Der Referendar

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"NEIN, DU HAST UNSERE EHE KAPUTT GEMACHT, WARUM MUSST DU DICH AUCH UM DIE WELT VÖGELN?!" Schrie mein Vater so laut durch das Haus, dass auch ich es oben mit bekam.

Ich hasste es wenn sie streiten und so geht das momentan jeden Tag.

Sie denken aber allen Ernstes, dass ich davon noch nichts mit bekommen habe.

Ich ging die Treppe runter und stellte mich an den Türrahmen zum Wohnzimmer - mal sehen, wann sie mich bemerken.

Meine Mutter holte zum schlag aus, erblickte mich dann in dem Moment und stoppte ihre Bewegung.

"Léonie Schatz, warum bist du denn schon so früh wach?" Fragte ich meine Mutter, als wäre sie der netteste Mensch überhaupt.

"Sag mal denk ihr ich bin wirklich so bescheuert? Seit zwei Wochen geht des doch hier schon so. Ihr schreit euch nur noch an - MAN ES GEHT MIR AUF DIE NERVEN!! Da hätte ich lieber geschiedene Eltern!" Schrie ich mit Tränen in den Augen.

Ich schlug die Tür mit aller Kraft zu, so dass es einen ordentlichen Knall gab und rannte dann die Treppe hoch. Im obersten Stockwerk blieb ich dann auch den ganzen Sonntag noch. Meine Eltern wollte ich an diesem Tag einfach nicht mehr sehen.

Ich kann einfach nicht mehr. Erst nimmt das mich voll mit, dass ich mich in meinen 13 Jahre älteren Lehrer verliebt habe und dann kommt auch noch der Streit zwischen meinen Eltern dazu.

Seit Wochen bin ich zuhause einfach nur noch ein lebendes Wrack.

In der Schule versteck ich mich in ner Rüstung und versuche keine Emotionen zu zeigen - ich will vor anderen einfach nicht schwach sein.

Und wenn ich nachhause komme heul ich mir die Augen aus.

Das Lernen wird bei mir momentan total vernachlässigt, was sich dementsprechend auch auf meine Noten auswirkt.

Am nächsten Tag in der Schule war ich mal wieder richtig schlecht gelaunt.

Auf die sechste Stunde freute ich mich dennoch, denn es war Mathe bei ihm. Herr Lemke. Torben Lemke.
Er ist 27 und noch Referendar, weshalb er leider am Ende des Jahres gehen wird. Aber immerhin muss er nicht schon zum Halbjahr gehen, wie meine ganzen anderen Referendare.

"So ihr lieben, ich hab euren Test korrigiert. Er ist eigentlich relativ gut ausgefallen, jedoch gibt es auch einzelne Noten, die nicht so gut sind. Ich teil einfach mal aus und danach besprechen wir gemeinsam die Lösungen."

Er schaute mich traurig an und legte mir meinen Test umgedreht auf den Tisch.

Ich brauch mir die Note gar nicht anschauen, denn mit einem nur halb ausgefüllten Test hat man sicherlich keine gute Note.

Ich war trotzdem neugierig wie viele Punkte ich hatte.

Wow Léonie, da hast du dich mit deinen 3,5 Punkten selbst ganz schön übertroffen...

Während der Stunde blickte er mich ab und zu besorgt an, was mir tierisch auf die Nerven ging. Egal wie toll ich ihn finde. Ich will einfach kein Mitleid - egal von wem.

Am Ende der Stunde bat er mich noch mal kurz dazu bleiben.

Ich ging also vor und setzte mich auf einen freien Stuhl in der ersten Reihe.

"Léonie, was ist denn in letzter Zeit los mit dir? In Mathe bist du doch richtig gut?" Wollte er wissen.

"Keine Ahnung." Antwortete ich trocken.

"In letzter Zeit bist du auch immer so Zickig, das habe ich auch von andern Lehrern gehört. Ich mach mir wirklich sorgen! Du kannst mit mir reden. Hast du Stress mit deinen Eltern oder so?"

Kurzgeschichten: Lehrer, SchülerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt