Fleisch, Blut und Knochen

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Ich schlug auf der weichen Erde auf, mit dem Gesicht voran, und stöhnte auf. Ich lag am Boden und dachte daran, dass ich auch einfach nie wieder aufstehen könnte. Doch dann hörte ich neben mir ein Keuchen. Ich zwang mich, mich umzudrehen.
Harry sah zu mir herunter, ein großes Loch in seinem Pullover, und sein Bein voller Blut. Neben ihm erkannte ich einen verschwitzten Cedric, der mich nicht aus den Augen ließ.
"Rachel!", keuchte Harry entsetzt und kreuchte auf mich zu.
"Hallo", krächzte ich und rappelte mich auf.
"Was – wie?", stammelte mein Bruder.
"Ich weiß es nicht", murmelte ich als leise Antwort und sah mich missmutig um, während ich mir den Dreck von der Kleidung klopfte.

Hier mussten wir fern von Hogwarts sein; es waren keine Berge mehr zu sehen. Wir standen auf einem dunklen, überwucherten Friedhof; hinter einer großen Eibe war der schwarze Umriss einer kleinen Kirche zu erkennen. Zu Cedrics Linken ragte ein Hügel auf, auf dem man gerade noch so die dunklen Umrisse eines alten Hauses erahnen konnte.
Cedric warf einen Blick auf einen schimmernden Pokal, der am Boden lag. "Hat dir jemand gesagt, dass der Pokal ein Portschlüssel ist?", fragte er meinen Bruder.
"Ne", sagte Harry und ließ die Augen über den Friedhof wandern. "Soll das hier vielleicht zur Aufgabe gehören?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Ich befasse mich lieber mit der Frage, was ich denn hier soll, wenn es denn zur Aufgabe gehören soll. Schließlich bin ich kein Trimagischer Champion."
Es war vollkommen still hier und ein wenig unheimlich.
"Wir sollten unsere Zauberstäube rausholen, meint ihr nicht?", meinte Cedric.
"Ja", sagten Harry und ich gleichzeitig.
Mein Bruder und Cedric hatten ihre Zauberstäbe griffbereit, ich zog meinen eigenen aus meinem Stiefel heraus und murmelte: „Lumos!"

Weder Harry noch Cedric taten es mir nach. Das magische Licht reichte nicht weit und wir spähten angestrengt durch die Dunkelheit. Mein Nacken kribbelte.
"Da kommt jemand", sagte Harry plötzlich.
Ich erkannte die Silhouetten einer Gestalt, die zwischen den Gräbern geradewegs auf uns zukam. Ich konnte ihr Gesicht nicht erkennen, doch nach dem Gang und der Haltung der Arme, schien sie etwas bei sich zu tragen. Wer immer es war, er war klein und hatte die Kapuze des Umhangs tief über den Kopf gezogen, um das Gesicht zu verbergen. Die Gestalt kam näher, war nun deutlicher zu erkennen... In den Armen ein Baby... oder doch nur ein zusammengerollter Umhang?
Mein Bruder ließ seinen Zauberstab sinken.
"Was tust du denn da?", zischte ich. Harry lief um mich herum, nun stand ich neben Cedric. Ich sah ihn kurz an, er sah zurück, und dieser Moment bewies mir, dass ein Blick mehr als tausend Worte sagte.
Ich schluckte und wandte mich wieder der näherkommenden Gestalt zu, die neben einem großen, marmornen Grabstein stehen, höchstens zwei Meter von uns entfernt. Eine Sekunde lang starrten wir uns gegenseitig an.
Und dann schrie mein Bruder ohne Vorwarnung auf. Sein Zauberstab glitt ihm aus den Fingern, er schlug die Hände auf seine Stirnnarbe, und stürzte mit den Knien voran auf den Boden.
"Harry!", rief ich und rüttelte an seine Schulter, doch er hörte nicht auf zu schreien.
Vor mir ertönte eine hohe, kalte Stimme: "Töte den Überflüssigen."
In meinen Hals bildete sich ein schmerzhafter Kloß, eine dunkle Vorahnung beschlich mich, und ich sah auf.
Die Gestalt trat näher, mein Zauberstablicht erlosch, ein Sirren ertönte, ich verlor meine Orientierung, mein Ruf nach Cedric, ging in dem kreischenden Stimme einer zweiten Person unter: "Avada Kedavra!"

"NEIN!", schrie ich, ein gleißender Strahl grünen Lichts erhellte die Nacht, zuckte an mir vorbei und traf Cedric, der sofort auf den Boden fiel, Arme und Beine von sich gestreckt. Die schreckliche Einsicht traf mich, wie ein Schlag mit der Faust in die Magengrube: Cedric war tot.
Für eine Sekunde starrte ich in seine grauen Augen, die mich eben noch angesehen hatten, und jetzt waren sie leer und ausdruckslos, starrten etwas an, das sie nicht mehr sehen konnten. Sein Mund, vor Überraschung ein wenig geöffnet.
Ein Wimmern verließ meinen Mund, ehe ich es aufhalten konnte. "Cedric", murmelte ich und kniete mich neben ihn. "Cedric."
Harry hatte aufgehört zu schreien. "Er ist tot", sagte er mit erstickter Stimme. "Er ist tot, Rachel."
"Nein", erwiderte ich. "Nein, nein, nein. Er ist nicht tot!"
Meine Finger hatten sich verkrampft um Cedrics Shirt geklammert. Wieder wimmerte ich.
Harry wurde auf einmal hochgezogen, ich wandte den Kopf und hörte auf zu weinen.
Der kleine Mann mit dem Kapuzenumhang hatte sein Stoffbündel auf die Erde gelegt, seinen Zauberstab erstrahlen lassen und schleifte meinen Bruder jetzt auf den marmornen Grabstein zu.
Ich zog meine Nase hoch und stand auf. Meine Beine zitterten, doch ich war stark genug, und rannte auf den kleinen Mann zu. Harry versuchte sich aus seinem Griff zu befreien, doch schon im nächsten Moment hatte ich ihn zu Boden geworfen und schlug auf ihn ein. Er quiekte und griff nach seinem Zauberstab, ehe ich wirklich sein Gesicht erkennen konnte, und rief: "Crucio!"

Bis zum bitteren Ende [Draco Malfoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt