Kurz vor dem Tod

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Vorsichtig und mit all meinem Mut klopfte ich an die Tür des Lehrerzimmers.

Frau Reisert öffnete die Tür und schaute mich erwartend an.

"Könnte ich Herrn Moser sprechen?"

Sie nickte und verschwand wieder.

Nervös betrachtete ich den Türgriff.

Als er sich bewegte begann ich leicht zu zittern.

"Lia, was gibts?"

"Könnte ich kurz mit ihnen sprechen?"

"Ja klar, schieß los."

"Unter vier Augen?"

Er verstand und ging mit mir in ein Sprechzimmer.

Hinter mir schloss ich die Tür und setzte mich auf einen der Stühle.

"Ich kann es einfach nicht mehr für mich behalten, deshalb möchte ich ihnen jetzt sagen, dass ich mich in sie verliebt habe."

"Lia, warum... warum sagst du mir das?"

"Ich wollte einfach nur, dass sie wissen, dass sie geliebt werden."

Kurz leuchteten seine Augen auf und ich hatte das Gefühl, dass er sich über mein Geständnis freute, jedoch lag ich da gewaltig daneben.

"Bist du irgendwie bescheuert, wie kann man nur so naiv sein und sich in jemand viel älteren verlieben? Da merkt man halt, dass du noch ein kleines Kind bist."

Scheiße, das saß.

Diese Worte fühlten sich wie tausende Messerstiche in meinem Herz an.

Hätte ich es doch lieber einfach gelassen, war doch irgendwie klar, dass so etwas dabei heraus kommt.

Ich rannte aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter mir zu.

Die Tränen, die sich bei jedem seiner Worte angesammelt hatten, flossen nun entgültig meine Wangen herunter.

Ich rannte alle Treppen nach oben, bis ich schließlich auf dem Schuldach stand.

Ich war hier noch nie zuvor gewesen, weshalb ich etwas Planlos umher taumelte.

Ich stellte mich vorsichtig an den rand des Daches und schaute nach unten.

Viel konnte ich nicht erkennen, da meine Sicht durch die vielen Tränen verschwommen war.

Hinter mir wurde die Tür auf gerissen und ich erschrak, weshalb ich fast gefallen wäre.

Ich drehte mich um und wünschte mir, dass ich wirklich ausversehen gefallen wäre. Dann müsste ich ihn jetzt nicht noch mal sehen.

"Lia, bitte geh vom Rand weg, ich möchte nicht, dass du fällst."

Er bewegte sich in meine Richtung.

"BLEIBEN SIE STEHEN ODER ICH SPRINGE!" schrie ich ihm zu.

Sofort blieb er stehen und schaute mich geschockt an.

"Bitte geh einfach von dem Rand weg Lia."

Wieder machte er einen schritt auf mich zu.

"ICH HAB GESAGT, SIE SOLLEN STEHEN BLEIBEN!" Die Tränen flossen mir immer noch aus den Augen.

"Es tut mir leid, was ich gerade gesagt habe. Es war nicht so gemeint. Ich liebe dich doch auch. Aber eine Lehrer-Schüler-Beziehung ist nunmal verboten. Ich habe gedacht, ich kann uns beide helfen, indem ich Scheiße zu dir bin und du mich einfach nicht mehr magst. Aber das du dich wegen mir umbringen willst, wollte ich nicht. Ich wollte lediglich, dass du dich in jemand anderen verliebst. Du hast eindeutig jemand besseren als mich verdient. Ich wollte dich nur schützen. Ich hatte Angst, dass du dich Hoffnungslos in mich verliebst. Ich möchte halt auch meinen Job nicht verlieren. Es tut mir leid, aber bitte spring nicht."

Er öffnete seine Arme, dass ich zu ihm kommen soll.

Ich wollte gerade zu ihm gehen, als ich plötzlich abrutschte.

"AAAAHHHHHH!!"

Ich konnte mich gerade noch so an einer Fensterbank festhalten, bevor ich entgültig gefallen wäre.

"LIA!" Höre ich Herrn Moser schreien und sah, wie er mir seine Hand entgegen streckte.

Ich versuchte nach ihr zu greifen, jedoch schaffte ich es nicht.

"Bleib wo du bist, ich komm zum Fenster."

"Ich hatte nicht vor weg zugehen!" Schrie ich in Panik.

Zu meine Glück war natürlich niemand in dem Klassenzimmer, vor dem ich hing, und konnte mir helfen.

Langsam wurden meine Hände schwitzig und ich rutschte leicht ab.

Als ich schließlich nur noch mit einer Hand an dem Fensterbrett hing, wurde das Fenster geöffnet und Herr Moser zog mich nach drinnen.

Er nahm mich ganz fest in den Arm und ich bedankte mich für die Rettungsaktion.

"Mach so etwas bitte nie wieder okey?"

Ich nickte leicht mit den Kopf und schaute ihm dabei tief in die Augen.

Eine einzelne Träne verlies mein Auge, die er vorsichtig mit seinem Daumen wegwischte.

Dann küsste er mich endlich.

Endlich und mit so viel Leidenschaft.

Sorry, dass es so lange gedauert hat Annabell10000

Kurzgeschichten: Lehrer, SchülerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt