Familie

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"Wo zur Hölle warst du?"
Ich blickte auf und erkannte, dass Ron sich auf den Platz mir gegenüber fallen ließ. Er sah mich erwartend an, doch als ich nur mit den Schultern zuckte und "Bibliothek" murmelte, seufzte er von wegen Mädchen und tat sich Bratkartoffeln auf den Teller.
Tatsächlich hatte ich die erste Stunde Verteidigung gegen die dunklen Künste mit dem neuen Lehrer Professor Moody geschwänzt, um mit Cedric seine Freistunde in Nähe des Steinkreises zu verbringen.

"Wie bitte?" Hermine war auf einmal neben mir aufgetaucht und schlug zwei schwere Bücher auf den Tisch. "Du warst in der Bibliothek?"
Ron ließ sich gar nicht durch ihr Auftauchen beirren. "Moody ist einfach nur spitze!"
"Wenn du es als spitze bezeichnen willst, dass er uns die Unverzeihlichen Flüche gezeigt hat, bitte!", zischte Hermine missgelaunt und warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
Ich indes verschluckte mich bei ihren Worten an meinem Kürbissaft und hustete. "Die Unverzeihlichen Flüche?", keuchte ich schließlich und starrte Hermine und Ron abwechselnd an.
"Ja!", sagte meine beste Freundin und sah mir genervt dabei zu, wie ich mir den Kürbissaft vom Kinn abwischte. 
"Es war total cool –", setzte Ron an.
"Was hast du in der Bibliothek gemacht?", fragte Hermine mich, noch während Ron weitererzählen wollte und er sah sie ein wenig beleidigt an.

Ich suchte schnell nach einer Ausrede, doch mein Bruder, der plötzlich dastand, als wäre er dem Erdboden entsprungen, kam mir zuvor. "Sie war gar nicht in der Bibliothek." Er ließ sich neben Ron fallen.
"Was soll das denn heißen?", hackte Hermine nach und sah mich forschend an.
Ich schloss die Augen und atmete tief durch. "Danke, Harry", sagte ich langsam, aber war nicht minder sauer auf ihn, wie er auf mich. Ohne mir einen weiteren Blick zuzuwerfen, erklärte er: "Statt mit uns im Verteidigung gegen die dunklen Künste-Unterricht zu sitzen, hat sie mit Diggory eine Freistunde verbracht."
Hermine schien die Neuigkeit nicht im Mindesten zu überraschen, doch Ron starrte mich mit aufgerissenen Augen an und ließ für einen kleinen Moment seine Bratkartoffeln aus den Augen.
"Hör auf mich so anzusehen!", fuhr ich ihn an und wandte mich dann Harry zu, der mir nur einen sehr vorwurfsvollen Blick schenkte. "Und du auch! Woher weißt du das überhaupt?"
In diesem Moment liefen Lavender und Parvati an uns vorbei, zwinkerten Harry und mir zu und ich war stark versucht den Beiden den Quark hinterherzuwerfen, der vor mir stand.

"Oh! So ist das also", meinte ich wütend, nun wieder in die Richtung meines Bruders. "Ich hab irgendwie keinen Hunger mehr."
Dann stand ich auf, schulterte mit solcher Wucht meine Tasche, dass sie beinahe zwei Erstklässler getroffen hätte, die erschrocken vorbeieilten. "Blöde Kinder", murmelte ich, dann drehte ich mich nochmal zu den dreien um und fauchte: "Ach, übrigens, Ron, Lavender steht auf dich!"
Danach kehrte ich ihnen den Rücken und flüchtete aus der Großen Halle.

Es strömten nun die ganzen Schüler aus den Klassenräumen in die Eingangshalle und ich stieß mit ein paar unsanft zusammen. "Hey", sagte einer und hielt mich am Arm fest. Ich drehte mich um und wollte meinem Arm dem plötzlichen Griff entziehen, als ich bemerkte, dass es Fred war.
"Oh, hey", sagte ich nun sichtlich ruhiger, doch er hatte natürlich schon längst erkannt, dass ich in Rage war.
"Was ist los?", fragte er, woraufhin ich nur säuerlich meinte: "Frag doch meinen Bruder" und dann weiter gegen den Schülerstrom ankämpfte.

Zum Abend hin füllte sich die Bibliothek immer, da viele Schüler dort ihre Hausaufgaben erledigten. Ich hingegen hatte keine Lust darauf, sondern stöberte nach interessanten Büchern, die allesamt keinen Satz beinhalteten, der ansatzweise mit Wahrsagen zu tun hatte. Ich hatte noch immer nicht den Aufsatz für Professor Trelawney geschrieben, denn schließlich war Abgabe erst am nächsten Montag.
"So wie ich dich mittlerweile kenne, erledigst du keine Hausaufgaben, oder etwa doch?", ertönte Hermines Stimme hinter mir. In ihrer Frage schwamm ein wenig Hoffnung mit, die wahrscheinlich durch die vielen Bücher vor mir aufgekeimt war.
Ich drehte meinen Kopf zu ihr und antwortete: "Ich muss nur noch ein paar Sachen herausfinden, die mir diesen Verwandlungszauber vereinfachen könnten."
Natürlich bemerkte ich, dass Hermines Blick neugierig auf die aufgeschlagenen Seiten vor mir wanderte und ich schlug so abrupt die Bücher zu, dass ich sie aus dem Augenwinkel heraus zusammenzucken sah.
Während ich die Bücher auf meinen Arm lud und kurz davor war aufzustehen, setzte sich Hermine neben mich und sagte im Flüsterton: "Hör mal, Rachel. Du benimmst dich in letzter Zeit immer komischer. Nicht nur mir fällt das auf. Selbst Harry und Ron bemerken das."
Meinen Augenbrauen wanderten immer weiter zusammen.
"Was ist los?", fuhr sie fort. "Früher warst du so anders. Ich habe das Gefühl, dass du dich mehr und mehr von uns abschottest."
"Ich habe mich eben ein wenig verändert", zischte ich und erhob mich. Ich spürte Hermines stechenden Blick in meinem Rücken, während ich die Bücher zurück an ihren Platz in den Regalen stellte. Sie sagte nichts, sie sah mich nur an, als ich zurückkam, um Pergament, Feder und Tinte in meine Tasche zu räumen, diese dann über meine Schulter hängte und die Bibliothek bemüht ruhig verließ.

Bis zum bitteren Ende [Draco Malfoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt