Punkt 12 der Tagesordnung

7.7K 191 9
                                    

„...doch Ty würde er wahrscheinlich nicht bekommen. Nicht auf die Art und Weise, wie ich ihm den Whiskey servieren würde. On The Rocks. Genauer gesagt, On Tys Rocks.“
          - Felicitas, die Weitwerferin

Ich schaffte es nicht vor 20 Uhr aus dem Büro raus zu kommen und das, obwohl ich mir eigentlich vorgenommen hatte, nach dem Mittag zu verschwinden und bei Elijah weiter zu arbeiten. Gerade wenn er krank war, nahmen die alltäglichen, kleinen Problemchen Überhand. Dann fiel auch noch das interne Betriebssystem für einige Stunden aus – irgendwelche Serverprobleme – und sogar die Putzfrauen spielten deswegen verrückt, da die ihre Dienstpläne ja auch in einem eigenen Büroraum erstellten und deren Computer ebenfalls mausetot war.

Und wer hatte Elijahs Rufumleitung?

Genau, ich. Also war ich einmal mehr der Kummerkasten der gesamten Firma und das, obwohl es mir ja selbst nicht besser ging. Keine Mails, keine Dateien, keine Verträge, keine E-Akten. Nichts.

Und wie sollte man arbeiten, wenn es mittlerweile keinen einzigen Arbeitsschritt mehr gab, den man nicht über den Computer erledigen musste? Genau, gar nicht.

Ich war also ab um zehn damit beschäftigt durch die Abteilungen zu gehen und den Leuten irgendeine Arbeit zu geben. Die Presseabteilung wurde kurzerhand dazu verdonnert ein Meeting darüber abzuhalten, wie man Tys Negativpresse wegen der Abtreibungsbefrwortung wieder wettmachte. Die Prozessoptimierung wurde zum Aktenordnen gezwungen, nachdem ich gesehen habe, was für ein heilloses Durcheinander in deren Aktenschränken herrschte. Die Finanzabteilung konnte sich damit aufhalten mir ein paar Statistiken zu erstellen, die ich eigentlich gar nicht brauchte. Das Internationale Projektmanagement hasste mich regelrecht, als ich ihnen erklärte, dass sie jetzt alle eine Fortbildung zum groben Thema Öffentlichkeitsarbeit hatten, die Jerry aus dem Stehgreif hielt. Das Nationale Projektmanagement verbannte ich einfach aus dem Gebäude, denn die gingen mir wirklich am meisten auf den Sack und schickte sie zu Ty in die Stiftung, damit sie alle mal „einen näheren Einblick“ erhielten.

Die einzigen an diesem Tag, die froh über den Systemausfall waren, waren unsere Juristen, angeführt von Rosa, die ich alle in einem Meetingraum antraf, in dem sie zusammen ihre Fälle durchgingen, in großer Runde über Probleme beratschlagten und sich irgendwelche Paragraphen um die Ohren donnerten. Na also.

Wenigstens jemand.

Mein Nervenkostüm war also löchriger als eine Netzstrumpfhose, als ich nach Hause fuhr.

Zu Elijah, meinte ich.

Ich fuhr zu Elijah und nicht nach Hause.

Alexej hatte mir bereits Montag einen Schlüssel und die nötigen Codes für die Alarmanlage gegeben, damit ich mich selbst reinlassen konnte. Was mir total unangenehm war, denn ich war niemand, der ohne zu Klingeln einfach ein Haus betrat, so wie Mitch und Ty beispielsweise.

Andererseits hatte das natürlich den Vorteil, dass ich Elijah zumindest nicht aufwecken müsste, wenn er gerade schlief. Er konnte eine ganze Menge Schlaf und Ruhe gebrauchen, also war es unsinnig, wenn er extra aufstehen müsste, nur um mich reinzulassen und dann vielleicht nicht mehr einschlafen könnte. So wie letzte Nacht...

Als ich das Haus allerdings betrat, war klar, dass ich mir keine Gedanken darüber hätte machen müssen, dass ich Elijah vielleicht aufwecken würde.

Eher Gedanken darüber, dass er bei dem ganzen Lärm im Haus die Klingel eh nicht gehört hätte. Ich traute meinen Augen kaum, als ich durch die Küche ins Wohnzimmer schlich und das vollbesetzte Sofa sah.

Da alle auf den Fernseher starrten und laut grölten, nahm mich keiner wahr und ich konnte die Szene in aller Ruhe betrachten. Pizzakartons bedeckten den gesamten Tisch. Hier und da standen ein paar Bierflaschen rum. Aufgerissene Chipstüten, deren Inhalt sich über die Wohnlandschaft, den Fußboden und den Tisch verteilte. Jugendliche aus der Stiftung lümmelten auf dem Sofa und dem Fußboden herum, während vier von ihnen Controller in der Hand hatten und... Autorennen? Die zockten nicht wirklich irgendein verschissenes Autorennspiel, oder?

Die Summe des GlücksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt