VOR ZWANZIG JAHREN
Sergey verkroch sich in die Ecke, um den Schlägen auszuweichen. Seine Wange brannte, sein Bauch schmerzte und sein Herz raste. In Kauerhaltung hielt er seine Arme vor sein Gesicht, sodass der nächste Schlag seines Vaters nur seine Arme traf und nicht die Augen. Er hörte die Faust kommen und der Schlag stiess in weiter an die Wand. Seine Arme begannen zu schmerzen, aber sein Vater hielt nicht inne, er schlug auf ihn ein und schrie mit undeutlicher, rauer Stimme: „Steh auf und stell dich, Junge! Sei kein Feigling!" Grob packte er ihn am Arm und zog daran, bis Sergeys Schultern knacksten und er wimmerte. Wütend versuchte er, den Arm wieder zurückzuziehen, aber sein Vater war stärker als er.
Er riss ihn hoch, Sergey taumelte und konnte sich nur schwer auf den Beinen halten, aber das musste er auch nicht lange. Denn sobald er ungeschützt vor seinem Vater stand, schlug dieser wieder zu und traf ihn hart im Bauch. Sergey krümmte sich und würgte, ihm wurde schlecht. Eine Faust traf ihn auf dem Rücken und er stolperte nach vorne, dabei fuhr ein stechender Schmerz durch sein Bein, als er gegen die Tischkante gefallen war.
„Na los, Junge! Trau dich! Zeig, wie stark du bist!", forderte sein Vater und alles an ihm wirkte aggressiv. Seine Haltung, sein Atem, sein nach vorne gebeugter Oberkörper. Die Stimme, die sich überschlug und die Weinflasche, die er in der Hand hatte.
Und kaum lag Sergeys gequälter Blick auf seiner Weinflasche, holte sein Vater mit der Flasche aus und zielte auf seinen Sohn. Sergey warf sich im letzten Moment zur Seite, rutschte aus und landete auf dem Boden. Er hörte die Flasche aufschlagen und zu Bruch gehen und rollte sich daraufhin noch weiter zur Seite, um keiner Scherbe in die Quere zu kommen. Hastig versuchte er, sich aufzurappeln und biss dabei die Zähen aufeinander, denn jede Bewegung schmerzte. Gerade als er wieder stand und ein paar Schritte zurückgehen wollte, ging sein Vater wieder auf ihn los. Er packte ihn am Kragen, wirbelte ihn herum und schlug mechanisch auf ihn ein, er warf ihn erneut an die Wand, brüllte ihn an und alles was er wollte schien zu sein, Sergey so fertig wie möglich zu machen.
„Du nützt gar nichts, Schwächling!", warf sein Vater ihm entgegen und kickte nach seinem Bein. „Du bist zu schwach für diese Welt, hörst du?!"
Sergey holte tief Luft, als der nächste Schlag ihn traf, er war nun den Tränen nahe. Aber auf keinen Fall durfte er Schwäche zeigen, das wäre der Untergang.
„Du bist genauso ein Nichtsnutz wie deine armselige Mutter!", brüllte sein Vater weiter und boxte Sergey mit aller Kraft in den Kiefer. Sergey ging mit der Bewegung mit, wollte den Schlag abfedern lassen, aber er seine ganze Wange wurde heiss und er schmeckte Blut. Blitzschnell packte er die Hand seines Vaters, hielt sie für einen winzigen Moment lang fest und schrie mit sich überschlagender Stimme: „Meine Mutter ist kein Nichtsnutz!" Sein Vater entriss ihm die Hand.
„Beleidige meine Mutter nicht!", brüllte Sergey weiter und bevor er es verhindern konnte, begannen erste Tränen, sich einen Weg aus seinen Augen zu suchen und kullerten seine Wangen hinunter. Er schluckte den Kloss in seinem Hals herunter und liess sich fallen, als sein Vater für einen weiteren Kinnhaken ausholte.
„Nur schwache Männer heulen!", donnerte er und kickte mit dem Fuss nach Sergey, der nun auf dem Boden lag. Sein Schuh traf ihn erneut ihm Bauch und schluchzend rang der Junge nach Atem. Er wünschte sich, er hätte die Flaschen besser versteckt. Er wünschte sich, dass seine Mutter nach Hause kommen würde und er wünschte sich, sein Vater würde für immer verschwinden.
„Steh auf! Du hast keine Schmerzen, lass das Theater!", brüllte sein Vater herum und für einen Moment hörte er auf, nach seinem Sohn zu treten. Weinend zog dieser Luft in die Lunge und versuchte, sich zu bewegen, aber sein Körper protestierte vor Schmerzen und die Tränen verschleierten seine Sicht. Wie lange würde das noch gehen?
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Engelsschwingen - Ausgestossen
МистикаLucinda hat Flügel, aber sie ist kein Engel. Vielmehr hat sie die Aufgabe, Menschen aus ihrem Leidwesen zu erlösen - die Seele des Menschen entscheidet, ob sie leben oder sterben werden. In der Akademie der Erlöser werden neben ihr noch massenhaf...