Punkt 17 der Tagesordnung

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„Er fährt jeden Morgen pünktlich zur Arbeit. Er macht seine Einkäufe. Er guckt am Wochenende mit ein paar Freunden Football. Er mäht Rasen. Er holt die Zeitung rein. Grüßt seine Nachbarn. Das Haus ist vollkommen in Ordnung. Nicht vermüllt, nicht heruntergekommen, nichts. Er wirkt wie ein ganz normaler, geschiedener Mann mittleren Alters, der wegen der Scheidung umgezogen ist und sich mittlerweile voll in die Nachbarschaf integriert hat.“

„Ist das die Geschichte, die der Pisser allen erzählt? Das er sich hat scheiden lassen und jetzt umgezogen ist?“ Ich war ja außer mir vor Wut, als ich das hörte und war froh, dass ich gerade beim Laufen war, ansonsten hätte sich meine Aggression sicher ein anderes Ventil gesucht.

Smith grunzte am anderen Ende der Leitung auch ein bisschen vor sich hin und war wohl auch gerade dabei ein bisschen Sport zu machen, während wir telefonierten. Wahrscheinlich mit Gewichten und Hanteln, so langsam und regelmäßig wie er immer atmete. „Laut den Nachbarn ja. Ich habe mich nur ein bisschen umgehört. Kann ja auch nicht zu direkt nachfragen, ansonsten wäre das auffällig.“

„Na das müssen sie mir sicher nicht erklären!“ Schnaubte ich und stellte das Laufband gleich noch eine Stufe schneller. „Also ist an seinem Verhalten absolut nichts auffällig, oder was?“

„Gar nichts. Ganz ehrlich, Mr. Hunter? Der hatte letzte Woche Urlaub und wenn er noch nach ihr suchen würde, dann hätte er die Woche doch für ein bisschen Recherche genutzt, oder nicht? Hat er aber nicht. Er hat eine Fahrradtour durch die Berge gemacht, der Vollidiot. Versuchen sie mal jemanden unauffällig zu verfolgen, der allein im Wald eine Fahrradtour macht. Das ist kein Zuckerschlecken.“

„Wollen sie jetzt etwa eine Gehaltserhöhung, oder was?“ Fragte ich sarkastisch nach, weil mir diese Andeutung schon wieder ganz und gar nicht gefiel. „So viel Kohle wie ich ihnen in den Arsch blase, können sie sich doch in einem Jahr zur Ruhe setzen!“

„Ne, die Steuern für den Ferrari sind ganz schön heftig. Zwei, drei Jährchen muss ich wohl noch.“ Ich hörte das Grinsen förmlich in seiner Stimme. „Worauf ich hinaus will ist, dass sie vor dem nichts zu befürchten haben, wenn sie dafür sorgen, dass ihre Kleine unter dem Radar fliegt.“

„Sie wird aber nicht ewig unter dem Radar fliegen können.“ Und nach gestern Nacht? Nachdem sie mich so traurig angeguckt hatte und diese ganze Scheiße auf den Tisch gebracht hatte, dass sie kein normales Leben führen würde und so weiter? Da hatte ich es langsam satt, dass der Pisser sie nach so vielen Jahren immer noch einschränkte. Allein der Gedanke daran, dass er irggendwo da draußen war, sorgte dafür dass Felis Leben fernab jeglicher Normalität war. „Außerdem will ich mir zu Hundert Prozent sicher sein, dass da niemals was kommt. Ich will ihn testen.“

„Testen?“ Fragte Smith nach und schien darüber ein bisschen perplex zu sein. „Wollen sie ihm etwa die Adresse ihrer Kleinen mit Foto schicken und gucken, was er dann macht, oder was?“

„So in etwa.“ Murmelte ich nur.

„Bei allem Respekt, aber das ist eine Scheißidee.“

„Ist es das? So bestimmen wir wenigstens das Spiel und nicht er. Ich habe es satt dumm rum zu sitzen und darauf zu warten, dass er seinen ersten Zug macht. Und für meine Kleine -“ Felicitas würde das überhaupt nicht mögen, so bezeichnet zu werden. „- ist es auf diese Weise sicherer. Sagen wir, er findet diese Woche raus wo sie wohnt und alles. Sie beobachten ihn ganz genau, sagen mir Bescheid ob und wann er losfährt, um sie zu suchen. Sobald sie sagen, dass er herkommt, schaffe ich Felicitas weg. Keine Ahnung, nach Europa oder so. Hauptsache weit weg. Wenn er dann vor ihrem Haus aufkreutzt, sind wir da und warten ganz höflich auf ihn, um ihn reinzulassen.“

„Und wenn er sie nicht verfolgt? Wenn er weiß wo sie sich befindet und er kommt sie nicht suchen? So wie ich es glaube?“

„Dann wissen wir, dass er wahrscheinlich niemals hier auftauchen wird.“ Was aber nicht bedeuten wird, dass ich nicht doch noch mal bei ihm auftauchen würde. „Es geht mir einfach darum, diesen Pisser mal ein bisschen zu durchleuchten, verstehen sie? Sein Handeln voraussagen zu können, wäre schon ein mal ein ziemlich guter Anfang.“

Die Summe des GlücksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt