Blinded & Muted (#Stexpert)

40.

Entgegen meiner Erwartungen war der Direx sofort bereit, unseren Aussagen Glauben zu schenken. Während er sich die unten angegebene Email fein säuberlich abschrieb und anschließend direkt mit einem Mitarbeiter der Polizei telefonierte, lächelte ich Bibi glücklich an. Wir hatten es geschafft. Daraus konnten sich nicht einmal Specki und Tobi mit ihren ach so raffinierten Tricks winden! Sie waren besiegt! Jetzt würden SIE von der Schule fliegen und könnten hier niemanden jemals wieder in ihre Fänge locken. Sie erinnerten mich mehr und mehr an übergroße giftige Spinnen, die ihre Beute immer weiter in ihre Netze getrieben hatten, gründlich selektiert, ihnen ihre Selbstständigkeit und ihre Persönlichkeit entzogen hatten und sobald die in Spinnenseide eingewickelten Kadaver nichts mehr wert waren, entsorgt hatten. Ein widerlicher Gedanke an zwei echt widerliche Persönlichkeiten, mit denen ich hoffentlich nie nie nie wieder etwas zutun haben würde!

Wir wurden zurück in den Unterricht geschickt, doch Bibi zog mich stattdessen mit hoch zu ihrem Klassenzimmer, klopfte und steckte ihren Kopf in den Raum. "Herr Findig möchte sofort mit Dagi reden", erklärte sie der völlig verwirrten Lehrerin und wenige Augenblicke später stand die Blondine auch schon vor uns. "Wo ist der Erdkundefutzi denn?", wollte sie gestresst wissen, doch da hatte Bibi sie schon zu Boden gerungen und hielt ihr den Mund zu. "Du falsche Schlange!", knurrte sie und kümmerte sich nicht darum, dass ihre ehemals beste Freundin unter ihr verzweifelt zappelte wie ein auf den Rücken gefallener Käfer oder dass ich ihr nicht half, sondern wie angewurzelt dastand und ungläubig das Geschehen verfolgte. "Was willst du von mir Bibi?", brachte sie schließlich gedämpft hervor und sah zum ersten Mal seit ich sie kannte echt panisch aus. Bibi jedoch schien dieser Ausdruck auf dem Gesicht unter ihr recht gut zu gefallen. Süffisant beugte sie sich weiter herunter, bis ihre blauen Haarspitzen dem anderen Mädchen beinahe die Nasenspitze kitzelten. "Ach, ich könnte echt vieles von dir verlangen. Zum Beispiel, dass du dich für die vielen Jahre entschuldigst, in denen du eine auf ABF gemacht hast, aber das ist mir jetzt gar nicht mehr so wichtig. Nein, ich will wissen, ob du wirklich diese ganzen Bilder von Stegi und mir versendet hast und warum!"

"Ja, hab ich, Rafi wollte das so. Er meinte, ich würde noch am besten an euch herankommen, ohne großartig aufzufallen. Du hast mir ja schließlich auch immer brav erzählt, was du an deinen Nachmittagen so vorhast!" Dagi gewann langsam an Fassung zurück und schaute Bibi trotzig und reuelos an: "Hat dir das Video denn gefallen? Soll ich es noch an Ardy weiterschicken, damit er dich verlässt, Bitch?"

"Dummerweise hab ich Ardy schon davon erzählt. Und der Kuss am Ende war eh ein Fake!"

Mir fiel die Kinnlade herunter und auch Dagi stutzte: "Woher-"

"Das sieht dir einfach zu ähnlich, kleines Bienchen!", spottete Bibi gespielt verzückt, hielt sich ihre Hand vor den Mund und machte mit ihren Lippen ein Geräusch, das einem Kuss nicht unähnlich klang und mir augenblicklich das Video mit allen Details wieder ins Gedächtnis rief. Ich war ehrlich beeindruckt. Jetzt ergab alles einen Sinn. Und ich war glücklich, dass ich Tim nicht wirklich betrogen hatte. Hoffentlich würde er mir auch glauben.

"Das werdet ihr noch bereuen", zischte Dagi, nun wieder biestig, als Bibi sie endlich aufstehen ließ. Eine Durchsage ersparte uns jedoch jegliche Antwort, es klingelte und dann ertönte die Stimme der Sekretärin auch schon durch das gesamte Schulhaus. "Folgende Schüler finden sich bitte sofort beim Direktor ein: Rafael aus der 10B, Dagmara und Thaddeus aus der 11D und Tobias aus der 12A. Vielen Dank!"