Machtspiele und Misstrauen

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Am nächsten Morgen machte ich mich alleine auf den Weg in die Große Halle, wo ich allerdings schon die Zwillinge vorfand. "Gut geschlafen?", fragte George, als ich mich setzte.
Ich nickte und warf Fred einen Blick zu, der in sein Müsli lächelte. Mit knurrendem Magen schmierte ich mir ein Marmeladenbrötchen.
"Ich habe eine Idee", verkündete ich. "Ich weiß jetzt, wie ich es Umbridge heimzahle."
Die Zwillinge sahen mich fragend an, doch ich grinste nur erhaben und schielte zum Lehrertisch hoch. Dort hockte Umbridge auf ihrem Platz neben Dumbledore, dessen Stuhl frei war, und trug wieder ihre grässliche Strickjacke. Sie würde noch lernen, mich nicht zu unterschätzen.
Während ich mich noch mit Fred und George unterhielt, kamen Harry, Ron und Hermine zum Frühstück und gesellten sich zu uns.
"Guten Morgen", wünschte uns ein strahlender Harry.
"Warum hast du so gute Laune?", fragte ich ihn mit gerunzelter Stirn.
"Ähm, nur so ... Heute ist Quidditch", sagte er vergnügt und zog die Platte mit Speck und Eiern zu sich heran.
"Ach ... jaah", sagte Ron und schob seinen Teller beiseite. Anscheinend war ihm der Appetit vergangen.
"Was ist denn los, Brüderchen?", ärgerte ihn Fred. "Schlägt dir das Amt des Vertrauensschülers auf den Magen?"
"Nein", fauchte er und wandte sich dann an Harry. "Meinst du, ähm – wir könnten heute ein bisschen früher rausgehen und zusammen üben? Dann kann ich schon mal ein bisschen reinschnuppern, verstehst du ..."
"Ja, okay", sagte Harry.
Hermine musterte die beiden besorgt. "Hört zu, ich glaube, ihr solltet das besser bleiben lassen. Ihr seid beide weit hinterher mit den Hausaufgaben ..."
Ron und Harry wechselten einen Blick, doch sie änderten nicht ihre Entscheidung, früher zum Quidditchfeld runterzugehen. Während Hermine nun ihren morgendlichen Tagespropheten las, nahm ich wieder die Unterhaltung mit den Zwillingen über die ZAGs auf.

Ich verbrachte den Rest des Morgens im Gemeinschaftsraum und erledigte einen Teil der Hausaufgaben für nächste Woche. Ich hatte beschlossen, dass ich wirklich versuchen wollte, dieses Schuljahr erfolgreich zu absolvieren, damit ich gut in die sechste Klasse starten konnte.
Als es Zeit für ihr Quidditchtraining war, versuchten Fred und George mich zu überreden, mit ihnen zu kommen und dabei zuzuschauen. Obwohl Hermine mir einen warnenden Blick zuwarf und mir Schuldgefühle wegen des Aufsatzes für Professor Binns machte, entschied ich mich mit den Zwillingen zu gehen. Die Verlockung die vermutlich letzte Sonne dieses Jahres noch einmal zu genießen, war zu groß.
Wie sich herausstellte, war ich nicht die einzige Zuschauerin; ein paar Slytherins lungerten auf den Tribünen, unter ihnen war auch Malfoy, den ich jedoch ignorierte, wie auch schon bei den Auswahlspielen am Tag zuvor. Schließlich wollte ich Ron keinen Grund geben, unnötigerweise zu denken, dass ich Malfoy mochte.
Nachdem ich ein paar Minuten gewartet hatte, kam das Gryffindorteam auf das Feld und schoss in die Luft. Sie fingen mit ein paar lockeren Einspielübungen an, die Ron allesamt verpatzte. Die Slytherins, die nur ein paar Reihen von mir entfernt saßen, stimmten mittlerweile einen Schlachtgesang an – Gryffindor, Flaschen vor, Gryffindor, Flaschen vor – und machten Ron furchtbar nervös, der jeden Ball durch die Ringe ließ. Immer wieder johlten die Slytherins vor Vergnügen.
Mir war es unangenehm, dass ich alleine war, während in meiner Nähe so viele Slytherins saßen. Ich bot ihnen ein ungeschütztes Ziel, doch anscheinend ignorierten sie mich einfach.
Es verging gerade mal eine Stunde, da musste Angelina Johnson das Training abbrechen, da Katie Bell, die von dem Quaffel getroffen wurde, nun so stark aus der Nase blutete, dass sie von George und Alicia in den Krankenflügel gebracht werden musste. Die Gryffindors verschwanden im Umkleideraum, während ich bei den Tribünen blieb, um auf Fred zu warten.
Die Slytherins zogen an mir vorbei, ohne groß auf mich zu achten, außer Pansy Parkinson, die natürlich einen Kommentar über meine Freizeitkleidung loswerden musste (dabei trug ich eine ganz normale Hose und einen Pullover), doch ich ignorierte sie einfach. Jedoch bemerkte ich, dass sich unter der Menge kein blonder Haarschopf fand und ich drehte mich um.
Tatsächlich stand Malfoy noch dort und bewegte sich erst in Bewegung, als er sah, dass ich zu ihm schaute. Ich drehte meinen Kopf wieder weg und hoffte, dass Fred gleich zu mir kommen würde.
"Kommt es mir nur so vor", sagte Malfoy, als er neben mir stehenblieb, "oder ignorierst du mich?"
Ich musste ihm keinen Blick zuwerfen, um zu wissen, dass er grinste. Lautlos seufzte ich und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass weder Harry noch Ron aus der Umkleidekabine raustraten.
"Soweit ich weiß, sind wir keine Freunde", antwortete ich Malfoy schließlich. "Also bin ich auch nicht verpflichtet, dich auf dem Gang zu grüßen."
Ich sah ihn immer noch nicht an, aber er lachte trotzdem. "Du sieht Freundschaft also als Verpflichtung an?"
Ich gab ihm keine Antwort, sondern presste meine rauen Lippen aufeinander, um zu verhindern, dass ich grinste. In diesem Moment trat Fred auf mich zu und lächelte. "Hey, hast du auf mich gewartet?"
Ich nickte und erlaubte mir nun ein Lächeln. "Gutes Training."
Malfoy schnaubte und Fred schenkte ihm zum ersten Mal Beachtung. "Möchtest du was sagen, Malfoy?", bellte er.
"Fred", murmelte ich und zog ihn weg. "Lass uns gehen. George wartet bestimmt, okay?"
Er nickte und wir machten uns auf den Weg nach oben zum Schloss. Ich wagte einen kurzen Blick über die Schulter, als Fred gerade nicht zu mir sah, und starrte direkt in Malfoys graue Augen, die mir hinterhersahen.

Bis zum bitteren Ende [Draco Malfoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt