3. Kapitel

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Ruckartig zog er mich hoch, sodass ich keine Chance hatte zu reagieren. Ehe ich mich versah, berührten meine Füße nicht mehr den sicheren Boden. Auch wenn es nur Zentimeter waren, die mich von meiner natürlichen Umgebung trennten, so fühlte es sich anders an. Angst, Schock, Trauer und das auch noch gemischt mit Wut, ließ mich nicht klar denken. Wut, weil ich mich selber gerade verfluchte. Wie hatte ich mich einen Moment sicher fühlen können?  

Ich wand mich in seinem Griff, versuchte mein Gewicht irgendwie zu verlagern.

Luft! 

Ein einziger Gedanke, der sich schnell in meinem Kopf brannte. Das Wichtigste wurde knapp. Auch wenn der Vampir gar nicht drückte, mich lediglich festhielt, so nahm es mir dieses Element.

Ich brauche Luft!

Verzweifelt, etwas anderes konnte ich auch nicht sein, umfasste ich seinen starken Arm. Daran konnte ich mich hochziehen, denn mein Gewicht verlagerte sich nach unten. Man konnte auch sagen, dass ich mir selber irgendwie das Leben nahm. Aber ich wollte nicht sterben, nicht hier und nicht jetzt. Durchaus hatte ich viele Leute getroffen, die Suizid begangen hatten. Auch hatte ich es auf einer gewissen Weise verstehen können, aber ich wollte es nicht. Mein Leben war mir zu wertvoll und bisher hatte ich es immer geschafft irgendwie zu überleben.

Doch genau dieser Gedanke geriet im Moment ein wenig ins Wanken.

Wäre es nicht doch besser, wenn ich mich selber umbringe, als durch einen Vampir zu sterben?

Es klang verlockend. Man schnitt sich Pulsadern auf, ließ sich ersticken oder sprang aus einem Hochhaus. Das alles führte dazu, dass man sterben würde. Menschen konnten so einfach aus dem Leben treten, dass es beinahe erschreckend einfach erschien. Nur der Verstand musste vorher überwunden werden. Diese Blutsauger kannten das Problem anscheinend gar nicht.

Nein, ich will leben. Der Tod ist es nicht wert, ich muss kämpfen.

Woher ich diesen neuen Mut nahm, wusste ich nicht. Aber mein Überlebensinstinkt schrie nach mir und ließ mich aufwachen. Wie hatte ich nur einen Moment an den Tod denken können? Dies war nicht meine Art. Vielleicht lag es aber auch an der momentanen Situation, in der ich mich befand. So stützte ich mich noch weiter auf denjenigen ab, der mich theoretisch in wenigen Sekunden vernichten konnte. Aber dieser Blutsauger tat nichts, stattdessen ergötzte er sich an meine verzweifelten Versuche nach Luft zu ringen.

Dieses Schauspiel dauerte viele lange, nicht enden wollende Minuten an. Ehe ich seine ruhige Stimme wie eine Sirene in meinen Ohren vernehmen konnte. Der Große nahm den gesamten Raum mit seiner Präsenz ein.

„Mhm?", machte er zunächst und öffnete leicht seinen Mund, sodass ich direkt auf seine langen Fangzähnen blicken konnte.

Die tödlichen Waffen, mit dem ein Vampir jeden beißen konnte.

Aber nicht nur das war ein Merkmal der Blutsauger, auch eben ihre unglaubliche Stärke. Ihre scheinbare Unsterblichkeit, so durfte man sich nicht von dem Aussehen der Monster beeinflussen lassen. Sie waren bestimmt viel älter. So alt, dass es weit über den menschlichen Verstand hinausgehen konnte und gleichzeitig zählte für sie das Alter nicht mehr. Die Zeit schien für sie wie stehengeblieben zu sein.

„Ich muss gestehen, ich empfinde gerade äußerst viel Freude."

„F-Freu...de?", brachte ich mühsam hervor und verstand nicht worauf man hinauswollte. Doch statt mir zu antworten, drückte seine Hand ein wenig weiter zu, sodass ich kurz die Luft scharf einatmen tat. Aber sie blieb mir im Mund hängen und schafft es nicht meine Lungen zu erreichen. Meine Beine bewegten sich ein wenig. Was es genau bezwecken sollte, wusste ich nicht. Es passierte instinktiv.

BlutrotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt