Abschied

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Ich schnappte mir das Blatt von meinem Schreibtisch und verstaute es mit den Taschentücher vorsichtig in meinem Rucksack.

Heute ist der letzte Schultag und mein Lieblingslehrer wird für immer gehen, deshalb die Taschentücher.
Ich hasse Abschiede einfach wie die Pest, auch bei Lehrern mit denen ich mich mega gut verstehe und Herr Reyer war nun mal einer dieser Lehrer.

Irgendwann mitten im Schuljahr hatten wie beide es auf einmal mit dem Farbkreis. Keine Ahnung mehr wie wir darauf gekommen sind, aber ich meinte, dass ich ihm zum Abschied einen schenken werde.

Die Zeugnissvergabe dauerte ewig und ich hatte das Gefühl ich wurde mit jeder Sekunde nervöser. Warum ich nervös wurde, wusste ich nicht, denn mein Zeugniss wird nicht schlecht sein.
War es wegen Herr Reyer? Hatte ich Angst ihm gegenüber zustehen und kein Wort raus zubekommen? Eigentlich war ich während seiner Anwesenheit nie nervös. Ich redete bei ihm - wie bei jedem anderen auch - wie ein Wasserfall.

Als jeder sein Zeugnis hatte, durften wir gehen. Ich verabschiedete mich von meinen Freunden und wünschte ihnen schöne Ferien.

"Gehste jetzt zu deinem Schatzi?" Fragte mich Sara lachend und mit wackelnden Augenbrauen. 

Ich konnte mir ein Lachen auch nicht unterdrücken.
"Wir verstehen uns einfach nur gut, mehr ist da nicht und das weißt du."

"Ja dir kauf ichs ab, dass du nicht auf ihn stehst, aber Herr Reyer sieht sehr danach aus, als hättest du ihm den Kopf verdreht."

Ich schüttelte nur lachend den Kopf und verabschiedete mich auch von Sara.

Dann lief ich Richtung Lehrerzimmer.

"Kann ich dir helfen?", fragte mich meine Mathelehrerin, die gerade ins Lehrerzimmer maschieren wollte.

"Ja, können Sie mal schauen, ob Herr Reyer noch da ist?"

"Ich glaub den hab ich vorhin schon heim gehen sehen, aber ich kann noch mal schauen."

Sie verschwand kurz im Lehrerzimmer und kam dann mit einer enttäuschenden Nachricht wieder.

"Hmm okay, danke und schöne Ferien!" Lächelte ich sie an und lief die Treppe wieder runter.

Der kann doch nicht einfach gehen...

Ich lief noch ein Stockwerk nach unten zu den Kunsträumen, vielleicht hab ich ja Glück und er ist doch noch da.

An der Tür angekommen atmete ich tief ein und wieder aus. Jetzt weiß ich, wieso ich nervös war. Dass ich mich nicht mehr von ihm verabschieden kann und falls doch, dass ich anfangen werde zu weinen.

Ich klopfte dreimal doch niemand gab eine Antwort - ganz toll...

Als ich mich zum gehen umdrehte stand er plötzlich neben mir.

Ich erleichtert atmete ich aus: "Boooaa ich dachte schon Sie gehen einfach, ohne Ihre Lieblingsschülerin zu verabschieden."

Er musste lachen.

"Was? Nein, was denkst du denn von mir?" Er hielt sich die Hand ans Herz und tat gespielt verletzt.

Er schloss die Tür auf und ich ging mit rein.

"Ich hab hier noch was für Sie."

Ich zog den Farbkreis aus meinem Rucksack und drückte Ihm das Bild in die Hand.

Wieder musste er lachen.
Ich mochte sein Lachen, es war zwar nichts besonderes, aber er steckte jeden damit an.

"Alsoooo... es war sehr toll mit Ihnen und ich habe mich jedes mal auf Ihren Unterricht gefreut. Sie sind echt ein cooler Lehrer und ich wünsche Ihnen noch viel Erfolg bei Ihrer letzten Lehrprobe. So... jetzt sollte ich wieder gehen, weil ich sonst anfange zuweinen, denn ich hasse Abschiede."

Ich drehte mich um und schon sammelten sich Tränen in meinen Augen.

Als ich meine Hand nach dem Türgriff ausstreckte wurde ich an der Schulter wieder zurück gehalten.

Er schaute mich verwirrt an.

"Ich glaub es hackt, ich lass dich nicht gehen ohne eine richtige Verabschiedung. Du bist jetzt nicht mehr meine Schülerin, also kann ich dich ruhig mal umarmen." Grinste er mich an

Das brachte mich mal wieder zum lachen und schon nam er mich in den Arm.

Die Umarmung wollte irgendwie kein Ende nehmen und die Tränen bahnten sich einen Weg an meinen Wangen hinunter und machten sein ganzes Hemd nass.

Als ich die Umarmung nach einer Ewigkeit doch beendete, blickte ich in seine glasigen Augen. Hatte er auch geweint?

"Lisa, ich kann dich nicht gehen lassen."

Verwirrt schaute ich ihn an und er kam meinem Gesicht immer näher.

Dann legte er vorsichtig seine Lippen auf meine und mein ganzer Bauch fing an zukribbeln.

Hatte Sara vielleicht recht und da war doch mehr?

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