Kapitel 2 - Panik

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Mit einem Satz springe ich aus meinem Bett und renne so schnell wie es geht zu Mike. Sein Zimmer liegt nur wenige Meter neben meinem. Ich ignoriere meine Freunde, die ihre Köpfe verschlafen aus ihren eigenen Zimmern herausstrecken, um zu sehen was los ist und laufe mit großen Schritten in Richtung meines besten Freundes. Ruckartig öffne ich die Tür, betrachte für einen Moment erschrocken die Szene vor mir und breche dann sogleich in lautes Gelächter aus.

Meine kleine Schwester sitzt kichernd auf Mikes Oberkörper. Melanie, Mikes Freundin, hat sich ebenfalls aufgesetzt und lacht nun ebenfalls ihren Freund aus. Sein T-Shirt, das er offenbar zum Schlafen getragen hat, ist völlig durchnässt und auch seine Haare kleben an seiner Stirn. Erst nach einem weiteren Moment bemerke ich, dass die Flüssigkeit offenbar kein Wasser ist, denn ein feiner, süßlicher Geruch verbreitet sich im Zimmer. Erst jetzt sehe ich den Becher in Emilys Hand, aus welchem noch immer eine weißliche Flüssigkeit tropft. Es sieht aus wie Milch. Mein Lachen wird nur noch lauter und ich spüre die Tränen in meinen Augen aufsteigen. Emily hat also befolgt, was ich ihr aufgetragen habe und das sogar noch besser, als ich es erwartet hätte.

„Lach nicht, hilf mir!", ruft mir mein bester Freund verzweifelt zu. Seine braunen Haare hängen triefend in seine Augen und er muss sie wegstreichen, damit er überhaupt etwas sieht. Es sieht insgesamt ziemlich traurig aus, wie er verdutzt in seinem Bett liegt wie ein begossener Pudel und nicht so recht weiß, was er jetzt tun soll. Dieser Gedanke bringt mich nur noch mehr zum Lachen und ich schlage mir die Hand leicht vor meinen Mund um nicht laut los zu prusten und streiche mir mit der anderen Hand die Tränen aus den Augen.

Ohne auf seine erste Forderung einzugehen, laufe ich zu seinem Bett und hebe Emily von ihm runter, welche sich sofort an mich schmiegt und erwartungsvoll zu mir hochblickt. „Gut gemacht, Kleine", sage ich zu ihr und betrachte ihr breites Grinsen, das sofort auf ihrem Gesicht erscheint. Es macht mich glücklich, sie so zu sehen, selbst wenn – oder vor allem wenn – Mike darunter leiden muss. Eben genannter starrt mich bei meinen Worten sofort empört und leicht entsetzt an: „Du hast ihr gesagt, sie soll mich mit Milch wecken?" Seine Stimme klingt ungläubig und geht am Ende seines Satzes leicht hoch, was mich erneut zum Grinsen bringt, da er Unsinn zwar von mir gewohnt ist, wenn auch nicht unbedingt in dieser Art. „Nein, das ist alleine auf ihrem Mist gewachsen. Ich hab lediglich gesagt, dass sie dich wecken soll."

Ich breche erneut in einen Lachanfall aus und vergrabe mein Gesicht in Emilys Haaren, um es mir nicht anmerken zu lassen, als Mike wutschnaubend im Bad verschwindet. Bevor Mike wiederkommt, zwinkere ich schnell Melanie zu, welche ebenfalls hinter ihrer Hand versteckt kichert und verschwinde dann mit Emily auf dem Arm aus Mikes Zimmer, um mich ebenfalls für die Schule fertig zu machen.

In meinem Zimmer angekommen schaffe ich es schließlich mich zu beruhigen. Da ich durch Emilys Aktion trotzdem ein wenig Zeit verloren habe, dusche ich nur kurz, ziehe mich an und schnappe meine Sachen, bevor ich mich hinab in die Küche gehe, um mir noch etwas zu essen zu nehmen und schließlich das Haus verlasse.

Immer noch lächelnd warte ich nun in meinem Auto vor unserem Haus auf Mike. Gedankenverloren betrachte ich das große weiße Haus mit den großen Fenstern und den braunen Fensterläden, in welchem ich mit meiner Familie lebe. Es ist groß, was nicht weiter verwunderlich ist, da immerhin einige Personen darin leben und im hellen Morgenlicht wirkt es sogar noch gigantischer. Ich wende den Blick wieder vom Haus ab und starre verträumt in den dunklen Wald auf der gegenüberliegenden Seite des Hauses. Sehnsüchtig beobachte ich die kleinen Vögel, die piepsend nach Futter in den Blättern am Boden suchen. Der Herbst hat begonnen und einige Bäume haben fast ihr komplettes Laub beinahe schon verloren und begraben die Nahrung unter ihren gefallenen Blättern. Andere Bäume hingegen färben sich erst in den schönsten Rot- und Gelbtönen und tragen ihre Blätterpracht noch an ihren Ästen. Der Blattfall hat sie noch nicht aufgefunden und sie wehren sich noch gegen den aufkommenden Winter. Was würde ich in diesem Moment nicht dafür geben, um im Wald herumrennen zu können, anstatt in die Schule zu gehen.

Mate - Schreie ohne VernunftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt