Auf den Spuren einer Schlange

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Der Freitag neigte sich dem Ende und ich beschloss die letzten Stunden bis zum Wochenende in der Bibliothek zu verbringen. Auf dem Weg dorthin traf ich auf Cedric und wollte ihn ignorieren, doch das war schwerer als gedacht, da er beschlossen hatte, mich nicht zu ignorieren.
"Rachel, warte doch mal!", rief er. "Ich würde gerne mit dir reden!"
Genervt drehte ich mich um und war versucht das schwere Buch in meinen Händen nach ihm zu schmeißen. "Hau ab, Cedric! Ich brauche niemanden, schon gar nicht dich!"

Erschrocken sah er mich an. "Du hast dich verändert. Du bist definitiv nicht mehr die Rachel, die ich mal zu kennen geglaubt habe."
Cedric hatte ja keine Ahnung, dass mich diese Worte noch wütender machten. "Nein, bin ich eben nicht! Geht das nicht in deinen Kopf rein?"
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte ich mich um und betrat die Bibliothek. Ich gab das Buch über Zaubertränke, das ich mir das letzte Mal ausgeliehen hatte, wieder zurück an Madam Pince und streifte auf der Suche nach einem ruhigen Platz durch die Gänge. Ich ließ mich an einem kleinen Tisch mit zwei Stühlen nieder, der noch nicht besetzt war und zog Pergament und Feder aus meiner Schultasche. Dieser Brief an Sirius musste einfach geschrieben werden.

Sirius,
Nach deinem Brief an Harry heute Morgen musste ich ihm, Hermine und Ron erklären, wieso ich im Verbotenen Wald gewesen war. Nein, ich hatte es ihnen nicht erzählt und ich habe auch nicht vor ihnen oder sonst jemandem von Phoebe Potter zu erzählen. Hör auf mit Harry darüber zu schreiben. Wenn du in deinen Briefen an ihn über mich schreibst, dann kannst du die Eule gleich zu mir schicken. Ich kann und möchte dir nicht verzeihen. Du hast Recht. Es ist deine Schuld. Ich werde darüber nicht hinwegsehen, weil ich nicht vergessen kann, was du mir erzählt hast. Ich bin nicht Phoebe Potter. Ich war niemals Phoebe Potter. Es kommt mir vor, als wäre Phoebe eine ganz andere Persönlichkeit und ich möchte nicht, dass mein Bruder, den ich erst seit knappen vier Jahren kenne, erfährt, dass ich jemand anderes bin und war. Wenn du nicht gewesen wärst, dann wäre ich mit meinem Bruder aufgewachsen.
Rachel

"Kann ich mich setzen?"
Erschrocken fuhr ich hoch und ließ die Feder auf das beschriebene Pergament fallen. Ein Blick hinter mich sagte mir, dass Draco Malfoy derjenige war, der daran schuld war. Schnell nahm ich die Feder und fuhr mit meinem Zauberstab über die Tintenflecke, sodass diese verschwanden. "Du kannst dich auch woanders hinsetzen", erwiderte ich schließlich knapp und legte den Brief an meinen Paten sorgfältig unter meine Schulbücher.
"Alle Tische sind besetzt und wenn ich die Wahl zwischen dir und nervigen Erstklässlern habe, die ihre eigenen Popel essen, dann setzte ich mich doch lieber zu dir", sagte Malfoy und ließ sich ohne Aufforderung auf den zweiten Stuhl sinken.

"Was macht du in der Bibliothek?", fragte er.
Ohne den Kopf zu heben, antwortete ich: "Ach, sind wir also wieder gut drauf? Ich könnte dir nochmal die Nase brechen, wenn du willst."
Malfoy lachte leise auf. "Nein, danke. Madam Pomfrey hat schon gemeint, ich wäre in eine Schlägerei verwickelt gewesen."
"Ich würde mir nie die Gelegenheit nehmen lassen dir ins Gesicht zu schlagen, Malfoy", erwiderte ich, immer noch ohne von meinem aufgeschlagenen Buch aufzusehen, obwohl ich gar nicht darin las.
Wieder lachte er kurz auf. "Nein, ernsthaft, was machst du hier?"
"Ich wollte in der Bibliothek sitzen und meine Hausaufgaben machen – ausnahmsweise", sagte ich und sah ihn an.

Draco musterte mich mit den kalten, blaugrauen Augen, die sonst immer Abscheu ausstrahlten. Ich hielt seinem Blick kurz stand, dann sah ich weg, und räusperte mich. "Was ist mit dir?"
"Was soll mit mir sein?", erwiderte er sofort, ohne wegzusehen. Es schien ihn zu amüsieren, wenn ich mich unwohl unter seinen Blicken fühlte. Wieso tat ich nichts dagegen?
"Was machst du hier in der Bibliothek?", wiederholte ich. "Es sieht nämlich nicht so aus, als würdest du lesen oder deine Hausaufgaben machen wollen."
Malfoy seufzte leise. "Ich habe einfach einen ruhigen Platz zum Nachdenken gebraucht."
"Aha." Und mit diesen Worten sah ich wieder auf mein Buch und versuchte den Text über Amortentia, einen Liebestrank, zu lesen, doch ich verstand kein Wort von dem, was dort geschrieben stand. Meine Gedanken drehten sich um Cedric und Draco und das war es, was mir widerstrebte. Musste er sich auch genau hier hinsetzen?

Bis zum bitteren Ende [Draco Malfoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt