Erbarmungslos

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Zum ersten Mal seit vierzehn Jahren sah ich den Zauberer, der meine Eltern ermordet hatte. Der, der versucht hatte meinen Bruder zu töten, der, der mich entführen ließ. Der, der für Cedrics Tod verantwortlich war. Und ich spürte nichts als brennenden Hass.
Voldemort zog seinen Zauberstab, streichelte ihn sanft, und ging dann zu Wurmschwanz hinüber, der wimmernd am Boden lag, seinen Armstumpf in seinen Umhang gewickelt. "Herr", würgte er, "Herr... Ihr habt versprochen ... Ihr habt versprochen ..."
"Streck deinen Arm aus", sagte Voldemort träge.
"Oh, Herr ... ich danke Euch, Herr ..."
Wurmschwanz schob den blutigen Stumpf unter seinem Umhang hervor und hielt ihn Voldemort hin, doch dieser lachte nur kalt auf. "Den anderen Arm, Wurmschwanz."
Wurmschwanz wimmerte, tat jedoch nichts. Voldemort bückte sich und zog den linken Arm seines Dieners unter ihm hervor, schob den Ärmel nach oben und betrachtete fasziniert ein Brandmal auf dem Unterarm... Ich kniff die Augen zusammen. Erneute Schmerzen überkamen mich, aber dann fiel der Fluch, der mich davon abgehalten hatte mich zu bewegen, von mir ab und ich keuchte auf.
Entweder schien Voldemort so zu tun, als wäre ich nicht da oder er bemerkte nicht, dass ich mich vom Boden aufrappelte und mit klebrigen Händen meinen Zauberstab umfasste. Er drückte seinen Zauberstab auf Wurmschwanz' Brandmal und richtete sich dann mit grausamer Genugtuung in den Augen wieder auf. Ein fürchterliches Grinsen umspielte seinen lippenlosen Mund. "Wie viele werden wohl den Mut haben zurückzukehren, wenn sie es spüren? Und wie viele werden dumm genug sein, nicht zu kommen?"

Harry ächzte und beobachtete mich mit seinen grünen Augen. Es schien mir als würde er ganz leicht den Kopf schütteln, als ich einen Schritt auf Voldemorts Rücken zumachte. Doch ehe ich etwas anderes tun konnte, drehte sich der Dunkle Lord um und richtete seinen Zauberstab auf mich. Ich wurde von einer enormen Kraft nach hinten geschleudert und landete neben Cedrics totem Körper. Ich stöhnte vor Schmerzen auf und drehte mich von der Leiche weg. Wenn ich sie nicht ansah, dann war sie auch nicht da.
Ich hielt meine Augen geschlossen, die Zähne zusammengebissen. Und doch hörte ich Voldemorts erbarmungsloses Lachen, das eher dem Zischen einer Schlange glich. "Harry Potters Schwester", sagte er schmähend. "Endlich hast auch du das Vergnügen mich kennenzulernen. Wie viel hat dir dieser Junge hier bedeutet?"
Ich brauchte nicht meine Augen zu öffnen, um zu wissen, dass er auf Cedric zeigte. Unweigerlich verließ ein leises Schluchzen meinen Mund.

Plötzlich war die Luft erfüllt vom Rascheln und Rauschen vieler Umhänge. Zwischen den Gräbern, hinter den Bäumen, tief in den Schatten, überall apparierten Zauberer. Ich öffnete meine Augen und erkannte, dass Voldemort wieder zu Wurmschwanz und Harry gegangen war. Fast alle der Zauberer, die appariert waren, trugen Masken und Kapuzen. Und einer nach dem anderen schritt an Cedric und mir vorbei, auf Voldemort zu, langsam und vorsichtig, als würden sie ihren eigenen Augen nicht trauen... Ihr Meister war zurückgekehrt.
"Willkommen, meine Freunde. Willkommen", sagte Voldemort, als die Todesser einen Kreis um ihn schlossen. "Dreizehn Jahre sind vergangen und doch steht ihr hier vor mir, als wäre es gerade erst gestern gewesen. Ich gebe zu, ich bin überaus ... enttäuscht von euch."
Ein paar der Todesser zuckten zusammen und senkten ihre Blicke, beinahe so als fürchteten sie der Dunkle Lord könnte sie für seine Misserfolge strafen.
"Nicht ein einziger von euch hat versucht mich zu finden!", zischte Voldemort laut und schritt nun ganz dicht an den Todessern vorbei. "Ich sehe euch hier versammelt, gesund und unversehrt, auf der Höhe eurer Zauberkraft, und ich muss mich fragen ... warum ist diese Bande von Zauberern ihrem Herrn, dem sie ewige Treue geschworen hatte, nie zu Hilfe geeilt?"
Keiner sprach und keiner rührte sich. Nur Wurmschwanz lag noch immer schluchzend am Boden und war über seinen Arm gebeugt.
"Und ich antworte mir selbst ... Sie müssen geglaubt haben, ich sei gebrochen, sie glaubten, ich sei vernichtet. Sie schlichen sich wieder unter meine Feinde und verkündeten, sie seien unschuldigen, einem Zauber unterworfen gewesen.", sprach Voldemort wütend. "War es nicht so, Crabbe?"
Er trat auf einen Todesser zu und zog ihm die Maske vom Gesicht. Crabbe fiel vor seinem Herrn auf die Knie, doch Voldemort trat beiseite. "McNair!" Auch bei ihm zog er die Todessermaske vom Gesicht, wie auch bei Goyle und Avery.
"Nicht einmal du, Lucius, mein aalglatter Freund." Er trat auf einen der Zauberer zu und zog ihm die Maske vom Gesicht. Lucius sank auf die Knie.
"Mein Herr", sprach er, "hätte es über euren Aufenthaltsort nur ein Zeichen oder Geflüster gegeben –"
"Es gab Zeichen und mehr als Geflüster, mein verräterischer Freund."
"Ich versichere euch, Herr, ich habe den alten Bräuchen nie abgeschworen. Das falsche Gesicht, das ich der Welt zeigen musste, Tag für Tag, seit eurer Abwesenheit, das ist meine wahre Maske."

Bis zum bitteren Ende [Draco Malfoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt