16. Kapitel

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Aber entgegen meiner Interesse verpasste ich den Moment des Nachfragens. Sosehr hatte ich mir Fragen überlegt, ja, ich hatte mich ernsthaft in der stillen Phase damit beschäftigt. Doch, wenn ich es mir auch recht überlegte, so würde er bestimmt nichts davon beantworten.

Als ob er mit mir über sein Leben reden würde. Sein vorheriges Leben. Was denk ich mir nur?

Ich sollte es sofort lassen, mich nicht daran aufhalten, denn es gab wichtigeres für mich. Nur mein Überleben zählte und nicht irgendeine Geschichte eines Blutsaugers, mit dem ich eben etwas länger Zeit verbracht hatte, als ich es jemals zuvor mit jemand anderes tat. Es war schon recht erstaunlich für mich, dass mittlerweile einige Tage vergangen waren, in denen ich mich langsam an seiner Existenz gewöhnt hatte. Wie leicht es doch war und gefährlich zugleich. Eigentlich sollte ich stets auf der Hut sein und doch tat ich es nicht mehr. Ich leistete ihm sogar Widerworte, hob meine Stimme und versuchte Gehör zu finden.

Wieso nur? Was will ich denn? Warum will ich denn, dass er mich erhört und wieso will ich sein Leben erfahren?

Selbst verstand ich mich überhaupt nicht und konnte auch nicht diesen plötzlichen Sinneswandel erklären. Was reizte mich nur daran? Wieso auf einmal und warum gerade jetzt? Was war nur los mit mir?

Ja, während ich beinahe verzweifelt über mich selbst nachdachte, beendete mein Gegenüber das Verarzten. Ein letztes Mal zog er den Verband eng, aber nicht zu eng. Er drückte nichts ab und doch lag der Stoff schützend über den Kratzer, den ich von Ferid abbekommen hatte. Was aber Crowley nicht wusste und niemals erfahren durfte.

Stumm stand er auf, erwiderte nichts, als er mir den Rücken zuwandte und sich langsam wieder die Handschuhe anzog. Das Gefühl der kalten Hände blieb jedoch noch eine Zeit lang auf meinem Arm, als würden sie immer noch dort ruhen und meine Wunde säubern. Jedoch konnte ich nicht anders. Statt mich darum zu kümmern und meinen Verband zu betrachten, starrte ich beinahe Löcher in den Rücken des großen Vampirs. Es war nicht so, dass meine Blicke ihm folgten, ich hatte sie nur dort angehaftet.

Leise summend packte er alles weg, ehe er sich erneut mir gegenüber setzte. Anscheinend war es immer noch nicht zu Ende. Um ehrlich zu sein, hatte ich eine Vorahnung was jetzt kommen sollte.

Bestimmt verlangt er jetzt nach Blut.

Sozusagen als Bezahlung oder irgendetwas in diese Richtung, so setzte ich mich gerade hin und atmete tief ein. Dieses Mal wollte ich nicht überrascht werden, sondern wenigstens ein bisschen vorbereitet sein. Zunächst ohne jegliches Gefühl in seinem Gesicht starrte er mich an. Mit jedem Moment der verstrich, fühlte ich mich unwohler und kleiner. Egal wie er es machte, ich fühlte mich ständig mies, schlecht und schwach. Dabei machte er überhaupt nichts, er saß nur dort. Ganz nah bei mir, mehr machte er nicht.

Erst nach vielen Augenblicken öffnete er den Mund, auf den ich hypnotisiert starren musste. Seine Zähne waren ein wahrlicher Blickfang.

„So...", begann er langsam und setzte sich nun gerade hin, sodass er auf mich hinabblicken konnte, „und wie noch mal hast du diese Verletzung bekommen?"

Mit großen Augen starrte ich ihn, denn damit hatte ich ehrlich gesagt nicht gerechnet. Für einen kleinen Augenblick fehlte mir jegliche Luft zum atmen.  

Ich dachte ihm sei es egal? Aber anscheinend lässt es ihn doch nicht los, oder?

„Öhm..."

„Für einen einfachen Kratzer ist das schon relativ tief. Es scheint mir", langsam rutschte er näher zu mir, um mir am Ende weiter ins Ohr flüstern zu können und das gefährlich tief, „als ob dies eine Verletzung eines Vampirs gewesen wäre."

BlutrotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt