Missverständnis

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Der einsame Friedhof lag in feinem Nebel da und man konnte die kleine Kirche hinter einer großen Eibe nur an den groben Umrissen erkennen. Ein helles Leuchten durchdrang den Nebel und ein hohes Lachen erklang. "Bald ist es soweit!", zischte die Stimme und ein kleines Quieken ging von dem Mann aus, der ein Bündel in seinen Armen trug.
"Bald ist es soweit, Wurmschwanz", sagte die hohe Stimme wieder; sie kam aus dem Bündel.
Der Mann hatte wässrige Augen, farbloses Haar und war klein und dicklich. Er ließ seinen Blick über den Friedhof gleiten, denn hell erleuchteten Zauberstab erhoben.
"Ja, Meister", sagte er und begann auf die Kirche zuzulaufen. "Nur noch zwei Monate, Herr, zwei Monate!"
Die hohe Stimme aus dem Bündel lachte kalt auf. "Etwas Schlimmes wird bald über Hogwarts hereinbrechen und ihre hübsche Illusion wird für immer zerbrechen."
Sie betraten die Kirche.
"Ist alles mit dem Portschlüssel geklärt?", fragte das Bündel. "Es muss alles klappen, Wurmschwanz!"
"Ja, Herr", antwortete der Mann rasch und ehrfürchtig. "Die Sache mit dem Potter-Mädchen ist auch geklärt."
Die hohe Stimme erwiderte  nichts mehr, sondern genoss den Moment der Vorfreude auf die Auferstehung Lord Voldemorts und die Vergeltung, die daraufhin folgen würde. Sterben würden sie alle!

~*~

Der Himmel verdüsterte sich bereits, als ich das Schloss verließ und vorsichtig den Weg zu Hagrids Hütte antrat. Der Tarnumhang meines Bruders flatterte über den Boden und ich kam mir beobachtet vor. Missmutig blickte ich mich um. Nichts.
Mein Blick flog hinunter zu dem Quidditchfeld, wo sich Ludo Bagman mit den vier Champions treffen sollte, um ihnen die dritte und letzte Aufgabe des Trimagischen Turniers zu erklären. Bei näheren Betrachten fiel mir auf, dass das Quidditchfeld gar keine ebene Rasenfläche mehr war. Es sah aus, als hätte jemand lange, niedrige Mauern darüber gezogen, die sich kreuz und quer in engen Windungen über das ganze Feld erstreckten. Das würde Harry aber so gar nicht freuen.
Ich wandte mich wieder ab und lief den Rasenhang zu Hagrids Hütte und als ich dort angekommen war, warf ich einen Blick um die Ecke, nur um zuerkennen, dass ein großer, zotteliger, schwarzer Hund im Schatten der großen Nadelbäume des Verbotenen Waldes stand.
Während sich mein Magen vor Angst umdrehte, atmete ich tief ein und aus und ignorierte das Schwindelgefühl, das sich in mir breit machte. Antworten. Ich brauchte endlich ein wenig Gewissheit.
Dieser Gedanke brachte mich schließlich dazu hinüber in den Schutz des Waldes zu hechten und mir den Umhang von den Schultern zu reißen. Sobald Sirius mich gehört hatte, kam er als Mensch in seinem schmutzigen grauen Umhang hinter einem Baum hervor. Ich hatte erwartet, dass er mich breit anlächelte, aber dem war nicht so. Stattdessen blickte er mich bestürzt, beinahe schon leidend, an.

"Hallo", sagte er rau. "Gehen wir ein Stück?"
"Wir können auch hier bleiben", erwiderte ich prompt. Um mich noch weiter zu distanzieren, verschränkte ich meine Arme vor der Brust. "Also?"
Sirius seufzte und ließ sich in das feuchte Gras sinken, den Rücken gegen einen Baumstamm gelehnt. Er vergrub sein ausgemergeltes Gesicht in seinen Händen und murmelte dauernd irgendetwas von wegen "Alles meine Schuld".

"Ich bin hier, weil ich Antworten will, Sirius", sagte ich und bemühte mich um einen entschlossenen Tonfall. "In deinem Brief –"
"Ich weiß, was ich geschrieben habe", unterbrach er mich. "Würdest du dich bitte setzen?"
Widerwillig folgte ich seiner Aufforderung und setzte mich an den Baum ihm gegenüber.
"Wo soll ich nur anfangen?", fragte Sirius mehr sich selbst als mich.
"Wie wär's beim Anfang?"
Er atmete durch und änderte seine verkrampfte Sitzposition. "Dein Vater und ich – wir waren sehr gute Freunde –"
Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen.
" – wie du sicherlich weißt."
Ich schloss ihn wieder.
"Lily und James haben mich zu deinem Paten gemacht, weil sie mir vertrauten", erzählte Sirius mit einer langsam, traurigen Stimme. "An Weihnachten des Jahres 1981 hatte Voldemort den Höhepunkt seines Machtaufstiegs erreicht und wir konnten ihn nicht aufhalten. Mit keinem Mittel der Zaubererwelt. An diesem Abend waren Remus und ich zu Besuch bei euch, du wolltest unbedingt raus im Schnee spielen, also bin ich mit dir nach draußen."
Er stoppte und ich bemerkte, dass er nicht eine dramatische Pause einlegte, sondern, dass sich feine Tränen in seinen wilden Augen gesammelt hatten. Sirius atmete wieder beruhigend ein und aus. Dann erzählte er weiter.

Bis zum bitteren Ende [Draco Malfoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt