Lügen und betrügen

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Am nächsten Morgen fühlte ich mich, als hätte mich der letzte Rest meiner Würde verlassen. Ich war, nachdem ich das Gespräch zwischen Zabini und Malfoy mitgehört hatte zum Gemälde der fetten Dame zurückgekehrt und hatte noch einmal versucht sie umzustimmen, mich doch in den Gemeinschaftsraum zu lassen. Da sie nicht nachgegeben hatte, musste ich wohl oder übel auf dem Steinboden schlafen und war nur froh, dass ich am nächsten Morgen sehr früh aufgewacht war. Also hatte niemand gesehen, wie sehr ich mich hatte erniedrigen müssen.
Sobald der erste Schüler den Gemeinschaftsraum der Gryffindors verlassen und ich ihn nach dem Passwort (Schrumpfschnecke) gefragt hatte, lief ich hoch in meinen Schlafsaal, wo noch Hermine, Lavender und Parvati schliefen. Ich schnappte mir ein paar frische Sachen und stieg unter die Dusche.

"Guten Morgen!" Hermine strahlte mir entgegen, als sie sich am Frühstückstisch mir gegenüber niederließ. "Wo warst du gestern Abend?"
"Gemeinschaftsraum", grummelte ich automatisch und versuchte mich nicht über ihre blendende Laune zu wundern.
"Wirklich?", fragte Hermine. "Ich habe gestern noch ziemlich lange meine Hausaufgaben gemacht und dich nicht gesehen."
"Ich musste noch kurz in die Bibliothek", log ich glatt und griff nach der Teekanne. War es normal, dass ich so Kopfschmerzen hatte?
Hermine sah mir direkt in die Augen. Wenigstens hatte ich bei ihr nicht das Gefühl, dass sie wusste, was ich dachte. Ich hoffte einfach, sie glaubte mir, dass ich in der Bibliothek gewesen war. Schließlich war ich in letzter Zeit öfter in der Bibliothek als sonst gewesen. Mit Cedric, mit Harry und mit Draco.
Schließlich zuckte sie mit den Schultern. "Ich freue mich auf den Tag. Mein Aufsatz für Geschichte der Zauberei ist recht gut geworden."
"Du wirst so oder so wieder ein O bekommen, Hermine", grummelte ich und stopfte mir noch einen Löffel mit Cornflakes in den Mund.

Wir trafen Harry und Ron vor dem Klassenzimmer von Professor Binns. Geschichte der Zauberei zog sich noch mehr als sonst und ich warf andauernd einen Blick auf meine Uhr. Als es klingelte, hasteten Harry, Hermine und Ron hinaus in den Gang und hinüber zum Klassenraum, in dem wir Verteidigung gegen die dunklen Künste hatten. Seit dem Vorfall in der letzten Stunde fühlte ich mich immer noch ein wenig schummrig, sobald ich daran dachte. Ich wunderte mich kurz warum die drei mit Moody sprechen wollten, dann schlug ich in Begleitung von Neville den Weg zum Zaubertrankunterricht ein.
"Was machst du in letzter Zeit so, Rachel?", fragte Neville mich. Ich versuchte ihn nicht zu korrigieren.
Stattdessen sah ich ihn verwirrt an. "Was meinst du?"
Er schien nach den richtigen Worten zu suchen. "Ich- Ich weiß nicht. Du verhältst dich in letzter Zeit ... irgendwie – anders."
"Anders?", hakte ich nach und rang mir ein kleines Lächeln ab. "Keine Sorge, Neville. Ich bin immer noch die Selbe."
Ich lenkte meinen Blick wieder nach vorne und versteifte mich augenblicklich, als ich Draco Malfoy vor dem Klassenzimmer stehen sah. Ich wusste nicht einmal wieso. Hätte ich am Anfang des Schuljahres gewusst, wie viel sich ändern würde...
"Kommst du?"
Ich zwang mich zu Neville zu schauen, ehe Draco noch bemerkte, dass ich meinen Blick nicht von ihm abwenden konnte. Über was hatten er und Blaise Zabini geredet?

Harry, Ron und Hermine waren gerade noch so rechtzeitig zu Zaubertränke gekommen, doch ich war nicht mehr dazu gekommen sie zu fragen, warum sie bei Professor Moody gewesen waren, da ich noch immer neben Malfoy sitzen musste, was heute noch quälender war als sonst. Snape kannte keine Gnade und gab uns an auf die Schnelle einen Aufpäppeltrank zu brauen. Ein Kinderspiel, wie ich dachte. Jedoch war eben ein gewisser, blonder, verwöhnter Slytherin der Meinung, dass er es besser wusste wie ich.
"Wenn du mir noch einmal sagst, dass ich noch mehr Fischaugen dazugeben muss, dann solltest du besser den Mund halten, Malfoy!", zischte ich und funkelte ihn gefährlich an.
"Bitte", fauchte er zurück. "Wenn du eben nur ein Annehmbar bekommen willst."
"Ich hatte noch nie ein A."
"Es gibt für alles ein erstes Mal."
Ich atmete tief durch und versuchte bis zehn zu zählen. "Mein Trank ist besser als deiner. Darüber muss man erst gar nicht eine Diskussion beginnen."
Arrogant hob er eine Augenbraue, genauso wie ich es immer tat. "Willst du wetten? Wer die bessere Note bekommt, gewinnt."
"Gewinnt was?", hakte ich nach, nicht ganz abgeneigt.
Malfoy zuckte mit den Schultern und wandte sich wieder seinem Kessel zu. "Das machen wir danach ab."
Ich wusste, es war eine schlechte Idee. "Einverstanden", sagte ich und reichte ihm die Hand.
"Abgemacht", grinste Malfoy.
Ich wusste ganz genau, dass es eine schlechte Idee war.

Bis zum bitteren Ende [Draco Malfoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt