Kapitel 6

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•nächster Tag•

Die Nacht konnte ich gar nicht schlafen. Jedesmal wurde ich durch Albträume geweckt, die mich die ganze Nacht über verfolgt hatten. Jedesmal, kamen mir die Szenen in den Kopf, in denen er mich geschlagen, angefasst und alles mögliche gemacht hat. Danach saß ich immer schwitzend auf meinem Bett und wusste nicht, ob ich weiter 'schlafen' soll oder nicht. So beschloss ich auch, einfach auf den nächsten Morgen zu warten, da ich sowieso kein Auge zu bekam. Heute ist ein neuer Tag.

Nun stehe ich vor dem Spiegel und betrachtete mein Gesicht, dass seit gestern blass und halbtot aussieht. Die Wange, die er gestern geschlagen hat, ist leicht rötlich. Kein Wunder. Meine Augen sehen so unglaublich leblos aus, so bin ich eigentlich nicht. Ich war immer ein fröhlicher Mensch. Bis jetzt, anscheinend. Meine Haare sind zerstrubelt und sahen ebenfalls schlimm aus, was ich aber nicht bedauere.

Ich kam wieder zu mir und fing an, mich heute etwas mehr zu schminken, als ich es sonst tu. Die Wange darf auf keinen Fall jemanden auffallen. Ich schnappte mir einen Concealer, Make Up und Wimperntusche, die ich dann auf meinem Gesicht auftrug. Angezogen war ich schon, weshalb ich in die Küche ging, um mir etwas zum Essen zu machen. In der Küche holte ich mir ein Nutellaglas, ein Brot und ein Messer raus, um mir Nutella auf das Brot zu schmieren. Als ich fertig war, biss ich ein Stück ab und versuchte so gut es geht, das ganze Brot zu essen, da mein Magen das Essen irgendwie nicht akzeptieren wollte. Kein Wunder. Während ich das Brot aß, trank ich noch einen Schluck Wasser und begab mich in das Bad, um meine Zähne zu putzen. Nachdem ich nun endlich bereit war, zog ich mir im Flur meine schwarze Jacke über meinen grauen Pullover an & streifte sie zurecht. Nebenbei wollte ich nach meinen Autoschlüssel greifen, als ich jedoch in das leere tastete. Ah stimmt. Meine Tasche mitsamt der Autoschlüssel und dem Handy liegen noch in Cetin's Auto auf dem Beifahrersitz.

Ich seufzte einmal, da ich mir nun langsam überlegen muss, wie ich an die Sachen wieder rankomme. Aber wie? Wir werden uns schlecht wieder über den Weg laufen. Und auch wenn, wird er nicht jede Sekunde meine Tasche bei sich tragen. Aber wie sollen wir uns dann treffen? Hat er überhaupt meine Tasche bemerkt? Ich hoffe schon. Er muss doch noch den Weg zu meiner Wohnung wissen, dann könnte er - wenn er so weit denken kann - meine Tasche mir sogar selber vorbei bringen. Das wäre wirklich perfekt. Nur zu schade, dass ich ihn bis jetzt nicht an meiner Wohnungstüre gesehen habe.

Schnell zog ich mir meine schwarzen Schuhe an, die zu meinem Outfit passten und schnappte mir die Schlüssel, die ich zu meinem Glück nicht in meiner Handtasche hatte. Sonst wäre das gestern Nacht eine Katastrophe über eine Katastrophe.

Als ich die Tür hinter mir schloss, nahm ich den Aufzug, da ich von dem gestrigen Vorfall immer noch etwas benommen bin und meine Beine nicht zu überanstrengen möchte, da ich sowieso schon einen langen Fußweg vor mir habe. Ja, ich muss zur Universität laufen, weil mich Cetin gestern nicht mit dem Auto nach Hause fahren gelassen hat. Dieser Gedanke brachte mich innerlich zu seufzen. Na super.

Unten angekommen, verließ ich das Gebäude und schnappte mit geschlossenen Augen nach frischer Luft. Oh, wie gut das tut.

"Guten Morgen.", hörte ich plötzlich eine bekannte männliche Stimme sagen, sodass ich meine Augen blitzschnell aufschlug und überrascht in das Gesicht von Cetin blickte. Ja genau, richtig. Von Cetin.

Er stand elegant in einem dunkelblauen Anzug, an seinem Auto angelehnt und betrachtete mich etwas vorsichtig. Wegen gestern. Ich weiß es.

Eine Weile stand ich nur so da und versuchte zu realisieren, dass er wirklich vor meiner Wohnung steht, da ich vor kurzem erst dachte, er würde niemals darauf kommen. Was ein Zufall.

"Guten Morgen.", brachte ich noch halbwegs raus und lief mit langsamen Schritten auf ihn zu, wobei er sich von seinem Auto abstieß und mir entgegen kam.

Seine Hände waren in seinen Hosentaschen, die er dann aber vor mir herausnahm.

"Wie geht es dir heute?", fragte er mich zurückhaltend und neigte seinen Kopf etwas runter, da ich für mein Alter etwas klein bin.

Wie geht es dir. Das weiß ich selber nicht. Im Moment fühle ich nun.. Nichts. Außer Verwunderung, dass er hier aufgetaucht ist, aber sonst nichts. Okay, gut. Vielleicht bin ich noch etwas benommen von gestern aber ich möchte nicht mehr über das Thema reden und sage einfach, dass es mir gut geht. Er wird mir sowieso glauben, da ich ziemlich überzeugend bin.

"Mir geht es gut, wie geht es dir?", fragte ich ihn kurz lächelnd, damit das ganze nicht so unhöflich wirkt.

"Du lügst.", sagte er plötzlich ernst, wobei ich ihm verwirrt ansah. Wie bitte? Wieso.. Er hat mir nicht geglaubt. Das erste mal, merkt ein Mensch, dass ich nicht die Wahrheit sage. Aber nein, verneine Merve. Er darf es nicht merken, so einfach ist das.

"Womit Lüge ich?", fragte ich ihn 'unwissend' und sah in seine hasselnusbraunen Augen.

"Dir geht es nicht gut. Ich spüre das.", stellte er fest. Ich atmete laut aus und sah mich kurz um.

"Aber auch nicht schlecht.", sagte ich ernst und sah wieder zu ihm.

"Wie du willst, aber sonst ist alles in Ordnung?", fragte er mich noch einmal und blickte mich intensiv an.

Ich nickte. "Soweit ja, aber ich denke, du hast da etwas, dass mir gehört.", sagte ich und versuchte zu lächeln, damit sich die angespannte Situation zwischen uns auflöst.

Er zog einen kurzen Augenblick seine Augenbrauen zusammen und sah mich verwirrt an, bis es Klick machte und er kurz auflachte. Er lacht schön. Er sollte öfters lachen.

"Ja, da hast du recht.", sagte er lächelnd.

Es kam ein paar Sekunden lang nichts, weswegen ich ungeduldig wurde, da ich - wenn es so weiter geht - zu spät zu meiner Lesung kommen würde. Wieso gibt er mir meine Tasche nicht?

"Könnte ich sie haben?", fragte ich und klang dabei etwas schroff - denke ich - da er zu sich kam und seinen Kopf kurz schüttelte. Er hatte mich analysierend beobachtet, was mir natürlich nicht entgangen ist.

"Tut mir leid, natürlich.", sagte er und lief auf
sein Auto zu. Ich ihm hinterher.

Diesmal stand ein anderes Auto vor mir. Ein Audi R8. Komisch. Gestern war es doch ein anderes Auto, oder nicht?

"Wie viele Autos fährst du eigentlich?", kam es spontan aus mir heraus, weswegen ich meine Augen zukniff und mir innerlich Vorwürfe machte, was es mich überhaupt anginge. Toll gemacht, Merve.

"Viele.", gab er mir knapp als Antwort, als er mir endlich - nach langem Suchen - meine Tasche übergab.

Ich nahm sie ihm dankend ab, verabschiedete mich und wollte mich auf den Weg machen, bis er mich davon abhielt, indem er meinen Namen sagte.

"Lass mich dich zur Universität fahren."

Mein Held - KahramanımWo Geschichten leben. Entdecke jetzt