Die Wichtigste Person eines jeden Unternehmens...
Am Montagmorgen besuchte ich eine der größten Firmen San Franciscos. Hunter Enterprises ist ein Hotelkonzern der Superlative, der weltweit agiert und an diesem Tag, sollte mir die Ehre zu Teil werden, den Chef höchstpersönlich einen ganzen Tag lang zu begleiten, ihm über die Schulter schauen, ihm jede x-beliebige Frage zu stellen, die ich stellen wollte.
Leider stellte ich Elijah Hunter, seines Zeichens Milliardär und begehrtester Junggeselle der Stadt, nur eine einzige Frage, da Mister Hunter überraschend eine Geschäftsreise nach Dubai unternehmen musste. Gegen Mittag rief er in der Firma an und ich hatte das Glück ihn für eine ganze halbe Minute in der Leitung zu haben und ich stellte ihm die Frage: Mister Hunter, wer ist neben Ihnen die wichtigste Person ihres Unternehmens? Die wichtigste Person eines jeden Unternehmens, ist immer die Assistentin des Chefs, Bursche.
Dann legte er wortlos auf und ließ mich mit der wichtigsten Person seines Unternehmens allein. „Ist er immer so... kurz angebunden?“
„Zeit ist Geld und seine Zeit ist eine ganze Menge Geld.“ Erwiderte Felicitas Cannon, die genau dem Bild entsprach, dass man sich machte wenn man hörte: Persönliche Assistentin des Geschäftsführers. Eine junge, attraktive Frau, mit einem Sinn für Stil und einer Präsenz die ganze Räume füllte. Was man sich allerdings nicht vorstellte war, dass sie die Hälfte ihres Tages am Telefon verbrachte, nebenbei einhändig seitenlange Emails und Berichte tippte und das in einer Geschwindigkeit, die viele Leute nicht mal mit beiden Händen hinbekamen. Dass sie der Inbegriff des Multitaskings war und der Nachname Einstein durchaus angemessen wäre.
„Miss Cannon, wie genau ist ihr Aufgabenbereich definiert?“ Hatte ich sie am Anfang des Tages gefragt, woraufhin sie lachte. Ihr Aufgabenbereich sei überhaupt nicht definiert, erklärte sie mir, denn der ihres Bosses wäre es ja auch nicht. Alles was anfällt, alles wozu der Boss keine Zeit habe, alles was er vergaß, worauf er nicht achtete. Ob das nun der längst hinfällige Friseurtermin war, den er wegen der Dubaireise schon wieder verpasste, Bewerbungsgespräche führen, Verträge abstimmen, Meetings abhalten.
Das MM – MontagsMeeting für all jene, die nicht den abgekürzten Wirtschaftsslang des Hunterimperiums sprechen – stand nämlich vor der Tür und im Haus selbst war es legendär. Stichtag, sozusagen und dieses Mal war Miss Cannon ganz allein dafür verantwortlich, dass alles rund lief und wie sie mir gestand, war sie schon ein bisschen nervös, denn sie mache das auch zum ersten Mal. Von der Nervosität war allerdings nichts mehr zu spüren, als sie den Raum betrat in dem bereits 11 der wichtigsten Männer des Unternehmens auf sie warteten. Keiner traute sich auch nur einen Mucks von sich zu geben, was mich an diesem Tag wohl am meisten beeindruckte. Die großen Tische dieser Welt sind nach wie vor von Männern dominiert, doch hier stand eine Frau die halb so alt war wie die Meisten im Raum, gerade vor einem Jahr ihren Abschluss in einer Abendschule gemacht hatte, eigentlich ansonsten keinerlei Referenzen hatte und trotzdem beherrschte sie das Meeting. Ihr Geheimnis war es, einfach immer mehr zu wissen als alle anderen, immer einen Schritt voraus, immer ein Argument mehr, immer oben schwimmen, sozusagen. Sie redete jeden an die Wand und blieb dabei so höflich und freundlich, wie es ansonsten nur Engel waren.
„Wie kommt man dahin, wo sie jetzt sind, Felicitas?“
„Glück, keine Freizeit und krankhafter Perfektionismus. Arbeit, Arbeit, Arbeit. Wer es sich leisten kann faul zu sein, der kann es sich auch leisten im Job nicht erfolgreich zu sein.“
„Keine Freizeit? Aber sie werden doch nach der Arbeit noch Hobbys haben.“
„Heute steige ich nach der Arbeit in den Flieger und jette nach Dubai. Außer Schach bleibt einem da keine große Auswahl an Hobbys. Übrigens sind wir in Dubai dann 11 Stunden vor, das heißt, gerade wenn wir den Tag beenden und eigentlich Feierabend hätten, fangen die Leute hier an und dann laufen unsere Telefone heiß.“
Ich schluckte, als ich erkannte - als ich wirklich darüber nachdachte - was das bedeutete. „Leiden sie nicht dauerhaft unter Jetlag?“
„Komischerweise nein. Ich schätze mein Körper weiß, dass ich für so etwas einfach keine Zeit habe.“ Sie lachte wieder auf diese freundliche Art, die so überhaupt nicht zu einer Frau passte, die einen ganzen Raum voller knallharter Geschäftsmänner in Schach hielt und nebenbei eine Email an ihren Boss tippte, um ihn zu ermahnen den Termin zum Abendessen nicht zu vergessen.
Nach diesem Tag, der eigentlich mit einer Enttäuschung begonnen hatte, ging ich nach Hause und dachte noch stundenlang über diese Frau nach, die tagtäglich außergewöhnliche Leistungen vollbrachte und der eigentlich niemand wirklich angemessen Respekt dafür zollte. Deswegen dieser Artikel als Dank für einen aufregenden Tag und den Einblick in das Leben der wichtigsten Person von Hunter Enterprises.
Denn auch ein Milliardär und knallharter Geschäftsführer wie Elijah Hunter, ist am Ende des Tages nur so stark wie die Frau an seiner Seite.
Jim McKanzie
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Die Summe des Glücks
RomanceFrage: Mit welchen drei Worten könnte man Elijah Hunter am Besten beschreiben? Antwort: Das ist eine Fangfrage. Dazu ist mindestens ein Fünfhundertseitiges Buch nötig und selbst dann, bleiben da immer noch scheiße viele Fragen offen. Wer ist der Typ...