Schulabbruch

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"Und du bist dir wirklich sicher, dass du die Schule schmeißen willst?" Fragte mich meine Mutter bevor sie an die Bürotür meines Direktors klopfte.

"Jaahhaa. Du siehst doch was es mit mir macht. Vor jeder Klausur dreh ich am Rad."

"Aber deine Noten sind doch gar nicht schlecht, außer vielleicht Englisch - aber 5 Punkte sind auch nicht schlimm."

"Mama, ich hab jedes mal Panik vor Englisch. Außerdem hab ich kein eigenes Leben mehr. Ich sitz da und verzweifle weil ich lernen muss. Dann schieb ich alles wieder auf und fang einfach nicht an und am Ende ist alles noch gepresster und mit diesem Druck komm ich nicht zurecht. Ich schaffs einfach nicht mehr..."

"Ja ist ja okay, ich will dich nicht dazu drängen Abi zu machen. Du hast ja auch noch einen guten Realschulabschluss."

Herr Leinert öffnete die Tür und wir traten in sein Büro.

"So Lena, du bist dir also sicher dass du die Schule nicht weitermachen willst?"

Ich nickte.

"Trotz deiner guten Noten?"

"Ja."

Natürlich war ich mir nicht sicher, verdammt. Ich hab dann jetzt fast zwei Jahre unnötig hier rum gesessen und mir für nichts den ganzen Stress mit den Klausuren gemacht. Mein Lehramtsstudium kann ich mir nun auch abschminken und außerdem werde ich meinen Kunstlehrer aus den Augen verlieren.

Wegen ihm mach ich mich auch komplett verrückt. Auf einmal kamen Gefühle für ihn und ich weiß einfach nicht, wie ich mit ihnen umgehen soll...

"Okay, schade! Dann musst du einfach hier unterschreiben und deine Mutter auf der nächsten Seite."

Herr Leinert reichte mir einen Stift, den ich unsicher entgegen nahm.

"Bist dir wohl doch nicht ganz sicher, was?" Stellte er fest.

"Ääh, doch doch."

Ich hinterließ meine Unterschrift auf dem Papier und stand schnell auf um hier weg zu kommen, bevor ich mich doch wieder umentscheide.

"Also gut. Dann wünsche ich dir viel Erfolg auf deinem weiteren Lebensweg. Auf Wiedersehen!" Er gab mir und meiner Mum die Hand und ich verabschiedete und bedankte mich bei ihm.

Zuhause angekommen musste ich, so wie ungefähr jede freie Minute, an Herrn Richter denken.

Wir verstehen uns echt gut und ich glaube er würde mich umbringen, wenn er nur durch den Zettel, welche alle meine ehemaligen Lehrer jetzt bekommen, erfährt, dass ich nicht mehr an der Schule bin.

Also entschied ich mich ihm eine Email zu schreiben um mich zu verabschieden. Persönlich könnte ich es nicht machen, da ich sonst so in Tränen ausbrechen würde, dass ich den Niagara Fällen Konkurrenz machen würde.

Und wenn ich sowieso schon dabei bin ihm eine Email zuschreiben, kann ich auch am Rande kurz bemerken, dass ich ihn ziemlich toll finde.

Ich schnappte mir meinen Laptop und begann zu schreiben:

"Lieber Herr Richter!

Bevor Sie es durch andere Lehrer oder durch den Informationszettel erfahren, würde ich es Ihnen gerne selbst mitteilen... und zwar habe ich mich dazu entschieden die Schule abzubrechen.
Und wenn ich sowieso schon dabei bin Ihnen diese Email zuschreiben, muss ich noch etwas anderes los werden. Das kostet mich jetzt sehr viel überwindung, aber ich muss es Ihnen einfach sagen, sonst schlepp ich das ewig mit mir rum: ich weiß nicht wie es passiert ist, aber ich befürchte ich habe Gefühle für Sie, die ich eigentlich nicht haben sollte...
Ich wünsche Ihnen noch alles Gute für Ihre Zukunft!

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