Unschuldig

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Da es nun nur noch eine Woche bis zu den Dezemberferien war, herrschte in Hogwarts weihnachtliche Stimmung. Ron und ich mussten weiterhin unseren Pflichten als Vertrauensschüler nachgehen und das Dekorieren des Schlosses überwachen. "Versuch mal Lametta aufzuhängen, wenn Peeves das andere Ende festhält und dich damit erwürgen will", beschwerte Ron sich am Mittwochabend, während ich meine Schulsachen zusammenpackte und aufstand. Den ganzen heutigen Tag hatte ich es vermeiden können, Malfoy zu begegnen, jedoch musste ich nun gemeinsam mit ihm die Gänge patrouillieren. Still leidend verabschiedete ich mich von meinen Freunden und machte mich auf den Weg zum Slytherin-Gemeinschaftsraum. Malfoy stand bereits dort, wartend lehnte er an der Wand, von der er sich abstieß und mir entgegen kam, sobald er mich sah.

"Bevor du irgendwas sagst, Malfoy", setzte ich an und mied seinen Blick. "Ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich habe Schuld an deinem Spielverbot –"

"Ich weiß", sprach er kühl und packte mich so schnell am Kinn, dass ich nicht reagieren konnte. Ich war gezwungen ihn anzusehen. Verzweifelt versuchte ich mich seinem eisernen Griff zu entwinden, aber Malfoys physische Kraft überstieg meine um Längen. Ich versuchte nach seinen Armen zu schlagen, ihn zu treten, aber all das nützte nichts.

"Du tust mir weh", jammerte ich schließlich und als er endlich seinen Griff lockerte und die Hand senkte, sah ich ihn schockiert an und hielt mir den schmerzenden Kiefer.

"Tut mir leid. Ich wollte dir nicht wehtun", murmelte er und sah mir mit geweiteten Augen dabei zu, wie ich mir den Kiefer rieb.

Da ich nicht wusste, was ich darauf antworten sollte, drehte ich ihm den Rücken zu und lehnte mich an die kühle Steinwand. Mein Blick glitt an der Decke hoch, von der einige Mistelzweige herunterhingen. Hinter mir atmete Malfoy seufzend aus und sagte dann: "Rachel, würdest du mich bitte angucken? Ich glaube, wir haben einiges zu klären."

Schwer schluckend wandte ich mich ihm zu. Er stand keine Fingerlänge von mir entfernt und zog die Augenbrauen zusammen, sodass eine kleine Furche zwischen ihnen entstand. Als mich das Verlangen überkam seine bleiche Haut glattzustreichen, zuckte ich erschrocken zusammen. Ich wandte den Blick ab und dachte schon, Draco würde mich wieder am Kinn packen, als er die Hand hob, um sich durch die Haare zu fahren. Mehrere Momente lang standen wir uns einfach nur gegenüber. Weder er noch ich sagten etwas, bis Malfoy schließlich fragte: "Wieso hast du ...?"

"Warum ich dich bei Umbridge verraten habe?", erwiderte ich feindselig. "Ganz einfach; du hast es verdient. Nicht Fred, George oder Harry sollten Spielverbot haben, sondern du. Du bist derjenige, der gewalttätig ist – du brichst mir die Nase und gerade eben ... da habe ich gedacht, du willst mir den Kiefer brechen!"

"Es ist mir egal, ob ich im Quidditchteam bin oder nicht", unterbrach Malfoy mich und ich riss verwundert die Augen auf.

"Das sah gestern aber ganz anders aus", erwiderte ich und rief mir den Kampf zwischen Draco und Flint ins Gedächtnis.

Malfoy zuckte nur lässig mit den Schultern und auf seinen Lippen bildete sich der Anflug eines Lächelns. "Ich habe mittlerweile erkannt, dass es wichtigere Dinge gibt, als Quidditch."

"Es tut mir trotzdem leid, verstehst du? Es war nicht richtig von mir, dir einen Teil deines Lebens zu nehmen, nur um meinen Freunden zu beweisen, dass ..." Ich suchte nach den richtigen Worten, doch nichts schien mir passend, um meine Beziehung zu Malfoy zu schildern. "Dass, ich dich nicht beschütze ..."

"Beschützen?", wiederholte Draco. "Wieso solltest du mich schützen? Vor was?"

Mir entging der gehässige Unterton in seiner Stimme nicht. Ich musterte ihn kurz wütend und tadelte mich selbst, eine so unpassende Wortwahl getroffen zu haben. "Jaah, Ron hat gedacht ..."

Bis zum bitteren Ende [Draco Malfoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt