Ich werde tun, was man mir sagt

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Da Harry es geschafft hatte, sich in der darauffolgenden Stunde Verteidigung gegen die dunklen Künste, wieder Nachsitzen einzuhandeln, konnte er mir ja Gesellschaft leisten. An diesem Abend machte ich mich also mit ihm zusammen auf den Weg zu Umbridges Büro.
"Was hast du angestellt?", fragte mich mein Bruder. Ich zuckte unschuldig mit den Schultern.
"Ich wollte ihr Florfliegen unterjubeln."
Harry grinste, dann klopfte er an Umbridges Bürotür an. Mit zuckersüßer Stimme rief sie "Herein". Als wir eintraten, lächelte sie breit und blickte uns an, als hätte sie gerade eine besonders saftige Fliege geschluckt. "Abend, Professor Umbridge", begrüßte ich sie, Höflichkeit heuchelnd.
"Nehmen Sie Platz", erwiderte sie und deutete auf einen kleinen Tisch mit Spitzdeckchen. Anscheinend kannte Harry schon die ganze Prozedur schon, denn er setzte sich an einen der beiden Tische, nahm die Feder entgegen, die Umbridge ihm hinhielt und begann auf das Blatt Pergament zu schreiben.
Seufzend setzte ich mich an den anderen Tisch und betrachtete misstrauisch Umbridges Folterfeder. Ich warf einen nervösen Blick zu Harry, dessen Narben sich bereits wieder geöffnet hatten und bluteten. Auf seinem Pergament standen immer wieder dieselben Worte: Ich soll keine Lügen erzählen.
Professor Umbridge, die noch immer vor mir stand, sagte nun honigsüß: "Miss Potter, ich möchte, dass Sie schreiben: Ich werde tun, was man mir sagt."
"Aha", murmelte ich, setzte die Feder an und wusste bereits, dass ich keine Tinte brauchte.
Ich hatte versucht, mich auf den Schmerz vorzubereiten, aber ich keuchte trotzdem auf und starrte entsetzt meinen rechten Handrücken an. Der Satz Ich werde tun, was man mir sagt war dort wie mit einem Skalpell hineingeschnitten, doch noch während ich auf die Wunde sah, verheilte sie und es blieb nur ein roter Schimmer auf meiner Haut zurück. In mir keimte Hoffnung an, dass ich vielleicht keine Narben vom Nachsitzen tragen würde, doch noch während den nächsten Stunden schwand diese Hoffnung. Je öfter ich den Satz schrieb, desto schlimmer wurden die Schmerzen und die Wörter wurden tiefer.

Es war nach zehn Uhr, als Umbridge uns endlich entließ. Die Schule war wie ausgestorbgen und auf dem ganzen Weg zum Gemeinschaftsraum sagte ich kein Wort. Ron und Hermine saßen auf den Sesseln beim Feuer, doch ehe ich Harry nachgehen konnte, wurde ich von Fred und George abgefangen.
"Wo warst du denn den ganzen Abend?", fragten sie und sahen mich an. Ich seufzte und ließ mich auf einen Stuhl fallen.
Fred setzte sich neben mich. "Was ist denn los?"
"Verdammt", murmelte ich. "Ich hatte Nachsitzen bei Umbridge."
Ich spürte, wie er einen Arm um mich legte und hob meinen Kopf wieder an.
"Wieso?", fragte George.
"Weil sie mich erwischt hat, wie ich Florfliegen in ihren Zucker gemischt habe", antwortete ich und wagte es nicht, mich Freds Blick zu stellen.
"Warum wolltest du –?", setzte George an.
"Weil Florfliegen Ausschlag verursachen", erklärte ich. "Habt ihr in Zaubertränke nicht aufgepasst?"
Die Zwillinge warfen mir einen Blick zu, und ich musste ein wenig lachen.
"Weshalb hast du dich erwischen lassen?", fragte Fred, der mir mit der Hand sanft über den Rücken strich, was überraschenderweise beruhigend auf mich wirkte.
"Ich hab mich doch nicht extra erwischen lassen", meinte ich ein wenig eingeschnappt. "Diese blöden Kätzchengemälde in ihrem Büro haben Augen und Ohren."
"Das konntest du doch nicht wissen", versuchte George mich aufzuheitern. "Wie lange hast du denn Nachsitzen?"
"Eine Woche", antwortete ich schlicht. "Umbridge lässt mich, ähm, Sätze schreiben."
"Das ist alles?", hakte Fred nach.
"Na ja", gab ich zu. "Der Satz ritzt sich in meine Haut ein."
Als Beweis hielt ich ihnen meine Hand hin, die Fred entsetzt näher beäugte. "Ich werde tun, was man mir sagt?", las er vor und sah mich an, doch ich zuckte nur mit den Schultern.
Fred und George sahen sich an und schienen in Gedanken etwas abzumachen.
"Jungs, bitte bringt euch meinetwegen nicht –!"
"Das werden wir Umbridge heimzahlen, versprochen!", sagte George und grinste mich an. "Wir werden uns für dich rächen."
"Vielen Dank, aber das ist wirklich nicht notwendig", erwiderte ich. "Ich kann auf mich selbst aufpassen."
"Wir haben ja gesehen wie das ausgeht", murmelte Fred.
Entrüstet wandte ich mich ihm zu und schlug ihm grinsend gegen den Arm. "Was soll das denn bitte heißen?"
Die Zwillinge lächelten nur und verabschiedeten sich dann, da sie noch etwas mit ihrem Lee Jordan zu besprechen hatten. Ich nickte, wünschte ihnen schon mal eine gute Nacht, und ging dann zu Hermine rüber, die alleine mit Krummbein in einem Sessel saß.
"Wo sind denn Harry und Ron?", fragte ich sie, während ich mich neben sie auf das Sofa setzte und das Feuer im Kamin beobachtete.
"Sie sind schon schlafen gegangen", antwortete sie. "Wie war das Nachsitzen?"
Für einen Moment überlegte ich, was ich sagen sollte, aber ich entschied mich für die Wahrheit. "Fürchterlich. Ich weiß, dass Harry es dir noch nicht erzählt hat, aber Umbridge lässt uns immer wieder denselben Satz schreiben, und ... na ja, schau."
Ich hielt ihr meine Hand hin. Mit zusammengezogenen Augenbrauen las sie stumm den Satz. Dann blickte sie zu mir, ihren Mund geschockt geöffnet.
"Wir müssen etwas dagegen unternehmen! Diese Frau ist grausam", sagte Hermine. "Das ist Folter."
"Glaub mir, ich bin auch nicht gerade begeistert, aber was sollen wir schon dagegen tun?"
"Du musst es Dumbledore melden", meinte Hermine mit gesenkter Stimme.
Aber ich schüttelte den Kopf. "Ich kann nicht wie ein kleines Kind zu ihm rennen, Hermine. Das geht einfach nicht. Außerdem würde ich damit Harry verraten. Ich schaffe das schon irgendwie."
"Darum geht es nicht", entgegnete sie.
"Worum dann?"
"Umbridge hat kein Recht darauf, Schüler körperlich zu verletzen!"
Ich ließ mir ihre Worte durch den Kopf gehen. Natürlich wusste ich, dass sie Recht hatte, aber ich konnte nicht aufgeben und so schnell Schwäche zeigen. Stöhnend vergrub ich den Kopf in meinen Händen. "Ich weiß einfach nicht, wie es jetzt noch weitergehen soll."
"Vielleicht ist es Zeit, dass ... dass wir es selbst in die Hand nehmen", sagte Hermine zaghaft, als würde sie einen unvollendeten Gedanken aussprechen.
"Wie meinst du das?", grummelte ich und lugte zwischen meinen Fingern hervor.
Sie zuckte mit den Schultern. "Ich denke, wir sollten Verteidigung gegen die dunklen Künste selber lernen."
Ich schnaubte kurz über diese Vorstellung, dann sagte ich: "Dir ist schon klar, dass man nicht alles aus Büchern lernen kann? Dann brauchen wir einen Lehrer."
"Das ist es ja eben!", sagte sie nun aufgeregt. "Wir können die Lösung all unserer Probleme selbst nicht in der Bibliothek finden, deswegen brauchen wir einen ordentlichen Lehrer, der uns beibringt, wie es ist, da draußen zu sein und zu kämpfen!"
"Und wen schlägst du bitteschön vor? Ich bezweifle, dass Dumbledore uns Unterricht geben wird."
"Nein", murmelte sie, überlegte kurz. "Aber Harry."
Ich starrte sie an. "Wie bitte?"
"Harry weiß, wie es ist vor Du-weißt-schon-wem zu stehen. Er hat ihn schon vier Mal geschlagen, er wird es uns beibringen."
"Und wer ist 'uns'?", hakte ich nach und zog eine Augenbraue nach oben.
"Ron, du, ich...", sagte Hermine. "Und jeder andere, der will."
Ich blickte zu ihr hinüber, noch nicht wirklich überzeugt. "Hermine", sagte ich langsam. "Ich weiß nicht... Ich glaube nicht, dass Harry so begeistert davon sein wird. Hör mal, er war zwar der beste in Verteidigung gegen die dunklen Künste, aber ... –"
"Nein, darum geht es mir gar nicht", erwiderte sie. "Aber überleg doch mal, wie oft er schon Du-weißt-schon-wem entkommen ist! In den Sommerferien hat er die Dementoren vertrieben, er hat einen Basilisken getötet und den Stein der Weisen gerettet!"
"Das weiß ich alles!", sagte ich. Mein Kopf schmerzte. "Ich meine doch nur... Ach, keine Ahnung. Ihr könnt ja auch machen, was ihr wollt. Mich muss es ja nicht interessieren." Schließlich stand ich auf und schulterte meine Schultasche. "Ähm – Nacht."
Ich winkte noch einmal Fred und George zu, die sich noch immer mit Lee Jordan unterhalten. Dann ging ich hoch in meinen Schlafsaal, um meine schmerzende Hand unter kaltes Wasser zu halten und mich anschließend  vor lauter Erschöpfung ins Bett fallen zu lassen.

Bis zum bitteren Ende [Draco Malfoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt