran vorbei. Entweder werde ich die Bombe entschärfen können oder sie detoniert. Doch die Entscheidung über diese beiden Möglichkeiten wird nicht über Geschick oder Sorgfalt entschieden, ich kann sie nicht beeinflussen. Sie liegt einzig und allein an Jamie. Ich kann nur hoffen. Hoffen auf das Gute in der Welt, dass Jamie noch nicht vollends zerbrochen ist, dass sich noch ein Stück Mut und ein Stück Hoffnung in ihr befindet. Ich kann nur hoffen, dass sie mir vergeben wird.

„Jamie... Ich muss dir etwas sagen." Schon der Satz alleine verrät, dass nichts Gutes oder Angenehmes folgen kann. Es ist der verzweifelte Anfang, wenn man den Einstieg nicht finden kann und eigentlich keine Ahnung hat, wie man das Gespräch ins Positive richten könnte. Und genau das ist der Fall für mich. Ich habe keine Ahnung, wie ich die Worte aussprechen soll, wie ich dieses verhängnisvolle Gespräch beginnen könnte und wie ich ihr Vertrauen nicht zerbrechen lasse.

Jamie scheint es ebenfalls zu bemerken, denn ihre Augenbrauen ziehen sich verwirrt und unsicher zusammen. Die Stirn ist gerunzelt und ihr Mund zu einem Strich verzogen. Doch am schmerzhaftesten sind ihre Augen. Sie sind nicht mehr kalt und leblos, wie sie früher oft gewesen sind, sondern voller Leben. Ich erkenne die Angst, die Panik und die Trauer darin ohne Schwierigkeiten. Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen.

„Es ist eigentlich nichts Schlimmes, aber... Ich habe nur keine Ahnung, wie ich es sagen soll", versuche ich sie mit meinen Worten zu beschwichtigen und ihre Angst zu nehmen. Doch ich bin mir bewusst, dass das eigentlich in meinen Worten Jamie nicht wirklich stark beruhigt, aber ich kann sie nicht erneut anlügen. Auch diese Worte sind erneut viel zu nahe an einer möglichen Lüge und ich hasse mich dafür, aber ich kann sie nicht dabei zu sehen, wie sich ihre Angst immer weiter vergrößert.

Verzweifelt vergrabe ich mein Gesicht in den Händen, stehe mit einer schnellen Bewegung auf und versuche mich selbst zu beruhigen.

Ein- und wieder Ausatmen. Ein- und Ausatmen. Ein und aus. Ein, aus.

Ich wiederhole die Worte in meinem Kopf wie ein Mantra, doch die Gedanken rasen noch immer wie wild, meine Atmung geht schnell, unkontrolliert und die Worte verschwimmen. Erneut fokussiere ich mich auf meine Atmung. Langsam werde ich ruhiger, meine Atmung geht gleichmässiger, mein Herzschlag verlangsamt sich und ich kann endlich wieder aufblicken.

Jamie hat sich ebenfalls erhoben und steht nun starr vor mir. . Noch immer kann ich diese verdammte Unsicherheit und Angst in ihren Augen erkennen und es zerbricht mir das Herz, während sie unruhig um sich blickt. Das Heulen ist klar und deutlich in der Ferne zu hören. Erneut bringt mein harsches Ein- und Ausatmen Jamie dazu, zu mir zu blicken. Ihr Blick schnellt zu mir, ihre Haltung angespannt und vorsichtig. Sie hört das Geräusch, doch sie kann es nicht einordnen und ich tue offenbar nichts dagegen. Sie ist verwirrt, verängstigt und eingeschüchtert und es ist meine Schuld.

Ich sammle mich erneut und beginne zu sprechen, bevor ich noch weiter darüber nachdenken kann. Die Zeit darf nicht weiter verschwendet werden. „Jamie, du hörst doch dieses Geräusch? Dieses Heulen?" Ich nenne das Offensichtliche, doch ich weiß mir nicht anders zu helfen. Es würde nichts bringen, noch lange zu versuchen, das Essentielle zu umgehen.
Sie nickt, langsam und eingeschüchtert. „Du brauchst keine Angst der Quelle dieses Geräusches zu haben. Die machen nichts." Ich ringe um meine Worte und merke, wie ich versuche, die Wahrheit zurückzudrängen und aufzuschieben.

Mate - Schreie ohne VernunftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt