Punkt 26 der Tagesordnung

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Sie war wunderschön.

Ja, genau, als hätte ich das nicht schon immer gewusst, aber trotzdem konnte ich nichts dagegen machen, dass mein geschundener Körper, der gerade einen Halbmarathon im Bett und zehn Kilometer auf dem Laufband hatte aushalten müssen, auf dem Weg vom Bad zum Kleiderschrank einfach stehen blieb und den Anblick vor mir genoss. Es war gerade einmal sechs Uhr morgens und der Himmel draußen war noch dunkel, aber das bisschen Licht das hereinfiel, ließ mich alles erkennen, was ich sehen musste und wollte. Feli lag in nicht mehr als einem kleinen Höschen zwischen meinen Decken, hatte sich irgendwie in den dünnen Stoff eingewickelt, sodass er kaum etwas verdeckte. Die blonde, zerzauste Haarpracht hatte sich über ein Kissen ausgebreitet in das sie ihr Gesicht halb gepresst hatte und sie hatte sich auf meine Seite des Bettes gerollt, als suchte sie nach mir, was mir ein Gefühl irgendwo in meiner Brustgegend bescherte, dass sich anfühlte als hätte irgendwer ein Abschleppseil darum gebunden und würde mich mit einem LKW geradewegs in Richtung Bett zerren.

Sie war ganz weit weg im Lalala-Land, aber das konnte man ihr nicht verdenken, wenn man bedachte, dass sie gerade mal zweieinhalb Stunden vorher nach Hause gekommen war und ich nun mal ein totaler Bastard war und ihr erst vor eineinhalb Stunden erlaubt hatte endlich einzuschlafen. Aber Mann, wenn ich sie mir so ansah, so einladend warm und weich, dann wollte ich sie am liebsten gleich wieder aufwecken, um dafür zu sorgen, dass sie am Ende noch ein bisschen müder wäre.

Tja, ich müsste sie bald aufwecken denn um halb 9 stand ein Meeting an und es brach mir fast das Herz, das tun zu müssen. Sie war in letzter Zeit so erschöpft und schlief so verdammt wenig, dass Mitch schon anfing mir Vorhaltungen zu machen, dass Feli zu viel arbeitete.

Leider lag es im Normalfall nicht an der Arbeit, dass sie so wenig schlief, sondern einfach daran das sie in erster Linie überhaupt nicht mehr schlafen wollte und wirklich verübeln konnte ich es ihr nicht.

Mann, sie sah so zerbrechlich aus und obendrein hatte sie während der letzten Wochen auch noch abgenommen, womit sie wohl die einzige Person auf der ganzen Welt war, die über Weihnachten und Silvester abnahm. Ich hatte Mitch sogar irgendwelche Lügen von wegen Feiertagsstress aufbinden müssen, um Felis Abgespanntheit zu erklären, allerdings war das jetzt keine Ausrede mehr, nachdem die Feiertage rum waren. Und Mitch die Augenringe damit zu erklären, dass Feli jetzt schon im Stress wegen Ostern war, wenn sie erneut die ganze Hunterfamilie satt kriegen musste, wäre dann doch etwas weit hergeholt.

Ja, die Feiertage waren für sie alles andere als ein Zuckerschlecken gewesen. Nicht weil sie sich nicht mit meiner Familie verstand, denn eigentlich verstand sie sich mit der Brut sogar etwas zu gut für meinen Geschmack. Ich konnte gar nicht zählen, wie oft mir über Weihnachten irgendwer auf die Schulter geklopft hatte und mir versichert hatte, dass ich mit ihr wirklich einen Glückstreffer gelandet hatte, für den ich eigentlich nicht gut genug war. Es lag viel mehr daran, dass sie ihre Familie so sehr vermisste und an Selbstvorwürfen fast erstickte, was das anging.

Die Alpträume waren wohl noch schlimmer, als das was in ihrem Kopf geschah, wenn sie wach war und das ich absolut hilflos war und gar nichts dagegen machen konnte, ließ mich wiederum abgespannt und genervt sein. Aber nicht jetzt. Nicht jetzt wenn sie endlich einmal friedlich und ruhig schlief.

Als mein Handy leise zu klingeln anfing, schreckte ich förmlich auf, sah auf die Uhr und stellte fest, dass ich gerade eine Viertelstunde damit verschwendet hatte, meine schlafende Freundin zu beobachten.

Es gab wohl ein paar Adjektive dafür, wenn man sich so aufführte wie ich mich gerade im Moment, aber sie alle machten mir eine so scheißverfickte Angst, dass ich keins davon auch nur denken wollte.

Handy.

Genau, das dumme Handy.

Feli begann sich bei dem Geräusch schon unruhig hin und her zu wälzen, also machte ich, dass ich ranging, bevor sie das Teil auch noch um die letzte halbe Stunde Schlaf bringen würde, die ihr gegönnt war. „Hunter.“

Die Summe des GlücksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt